23.6.2018
Hillenberg Richtung Nord, ca. 35 km (blöd gelaufen)
Von Hillenberg, Lange Rhön, dem Ausgangspunkt des diesjährigen → Bergwaldprojektes, Richtung Hausen – mit Nummernsystem brav noch einmal an → Frauenhöhle und Eisgraben entlang: 3,8 km. Eigentlich 2,3 km auf der Schloßbergstraße, die ist an der Schloßbergschänke Hillenberg zu einer kläglichen Nr. 2 mutiert und die Straße bricht hinter der Schänke ab. Ein Uralt-Wegweiser zeigt ins Leere.
Solche Irritationen begleiten mich von nun an ständig. Oberfladungen wäre fast Luftlinie Richtung N gewesen, aber Fladungen sieht höher gelegen aus. Ich möchte nicht sinnlos zurück bergauf – Maria wird es schon richten.
Fladungen ist wunderschön historisch, aber ein Tal der Ahnungslosen. Das Internet lädt nicht, auch nicht bei freundlich jungen Menschen. Die Wanderkarten haben in der Rhön prinzipiell Fahrradmaßstab mit viel ausgelassenen, kleinen Ortschaften.
In Oberfladungen verblieb in den Köpfen der „Eiserne Vorhang“: „…fragen Sie in Melpers, die wissen mehr Richtung N.“
Melpers – ehemalig Ost: Man(n) berät sich. Man(n) geht hier nicht in den Wald: Minen. Also Erbenhausen: alte Dorfstraße, geradeaus, im Wald links. Es war wohl lange niemand dort oder kam nicht auf die Idee, wirklich links auf einem wunderschönen Waldweg zu wandern. Nur wann wieder nach rechts? Ich ahne, kann es mir aber nicht vorstellen: meilenweit an Erbenhausen vorbei. Und vom Johann Wolfgang von Goethe Weg erfahre ich erst zu Haus mit google maps. Rhönkopf Streufelsberg sagt maps vor Ort – auf dem Display nach allen Seiten Grün. Stark befahrene Landstraße: sowohl nach rechts als auch nach links brausende Autos. Zurück über gemähte Wiesen. Ich bin ja in Thüringen, da kommen immer Weg und Dorf. Richtig, ein guter, schöner Weg, neben mir ein Bachtal. Bis ein Baum quer liegt. Das kennen Brandenburger…
Nee, kennen wir nicht: dahinter noch ein kurzer Fußtapfenpfad, dann ein unüberwindlich verwachsenes, sich quer ziehendes Ende. Es gehört nicht viel Phantasie dazu: Zonengrenze. Nein Danke, ich weiß zwar nicht wie groß der Unterschied zwischen Mine und Bombe ist, aber mein Gewicht + Rucksack könnte durchaus auslösen. Dann also das Dorf in der anderen Richtung. Gibt es nicht, nur eine Kurve. Ich weiß jetzt: die Rhön kreiselt.
Juhu – aus dem tiefen Wald (dort liegt Melpers) ein Auto. Ich glücklich, zwei Männer misstrauisch – hä? Aha, das Paar hat sich verfahren, den Förster getroffen und weiß nun wo die Straße ist. Das weiß ich auch (und in Berlin ist schwul normal). Mehr weiß keiner, sie setzen mich an einer Kreuzung ab. Von Rhön Kreuzungen hab ich die Nase voll, da hilft auch kein Kompass: es geht rund. Also fragen – die Rhöner und Thüringer sind gesprächig. „Lupinen!!! … sicher der Torsten… wir sind gute Freunde…“ Schock: schließlich wandere ich schon stundenlang und wähne mich weit entfernt von der bayrischen Rhön.
Rundum die Rhön
Noahs Segel ist leider bereits oder überhaupt geschlossen. Das Eisenacher Haus umrunde ich schon wieder hilflos nach „Rhönklub“-Art. Ich entscheide mich frisch gemäht querfeldein, Kaltenwestheim (warum nicht auch -nordheim?), Arche Rhön (was is’n dite), Tann taucht als Name auf, dann nie wieder.
