25.10.2018, mit Eckhard Knauer und dem Wandersportverein Rotation Berlin von Wüste Kunersdorf aus durch den Frankfurter Stadtwald, das Booßener Gehege: Erlebnisdichte auf 15 Kilometern.
Ausgangspunkt Wüste Kunersdorf
Tja, bei diesen speziellen Wanderungen von Eckhard Knauer bleibt erst einmal alles Geheimnis, abgesehen von Ziel und Zwischenzielen. Wie und wo die Wandersleut laufen: mal sehn, wo es geht.
Aus Richtung Frankfurt/Oder bis Wüste Kunersdorf liegt der bisher so noch nicht angesteuerte Ausgangspunkt ins “Booßener Gehege”. Rechts vom Bushalt der Linie 968 schon die Lebuser Berge. Die Oder auch längs in dieser Richtung. Dahinter gab es 1759 im “Siebenjährigen Krieg” die berühmte, verlorene Schlacht von Kunersdorf und das “Mirakel” des Hauses Brandenburg: die Habsburger ließen Berlin “links” liegen.
Mit dem Gelände hatte der olle Friedrich damals auch zu kämpfen. “Ungangbares Weideland” verzeichnet eine historische Karte. Das gibt es auch westlich, wo wir nun sehr geradewegs wandern und daher erst einmal nur für’s Auge unglaublich wild. Nach dem zweiten Kreuzen einer alten, preußischen Ostbahntrasse eine dammartige Straße Richtung Wulkow. Überraschend naß rechts und links nach diesem Sommer: der Mühlbach – vom fleißigen Meister Bocker als Domizil erkoren?
Nach alter Mühlenkultur sieht es nicht mehr aus. Die flächendeckenden, spitzen Stammreste, alle in der gleichen Höhe, können fast nicht anders als vom Biber genagt sein.
Wulkow auf dem Weg nach Booßen
Alzheimer setzt bei unserer Spezies insbesondere an den politischen und militärischen Meßtischen früh und unbemerkt ein: ein Soldatenfriedhof in Wulkow. Nicht von 1759. Dieser Friedhof von 1945 war aber sicher ebenso schnell belegt – die Marken (in Kriegen ist der Mensch nicht mehr wert als ein Hund, das vergessen die Begeisterten) waren damals wie neu. Die hier vor allem deutschen Namen entsprechend einfach zu ermitteln. Die Gedenktafeln ebenfalls fast neu: die vorherigen, kleinen, individuellen Täfelchen waren eines Tages verschwunden. Metall als Wertstoff – wird live berichtet; der Friedhof wird aktuell gepflegt.
Der unmittelbar anschließende Gutspark wegen mangelnder “Verkehrssicherheit” gesperrt. Selbst die Absperrungen präsentieren sich in diesem Zustand der eindringlichen Warnung. Hinter dem kleinen Guts-Kirchhof: oh Gott – wendet sich die Büste mit vergeblicher Flucht- oder Bittbewegung zwischen hohen Abfallbergen gen Himmel. Vielleicht hätte ich die nicht auf dem Foto ausblenden sollen. Aber die Verwahrlosung reicht auch so.
Das Grufthaus ist dagegen perfekt saniert – in zarten Pastelltönen. Da sind Gelder geflossen. Echt zarte Gefühle erstarren ohne solchen Strom offensichtlich schneller als Farbe hält. Das Schloss steht bereits im Zustand der unsanierbaren Immobilie, alles andere als romantisch.
Das Konzept der ökologischen Dorferneuerung mit einem gemeinnützigen Ökospeicher und viel Kultur wurde 1994 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Nur am trüben Herbsttag und dem geschlossenen Kulturspeicher kann es nicht liegen, dass Wulkow über 20 Jahre danach einen trostlosen Eindruck hinterlässt.
Die Lust ist mir vergangen, die angepriesenen Internetseite zu inspizieren: www.oekospeicher.de, www.lebendige-doerfer.de
Mit Romantik dienen der überwucherte Kräutergarten und der Weg durch den Gutspark, wohl auch vom geschützten Biber unter Wasser gesetzt. Dann das Niedrigenergiehaus als Ferienhaus zwischen meterhohem Gras – an dieses Ufo wird sich jeder Besucher erinnern, auch nach noch so langer Zeit. Nur merken sollte man sich: Wulkow bei Lebus. Es gibt in Brandenburg viele Wulkows…
Steine im Booßener Gehege
Ja, es ist Herbst. Ein feuchter, griesegrauer Oktobertag. Wind, dunkle Wolken: Richtung Booßen feinster, aber dichter Regen. Endlich einmal “Wetter” nach Monaten bewegungsloser Hitze.
Im Wald gibt es Schutz, an den Rändern stäubt die Nässe in grauen Schwaden aus allen Richtungen.
Die blaue Tüte im Regenwind – ich hab nur meinen kleinen Rucksack, aber noch einen Ersatzrucksack für Pilze (danke, danke für alle verzichtenden Spender) und ein Vogelnest. Vielleicht kann ich diese Umweltverschmutzung doch beseitigen, obwohl blöd: durch den ganzen, riesigen Wald ist das noch zu tragen. Ich greife zu. Meine Hand ist augenblicklich übersät mit Miniflocken blauer Plasteteilchen, die an mir wie magnetisch und giftig kleben. Nein – unter diesen Umständen will ich die Welt jetzt nicht retten. Ich wedle, wische, schmiere im nassen Gras ab, bin entsetzt. Diesen Zustand der Auflösung hatte ich bisher noch nie zu spüren bekommen.
