Fast wie Wandern und sehr abseits
BERGWALDPROJEKT vom 15. – 21.Oktober 2017
Verschiedene Einsatzorte im Staatsbetrieb Sachsenforst, Sächsische Schweiz, Forstbezirk Neustadt
Versteckt im Wald, in Nähe der tschechischen Grenze gelegen, ist es nicht leicht, eine solche Unterkunft zu finden. Insgesamt vier Bauden haben im Sommer geöffnet: “unsere” Grenzbaude, die minikleine Haselmausbaude, Willys Ruh und die Rotsteinhütte. Tickets für die Übernachtung müssen im Vorfeld gekauft werden. Ein Arbeitsauftrag für unser Bergwaldprojekt heißt, diese Bauden in winterfesten Zustand zu bringen.
Bei den anderen Arbeiten unmittelbar im oder am Wald kommt die Buschsense relativ oft zum Einsatz. Der Bewuchs ist sowohl in den Aufforstungen als auch beim Mähen von Wanderwegen oft flächendeckend.
Gertel sind spezielle Handsicheln zur Jungwuchspflege und zum Aushauen von Niedrigwuchs.
Versteckt zwischen Brombeerranken und wucherndem Kraut müssen die gepflanzten Eichen oder Weißtannen vorsichtig freigeschnitten werden.
Geschützt sind die Pflanzungen ringsum von Drahtzäunen. Was das Wild nicht fressen darf, sollte erst recht nicht ein Sichelhieb beschädigen. “Alles zu Leichen außer Eichen” posaunt ein Berliner Nachtclubkünstler…
Das Freischneiden der einheimischen Eichen oder Weißtannen hat zumindest den Vorteil der unverkennbaren Baumarten. Schwieriger fällt die Unterscheidung des Jungwuchses von Hartriegel, Holunder, Hasel, Weißdorn, Esche, Wildapfel und Heckenrose inmitten von überwuchernden Pflanzen. Herbstlich gefärbt oder ganz entlaubt, verliert selbst die Traubenkirsche manchmal ihre Eindeutigkeit. Ihren Baumstamm zeichnen weiße Punkte aus. Den Kampf gegen die Traubenkirsche als Neophyt hat sie auf manchen Waldflächen aber bereits gewonnen.
Wenn der Baum in der Schere quietscht, war er zu dick. Zur Schonung des Werkzeuges kommt die Handsäge zum Einsatz. Gegen die rigorose Entnahme von jungen Buchen und Fichten für gleichmäßig bis zu 2 Meter breite Wanderwege und gleichzeitig Rückewege, sträubt sich mehrfach mein Wanderherz. Diese Wege sollen in 10 Jahren noch begehbar sein. Disziplinierung der Natur, Ordnung und Sauberkeit in den Wäldern – doch ambitionierte Wanderer mögen es wild. Aber: siehe weiter unten…
Unsere Arbeitsorte liegen weit auseinander. Eintönige Forstwege dominieren linkselbisch. Die von uns frei geschnittenen Wanderwege geben dann aber auch beeindruckende Ausblicke frei, führen von sandigen Höhen in satte, feuchte Schluchten.
Für die am späten Mittag heiß ersehnte, tägliche Suppe auf offenem Feuer gehört durchaus Erfahrung beim Feuermachen, Erhalt des Feuers, Erwärmen ohne anzubrennen, beim Löschen der Glut.
Für Feuerstarter aus Magnesium und mit Metallschaber reicht die Geduld hungriger Bergwaldarbeiter nicht: Ich werde üben mit jetzt meinem kleinen, unerwarteten und Funken sprühenden Geschenk.
Erstes Begehen des neu gehauenen Stichweges zur Grenzbaude, schmal und stellenweise steil. Im Farn stecken eigentlich die Wildschweine. Den Maggigeruch, den sie ausströmen sollen, rieche ich nicht. Als Gruppe mit schwerem Schritt finden wir nur noch ihre schwarzen, zusammengebackenen Kotbeeren.
Eine einsame Wanderin sucht nervös nach einem Nachtlager in einer Baude. Mittags erst loszuwandern in diese Wälder der langen Betonwege ohne Ziel und Aussicht, ist ab Herbst nicht ratsam. Kraftlos hetzt und kraucht sie eine Miniserpentine hoch, die ich gerade als sinnlosen Umweg für das Freischneiden verworfen hatte. Manchmal scheint die verinnerlichte Lebensweisheit aus dem Kinderbuch vom kleinen Zweifuß nicht zu gelten: “Wenn Du ein Pferd haben willst, musst Du denken wie ein Pferd.” Wanderer denken offensichtlich unterschiedlicher als Pferde (siehe weiter oben ↑).
Eine für das Bergwaldprojekt ungewöhnliche Arbeit erwartet uns neben einer verwachsenen Heckenpflanzung. Nach dem Freischneiden der Büsche – nach drei Tagen können wir sie auch schon unterscheiden – geht es um die Pflege eines weiträumigen Ensembles aus Reinhardtsdorfer Sandstein, das die Bildhauerinnen Marguerite Blume-Cárdenas, Ursula Güttsches und Sigrid Herdam gemeinsam mit einheimischen, tschechischen und polnischen Jugendlichen zwischen 2005 und 2007 geschaffen haben: ein phantasievolles Märchen auf der Wiese neben einem Kneipp-Becken und nun schon von Quecken und Moos überwachsen.
Oben: die Arbeitsstelle bei Reinhardtsdorf in gesäubertem Zustand und die beste FKK-Badestelle der Welt nach 3 Katzenwaschtagen unter einem Regenwassertank: Kneipp-Becken mit weichem, glasklarem Wasser. Zwar war an der Grenzbaude bereits eine “Walddusche” gebaut worden: Vorhang mit Waschgelegenheit in viereckiger Plasteschüssel (genannt “Wanne”) – dieses hier direkt unter der Sonne ist luxuriös.
So war also der Tagesablauf: Wecken 6:00 Uhr; Tapp Tapp Tapp mit Stirnlampe in den Wald zum Herzhäuschen, Waschen am Brauchwasser-Tank. 6:30 frühstücken und Abwasch – langsam wird es hell; 7:30 Aufbruch zu Wegeunterhalt und Waldpflege (dieses Mal keine Pflanzung, anderes hat Vorrang). Am späten Nachmittag Rückkehr zur Hütte – ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Holz gehackt für den Ofen: was für eine befriedigende Arbeit!!! Die Stirnlampen gehen an, das Feuer wird geschürt; Katzenwasch, Abendessen, Abwasch, gemeinsame Abendgestaltung – Bildung und Unterhaltung.
Nicht nur die Abende bei Kerzenlicht und Feuerschein waren ein unvergessliches Erlebnis. Es hat einfach alles wunderbar gepasst. Das dürfte mit echten Menschen selten sein jenseits von Unterhaltungsshows im TV-Container und über alle Generationsgrenzen hinweg. Das dritte Mal bei einem Bergwaldprojekt (→ Fortsetzung) weiß ich, dass das immer so erlebt wird. Hier, unter sehr unüblichen Bedingungen war es etwas ganz Besonderes.
Soooo viele Danke an das auf 11 geschmolzene Team, an das ausgeprägt musikalische Bergwaldpersonal und die einfühlsame, humorvolle Leitung!
Einfach schön!