Also das Tal mit den Dörfern: an den Bergen vorbei werden einst unsere Vorfahren neue Wohnstätten gesucht haben. Wegweisern traue ich nicht mehr. Die Wege kurven trotzdem wie sie wollen. Irgendwann im Wald Mutter, Tochter, Hund: “Zur Eiche?” Ich schreie auf: Neieieieiein! Kein einzelner Baum, kein Kohl- Kuh- oder sonstiges Gehöft, kein Basaltsee, sondern ein ORT Richtung Nord! Tann wär schon gut – so sollte es ursprünglich sein und ich schon längst dort. Die beiden wissen unterschiedlichen Bescheid, sind sich aber einig: die Wegemarkierung IST unverständlich und das abendsonnige Tal oben entlang ist richtig.
Über Hundsbach nach Tann
Jenseits des gewiesenen Weges laufe ich in hohem Gras wohl schon wieder ein Stück über Grenze und Minen, zumindest hab ich dem Jäger den nächsten Schuss verdorben. Ich hänge zwischen Thüringen und Hessen. Im Tal liegt ein Bilderbuchdorf, am Hang eine Bank unter einem nicht geplünderten Wildkirschbaum (weit und breit kein Fahrradweg). Im ersten/letzten Gehöft bekomme ich das schmackhafteste Quellwasser der Welt nachgefüllt; das ganze Dorf Hundsbach kann von diesem Quellwasser leben. Es lüge mich niemand mehr an mit der Wasserqualität in Berlin…! Ich bekomme den Kompostbehälter aus nie rostendem Grenzstahlzaun vorgeführt und bewundere Hühner mit edelstem Porzellangeschirr-Muster: Andalusier, eine europaweit bekannte Zucht.
Und du meine bunte Kuh, was sagst du dazu?
Am Weg die buntesten und schönsten Kühe, die ich je gesehen habe – ich wage es kaum auf meinem Blog zu verbreiten: in Brandenburg verschwanden gerade wieder 3 von der Weide… (Id al Fidr, das Ende des Ramadan fiel dies Jahr auf den 14. Juni; Achtung: hier steckt nur mein ganz eigenes, weiterführendes, christlich geprägtes Schuld- und Sühne-Gedankengut dahinter… bei den Christen ging es oft genug nicht nur um Kühe).
Angeblich kann ich es noch bis Theobaldshof schaffen. Aber was wäre das? Bin direkt in und hinter Tann gelandet, am Mühlberg. Am Hang fließt eine Quelle in ein künftiges Wellnessbecken. Die Rhön ist Wasserschutzgebiet – ist das der Anfang vom Ende? Noch gibt es keine endgültige Umzäunung. Ich wasche mich mit einiger Verrenkung am Rohr, klappe wenig später zusammen, ohne Zeltaufbau. Blick in die Weite – es ist nach Zehn, 3 Tage nach Sonnenwende.
12 Stunden war ich unterwegs, den Rucksack nur wenige Minuten abgesetzt…
Ohne Zelt schlafe ich fest – niemand schnuppert, niemand versucht unter mir hervor zu krabbeln: ich bin für die Natur verständlich. Morgens hinterlasse ich nicht einmal einen Abdruck.
Natürlich gibt es “echte” Infos weitaus besser von Wikipedia! Nur eins kann ich sicher sagen: die überaus vielfältige Landschaft der Rhön kann zum Sehnsuchtsziel für Wanderer werden, allerdings nicht zum Fernwandern. Etwas wie eine Fortsetzung des HET-Weges auf dem Hochrhöner gibt es nicht. Das hatte ich nicht glauben wollen.
→ Fortsetzung von Tann nach Vacha
→ Heimwärts-Exkurs Vacha – Eisenach – Berlin, Regiobus nach Eisenach und Flixbus bis Berlin
→ In der Rhön blüht es blau, so blau…, Bergwaldprojekt 2018 in der Bayrischen Rhön
→ Das Schwarze Moor in der Rhön, Exkursion zum Bergwaldprojekt 2018
→ Bergwaldprojekt Bayrische Rhön 2018, rund um Hillenberg