Die Gruppe ist dem Blick schon entschwunden.
Die Hügellandschaft erinnert mich an die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung dieser Gegend. Hier auf einem Feld fand ich schon einmal unzählige Feuersteinknollen und Abschläge. Jetzt fallen Riesensteine ins Auge – keine Lesesteine. Zerstörte Gräberfelder? Oder wurde gezielt nach Stein als Baumaterial gegraben?
Ja, diese sind eindeutig bergbaumäßig aus der Erde geholt: links noch mit deutlich sichtbaren Spuren der spaltenden Bearbeitung, rechts davon – ich kann es kaum glauben: der Zwilling meiner gerade erst → erzgebirgischen Entdeckung: rosa Feldspat, Quarz, Glimmer und schwarzer Turmalin. Hier aber mit Sicherheit einst vom Eis aus Skandinavien hergeschoben.
Dann direkt im Booßener Gehege einem der schönsten, von Berlin aus schnell erreichbaren Waldgebiete: eine äußerst vielfältige Gesellschaft von Bäumen – einheimische Baumarten durchmischt mit fremdartigem Gehölz, das seinen Platz wie natürlich gewachsen einnimmt. Davon erzähle ich diesmal nicht. Eine andere Besonderheit: einige einzeln stehende, riesige Findlinge – alle nicht leicht zu finden. Vergeblich war während einer der letzten Begehungen die Suche nach dem “Näpfchenstein”. Den haben wir dies Mal bewundern können. Wild durch den Wald heißt nie nicht völlig irrend ;))
Infotafel: Grauroter mittel- grobkörniger Migmatit (Gneisgranit). Komponenten: Quarz, Plagioklas, Orthoklas, Biotit, flaserig = Korngefüge gelängt, eingeregelt = parallel. Heimat: Skandinavien. 2.80 x 2.00 x 1.45 Meter. Gewicht ca. 11 Tonnen
Dieser Näppchenstein ist zu akkurat technisch bearbeitet, um auch nur einen Hauch von Opferstein auszustrahlen. Es handelt sich um ausgearbeitete Vertiefungen zum Zerlegen des Steines mit Hilfe von Holzkeilen. In die riesigen Vertiefungen getriebene Hartholzkeile wurden mit Wasser getränkt und sprengten aufgequollen den Stein. Auf diese Art und Weise wurde Baumaterial gewonnen, Steinblöcke, wie sie an den alten Dorfkirchen der Umgebung zu sehen sind.
Direkt dran vorbei – am Pilzstein: dunkelrotgrauer, mittel- bis grobkörniger Granit aus den Komponenten Quarz, Plagioklas, Orthoklas – ein Feldspat, Biotit = Glimmer und Hornblende. Heimat: Skandinavien. 2.10 x 1.80 x 1.80 Meter, Gewicht ca. 9 Tonnen. Der geologische Begriff “Wollsackverwitterung” dürfte auch passen.
Die Katzen von Wupis Tränke
Wupis Tränke – seit Jahrzehnten beliebtes Ausflugsziel im Frankfurter Stadtwald, beliebter Imbiss, beliebter Spielplatz, heute sogar mit Kindergeburtstag. Ausreichend Platz findet sich immer irgendwie zwischen etwas Chaos.
Und hier hab ich sie endlich: die Nachfahren der Falbkatzen (Felis silvestris lybica), die sowohl aus dem alten Ägypten als auch aus dem Gebiet der heutigen Türkei stammen und sich seit der römischen Kaiserzeit auch in unserem Gebiet verbreiteten. Anhand von DNA-Proben analysierten Forscher die Überreste von Katzen aus steinzeitlichen Fundstätten, Mumien aus dem alten Ägypten und Überreste aus Wikingergräbern.***
Der Fund einer rechten Katzen-Beckenhälfte in einer germanischen Siedlung bei Wüste Kunersdorf (1968) hat bewiesen: die Hauskatze wurde auch bereits um 300 u. Z. ziemlich genau hier gehalten. Sie wurde in dem altslawischen Burgwall bei Fichtenberg, Kreis Liebenwerda (8. bis 9. Jh.), nachgewiesen, ebenso in Berlin-Köpenick und Tornow, Kreis Calau.
Die stolzen Minitiger von Wupis Tränke scheinen von ihrer Abstammung zu wissen. Hund wird ignoriert und reagiert seinerseits allerhöchst irritiert. In jeder Beziehung chancenlos gegen das Dreiergespann.
Ein gepolsterter Stuhl ist nur mit roher Gewalt frei zu machen. Katze ist beleidigt und lässt ihre Kräfte eingedenk der erst einmal schwächeren Position demonstrativ am Baumstamm aus. Als Wärmekissen von oben her kann solcher faux pas der Gäste zum gegenseitigen Nutzen allerdings gut gemacht werden.
*** der ursprüngliche Link http://public.bibliothek.uni-halle.de/index.php/hercynia/article/viewFile/1222/1297 funktioniert leider nicht mehr (Nov. 2019).
Vielleicht klappt es auf längere Dauer mit → Zur Geschichte der Wild- und Hauskatzen, ansonsten bitte zu “Katze in der frühen Neuzeit” googeln.