Pfingsten 2019, “Wandern im Harz”. Zu zweit von Goslar nach Ilsenburg – dank Harz-Berlin-Express (mit einigen Abstrichen fast wie vor dem 9.12.2018). Geplant: Klippenweg und Ilsetal, alles andere jenseits der harzbekannten Forstwege.
Aller Anfang ist schwer
Goslar, kurz nach 10h ein schnuckeliges Harzstädtchen, nach 10:30h Touristengewimmel. Wir fliehen am Abzuchtkanal und der alten Stadtmauer entlang (der jüdische Friedhof ist nicht nur in den neuen Ländern, sondern auch hier geschlossen), landen auf dem Segelfluggelände Bollrich.
Das Vorhaben, jenseits der Pfingstochsentouren naturbelassene Wege zu finden, geht höchst langsam bzw. zu schnell in Erfüllung.
Der Weg zwischen den Absetzbecken verflüchtigt sich in unendlichen Dornröschenhecken und die Natur steckt voller Rätsel.
Kein Wunder: Orientierung verloren. Gelmketal und Ammental daher vor und zurück.
Endlich: die Brücke am Waldhaus über die Oker, dann die Alte Harzstraße als Genusswandern.
Autos und Motorräder sind trotz der Talstraße nicht zu hören: lauter braust der Wind oberhalb des Okertales in den Ohren.
Schnellstens raus aus dem Bereich des windverwehten Wassers vom Romkerhallerfall! Viel kann nicht unten ankommen. Besichtigung sparen wir aus.
Der Tag neigt sich bereits dem Ende zu. Steil hoch geht es auf dem Klippenpfad. Das wegen Renovierung geschlossene Kästehaus muss nicht mehr sein. Wir umkreisen etliche Brocken (nicht den Brocken) und die Feigenbaumklippe.
Besseres lässt sich niemals finden. Ein langer Sonnenuntergang und „Gute Nacht.“ Irgendwann ein Blick in den dunklen Himmel. Haarscharf an der Kante des Überhanges: drei Sterne des Großen Wagens. Wer weiß – unsere Vorfahren haben sicher mehr aus der Konstellation gelesen.
Klippenweg und quer durch
Rosarot, breit strahlend der Sonnenaufgang gegen 4 Uhr.
In der zweiten Reihe schläft es sich immer noch gut.
Ziellos gezielt genießen wir höchst ausgeruht jede Klippe. Dank an den → Ideengeber.
Mein babylonischer Sternen-Favorit: die Moosklippe, ohne Geländer. Oben steinerne Single-Kuhlen: perfektes Liegen im Felsennest mit ungeschütztem Blick in den weiten, weiten Himmel.
Überhaupt: wer nicht diese Felsformationen genauer erforscht, weiß nicht, was eine Harzer Klippe bedeutet. Mausefalle – Hexenküche – Mönch und Nonne – Kästeklippen, wir enden bei der Alten vom Berge.
Süd-xx-wärts quer gibt es wenig zu entscheiden. Aus dem Auto vom Forst wird freundlich gewinkt. Dass wir am Brockenblick als Backpacker nicht frisch aus dem Hotelbett gestiegen sind, ist klar. Kontrolliert wird das Harzgebiet offensichtlich an Feiertagen verstärkt.
Gemeint sind andere als wir und anderes. Sogar das Diabaswerk am Huneberg liegt unbewacht: Absturz auf eigene Gefahr…
Obwohl frisch gewaschen: wir werden mit unseren offensichtlich anderen Ambitionen an der → Marienteichbaude freundlichst übersehen, um so freundlicher beim Nachfüllen aller Flaschen bedient. Hier tanzt ansonsten der Bär, auch wenn es nur Wildkatzen sind.
Wir verschwinden schnellstens, kreiseln auf wilden Waldwegen, geraten wieder auf Splitt, stolpern notgedrungen darauf abwärts auf dem trotzdem einsamen Luchsweg zum Radauwasserfall mit lauschigem Plätzchen für einen verdienten Kaffee.
Richtung Molkenhaus ein steiniger Zickzackpfad aufwärts. Abwärts grölt uns das Ziel entgegen. Dabei hat das Haus (nicht die Wiese) geschlossen.
Also eingedenk der morgigen Zugbindung geradewegs auf Splitt zum verfetteten Luchs im Gehege und zur Rabenklippe.
Das große Suchen Richtung Eckertal – vergeblich. Eisentor, Verzehrvorschriften, Privatgärtchen versperren den eindeutig gezeichneten Weg. Doch, gerade durch die Gastwirtschaft wäre der Einstieg gewesen.
Der nun urige, feuchte und steile Pfad am Großen Stötterbach hätte langsames Gehen verdient. Der Eckertalweg schon wieder mit eckigem Ekelsplitt bis der Jungborn mit lieblicher Wiese fast wie zu Zeiten des einstigen Kurparks grüßt. Die Pflege des Areals wird inzwischen mit dem Vermieten von Schäferwagen finanziert. Recht so. Nur wir können nun nicht wie Kafka im → Kurluft-Häuschen träumen.
Mit grauen Wolken bricht eine Nacht an, die zumindest in meiner Erinnerung nicht dunkel wird.
Alles Ilse am Tag drei
Über den Besenbinderstieg nach Ilsenburg, dann entlang der Ilse-Kaskaden.
Hexenverdächtig, aber naturgeschützt endlich einmal ein lebendiges Tierchen unter all den überfahrenen Leichen meiner sonstigen Fotos
Die sommerliche Ilse lädt zum Planschen ein. Hier zur → Ilse im Winter.
Doch ätzend splittsteinig wartet bereits die Strecke Richtung Plessenburg.
Die Art unseres Gepäcks hat Seltenheitswert. Mehr als einen Tagesrucksack trägt niemand, die Radler wohl nur ein Geldsäckel.
Das Wetterglück ist uns hold: sogar kahle Hänge sind in der Sonne keine wirkliche Qual.
Steil (es geht auch anders) zur Ilsesteinquelle und zur Felsenburg Ilsestein mit leckerstem Eis, für dessen Transport der Splitt wenigstens einen Sinn ergibt.
Das Kloster in Ilsenburg schon mit dem Gefühl „vorbei ist vorbei“ ohne mich. Noch 3 Stunden bis Buffalo…
Fazit “Wandern im Harz”
Das angepriesene „Wandern im Harz“ bedeutet eintönige, breite Nationalparkstraßen plus Splitt. Dank Borkenkäfer streckenweise fußfreundliche Nadelstreu. Etwas zynisch: gern mehr davon.
Die begehrte Harzer Wandernadel ist problemlos an günstig gelegenen Stempelstellen Nähe Parkplatz, Bushaltestelle und Restaurant zu ergattern.
Festes Quartier, fester Rundkurs, Tagestouren – dafür werben die Harzer Gastgeber. Das gelingt.
Doch nur wer mit leisem Schritt, leichtem Tritt und ganz heimlich auf einen unbezeichneten Waldweg ausweicht, genießt den Harz wie er in den Sagen- und Märchenbüchern steht. Viel, viel Zeit mitbringen! Im Harz sollte der Weg das Ziel sein.