Etwa 20 km und 6 Stunden Solo ins Plagefenn und zu den Plageseen zwischen Chorin und Liepe
Warum die Mönche Kutten mit Kapuzen tragen und ich 2x im Amtssee bade
Dass Chorin seine Existenz und seinen Ruf dem Zisterzienserkloster verdankt, muss ich nicht ausführen. Inwieweit Mönchskutte und Kapuze – in meinem Fall eine zu abgespeckte, moderne Variante – nichts als einen noch nie und von niemandem in Erwägung gezogenen Schutz vor teuflischem Getier haben, wäre eine Überlegung jenseits aller christlichen Interpretationen wert…
sssssssss klatsch sssssssssss klatsch ssssssss sssssss klatschklatsch sssss klatschkratz ssssssssssssssss sssss ssssssss sssssssssssss ssssssss klatsch klatsch ssssssssssssss ssssssssssssssss egal…
Wenigstens gewährt der Amtssee wohltuende Kühlung nach dem ersten Begrüßungsstechen und zuletzt eine schlussendliche Entledigung fast* aller versteckten Blutsauger zwischen Hemd und Hose.
Welcher Waldwinkel im gesamten Amt der fleißigen Mönche aber genau den Namen “Mückenwinkel” verdient, habe ich nicht herausgefunden. Wehe, der Fuß gerät an den Rand der breiten, splittigen Wanderwege oder den der schmalen, alten Straßen mit ihrem Kopfsteinpflaster. Es könnte sich jenseits aller Moorleichenangst bewahrheiten:
Wer sich in die Natur begibt, kommt darin um.
Vom Plagefenn zum Großen und Kleinen Plagesee und mehr dergleichen
An den Sümpfen und Wasserstellen selbst sind die Mücken rar. Und auch wenn mir die Idee zu dieser Wanderung der Herrentag eingab: die Plagen haben ursächlich nichts mit dem männlichen Geschlecht zu tun. Plage bedeutet vom slawischen plaviti abgeleitet alles mögliche um die Begriffe schwimmen, flößen, Ufer etc.
Als Fenn wird im Brandenburgischen ein versumpfter oder vertorfter Binnensee, auch ein Teich – immer ohne festen Boden – bezeichnet. Nix mit Füße rein und planschen… Schon in Ufernähe versteckt sich unter den Blättern manch tiefes Schlammloch. Das Naturschutzgebiet verbietet das Betreten außerhalb der Wege ohnehin. Die Vorschrift hat eine glückliche Ausnahme: jenseits der mit Wanderzeichen geführten Route sind Wege kaum mehr kenntlich und haben natürlich kein ausdrückliches Ziel, schon gar kein von Mannsleuten ersehntes. Ich bin naturnah einsam. Total einsam bis auf flüchtige Begegnungen an drei Wegkreuzungen. Und eine Begegnung der schlimmsten Art: Richtung Liepe ein Bier- Schnaps- und Tütenrestetisch – ohne Menschen.
Meine Wanderstrecke kann ich nicht beschreiben. Wo zwischen Chorin und Brodowin oder aus Richtung Nettelgraben die Wege an den “Plagen” vorbei führen, da ist nicht mehr als “vorbei”. Jetzt aber bin ich wie mittendrin gefangen zwischen unzähligen kleinen Waldsümpfen, Brüchen, Hoch- und Tiefmooren, Wasserlöchern oder tiefen Kuten (Gruben) – ununterbrochen sich aneinander reihend. Irgendwann gerate ich auf eine Halbinsel. Doch: es geht ein schmaler Erdsteg weiter! Keine Karte scheint diese Wege zu verzeichnen. Nicht einmal die von kaum mehr lesbaren Wegweisern – Wurzelweg, Fennweg. Mich reizt sowieso nur das unbekannte Dazwischen.
Es gibt allerdings Führungen durch das Plagefenn.
Jedes feuchte Biotop hat seine ganz eigene Oberfläche: Farbigkeit, Bewuchs und Ausstreckung – alles unterschiedlich. Wer das Revier mehrmals begeht, hat wohl keine Schwierigkeit, sich zu orientieren. Wahrscheinlich sind sogar manche meiner Fotos topografisch zu identifizieren. Aktuell weiß ich nur: mein Weg führt unablässig und immer an, meist sogar zwischen diesen Wasserflächen hindurch – eine erstaunliche Erfahrung in diesem trotz allem ringsum hügeligen Gebiet, geologisch als eine Mulde vom Lieper Endmoränenbogen beschrieben.
Außer Mückengesumm, Vogelgezwitscher und vereinzelten Kranichrufen: → Stille. Erst im Sumpf bei Liepe gibt es ein Froschkonzert, das wie unablässig pumpende Maschinen klingt. Quaken kombiniert mit dem Platsch unzähliger, kleiner Sprünge?
Einmal fliegt erschreckt ein Stockentenpaar auf. Die Blumenbinse trägt bereits ihre kugligen Wuschel und die weißen Blüten der Wasserfeder leuchten unerreichbar für ein gutes Foto.
Trotz der Stille – als sich der Himmel bewölkt und die Zeit reichlich fortgeschritten ist: o schaurig ist’s, in Gedanken an Annette von Droste-Hülshoff weit entfernt von sicheren Wegen durchs Moor zu gehn… weh, weh, meine arme Seele…
und konkret bei mir selbst vom 11. bis 12. Mai schmerzlich juck kratz juck kratz kratzkratzkratz
*…die Zecke hat weiter gebissen…
Was wäre noch anzumerken? Wie üblich eine Wochenendausnahme: S-Bahn-Schienenersatzverkehr zwischen Buch und Bernau. Nicht verbreitet wird, dass auch die Regionalbahnen in Bernau einsetzen bzw. enden. Wer die versteckte Busabfahrtsstelle in Buch nicht schnell findet oder Platzangst in dem nur einen Bus bekommt, hat 20 Minuten zu warten.