8. Februar 2018 im Nationalpark Unteres Odertal zwischen Schwedt und Criewen.
Wie sieht es denn im Polder aus?
Ein Winter-Highlight unter Führung von Eckhard Knauer, WSV Rotation Berlin
Polder sind eingedeichtes Gelände, um den Wasserstand – hier der Oder – bei Hochwasser zu regulieren. Bei anhaltendem Frost bildet sich eine relativ einbruchsichere Eisdecke. Ursprüngliche, kleine Fließe können allerdings gefährlich werden, ebenso tiefe Senken. Auf eigene Gefahr in jedem Fall und nur mit restlosem Vertrauen kann dem Wanderführer gefolgt werden. Dass noch weitere Kenner dieser Gangbarkeit leben, bezweifle ich.
Liegt der Wasserspiegel der Oder unter dem der Polder, wird Wasser wieder in den Fluss abgelassen. Dann bleibt über dem entstehenden Hohlraum die Eisdecke erhalten. Von was aber gehalten???
Unter den Füßen knackt, zerbirst oder bricht es. Das Adrenalin steigt rasant.
Geschieht das Vereisen schnell, bildet das abfließende Wasser um vorher überschwemmte Bäume riesige Kristall-Lüster. Cristian Andersen wusste nur zu gut, wie Eis in solch zauberhafter Gestalt nicht nur den Blick fesselt. Sogar die Seele verliert sich in solcher Landschaft – von den sich direkt auf dem Fluss auftürmenden Eisschollen à la Caspar David Friedrich ganz zu schweigen.
Die Situation in diesem Jahr entspricht jedoch dem Regen in unseren Landen. Die Polder sind geflutet. So weit das Auge reicht: ausgedehnte Wasserflächen. Das Abfließen dürfte noch ein, zwei Wochen dauern. Anhaltender Frost ist nicht in Sicht. Entsprechend wandern wir dieses Jahr nicht kreuz und quer, sondern auf schnurgeradem Damm zwischen Oder und Polder von Schwedt über Zützen nach Criewen. Manchmal zweigen alte, wesentlich niedrigere Deiche ab. Genau wie der Wiesenweg unterhalb am Wasser enden sie auf dünnem Eis oder trügerischem Gras, das unter den Schuhen versinkt.
Alles Weiß gleißt in der Sonne. Nur wer ganz genau schaut, entdeckt in den hoch gewachsenen Kristallen en miniature das eisige Reich der Schneekönigin.
Im Schlosspark Criewen (das ist aber schon eine andere Geschichte) laufe ich allein noch ein Stündchen unter Sonne, ganz ohne Wind in knackiger Luft. Der „Weg der Auenblicke“ ist gesperrt, hier ist noch nicht offiziell frei geschnitten. Dafür wird im Park gekappt, gesägt und melioriert.
Am Himmel ziehen in hohen Tönen rufende Gänse. Kommt jetzt der Winter? Auf den Storchennestern liegt Schnee als duckten sich darin die Vögel. In Brandenburg wurde der erste Storch bereits gesichtet. Was mag ihn getrieben haben?
Kurz noch in der „Linde“ in Criewen. Dort weiß man sogar, wie Soljanka mit Zitrone und saurer Sahne zubereitet wird. Alles andere hinterlässt ebenfalls zufriedene Gäste bis der Bus von Criewen nach Bahnhof Angermünde bringt.
In Berlin glaubt niemand an den so nahen, echten Winter unter strahlender Sonne.
Was Du alles erlebst! Sogar echte Eisgespensterchen… 🙂
Sind das auf dem vorletzten kleinen Foto wirklich Schneekristall-Sterne? Oder eher Rauhreif? Was natürlich egal ist, Hauptsache sooo schööön…
Liebe Karla,
deine Erlebnisse und schönen Fotos bringen mir ähnliche aus dem Jahr 1979 ins Gedächtnis und Gefühl. Ein Freund und ich waren im Oderbruch zu unterschiedlichen Jahreszeiten unterwegs. So auch im Winter und später im Frühling, da gab es dann noch Resteis zu bestaunen…
Danke!
Herzlich – Fine
Schneekristalle oder Raureif?
https://de.wikipedia.org/wiki/Raureif
Auf DIE Idee bin ich nicht gekommen: dann lag nirgends Schnee, sondern überall war es Raureif!
Dass uns Mitteleuropäern die Vielfalt der Bezeichnungen von Schnee und den unterschiedlichen Weißtönen fehlen wie sie die Inuits kennen, daran dachte ich beim Schreiben. Und Pulverschnee kenne ich auch :))) Aber Raureif war mir immer nur auf Bäumen aufgefallen oder frühmorgens kurz alles bedeckend. Es waren aber wie wiki beschreibt wirklich hoch und mit Sicherheit langsam gewachsene, nadelförmige Kristalle – ganz erstaunlich.
Jutta, danke für den Mut, den RauHreif noch mit h zu schreiben! Habe lange überlegt, ob ich ihn auch so schreibe. Es passt klanglich viel genauer zu diesem Phänomen.
Dieses rau ohne h war einer meiner Hauptgründe, die Rechtschreibreform zu verdammen. Gesprochen ist und war es nie ein stimmloses h, sondern müsste deutlich zu hören sein, um RAUHHH zu klingen wie die Hexe in Hänsel und Gretel*. Und der Atem sollte als weißer Hauch in der kalten Winterluft zu sehen sein.
Die Rechtschreibreformer waren tumbe Sesself…
*…die rauhe Stimme hatte natürlich der Wolf, aber egal…