4. – 10. August 2019, Moorwiedervernässung durch das Bergwaldprojekt in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Jasmund.
Liebe Wandersleut, versucht euch einmal! Mehr und alles genau zu erfahren im → Bergwaldprojekt
Mitten im Nationalpark Jasmund, abgeschnitten von der digitalen Welt, leben wir in unseren Zelten rings um eine einfache Jagdhütte. Längst schuften wir im Wald, wenn die Autokarawanen vorbei brausen.
Projekteinstieg Moorwiedervernässung
Arbeit gegen den Klimawandel: Moorböden können zehnmal mehr Kohlenstoff speichern als Wälder. Aber mit Zahlen kann hin und her geschoben werden. Fakt ist: Moore sind unwiederbringliche, besondere Lebensräume. Nichts belebt ein über Jahrhunderte gewachsenes, gänzlich trocken gelegtes Moor wieder. Aktuell geht es um den Erhalt unserer letzten Moore und die Biodiversität unserer Landschaften.
Letzte Arbeiten an einer Moorwiedervernässung noch von der voran gegangenen Projektwoche: die Mühsal des gesamten Ablaufes ist kaum zu ahnen. Locker, locker feste fest treten…
Wer großes Glück hat, findet sogar ein tief schwarzes Knochenstück. Weder dieses noch der frischere Knochen stammen von einem Menschenopfer. Immerhin: ein Stück Schulterblatt eines Rothirsches. Das Alter ist unklar.
Moorwiedervernässung I
Eine Moorwiedervernässung von Anfang bis Ende miterlebt, sorgt für ungefähre Kenntnis des Ablaufes. Der stellt an jedem Standort immer und immer wieder bisher so noch nicht gelöste Probleme.***
Die Werderwiese Richtung Süd. Hinter dem Wald liegt die einstige Oberförsterei, ein repräsentativer Backsteinbau vom Ende des 19. Jahrhunderts.
Steine im Boden mit späten Bohrungen: also wohl ein früheres Brücklein über den Entwässerungsgraben. Und noch früher? Die ausgewiesenen slawischen und germanischen Bodendenkmale auf Rügen stellen einen Bruchteil des einst Vorhandenen dar.
Am Vortag cm-genau abgestochen, ausgehoben und ausgeschöpft: der Graben zieht unendlich Wasser – das Trockenlegen einst war sichtlich erfolgreich.
Wassereimerkette zu Sisyphos… und dann zerstoßenes, wasserundurchlässiges, reines Kreidegestein als Grundmasse.
Im denkbar schmalsten Arbeitsschacht entsteht das Holzbauwerk mit Präzision: eine Nut-Feder-Verbindung.
Die Sperre steht: jetzt das Mixen eines aus Sägespäne, Aushub und Wasser bestehenden, künstlichen Moorbodens.
Moorwiedervernässung I, Endphase
Letztendlich das Bepflanzen mit Binsen. Eine nette Arbeit, wär da nicht im Vorfeld die Schufterei des Ausstechens in einer auf immer ausgetrockneten Fläche. Dumpfer Ton: der Wiedehopfhacke stellt sich das alte Nadelholzgewurzel quer und störrisch entgegen.
Hoffen wir das Beste für die Werderwiese. Besorgnis erregend tragen die Buchen ringsum schwer an ihren Früchten. Da sprachen die Bauern früher von einem kommenden, harten Winter. Ich denke an das Phänomen “Notblüte”: verzweifelter Versuch des Überlebens durch Nachkommenschaft.
Moorwiedervernässung II
Regengüsse – Zeitverzug
Ach ja – “einfache Jagdhütte”. In etwas mehr als Bodenhöhe in der feuchtnassen Atmosphäre mag “einfach” sogar übertrieben sein.
Aber: mit beheiztem Holzofen und Blick in den reichhaltig bestückten Trophäenwald fühlt sich der Fluchtort eher exklusiv herrschaftlich an.
Moorwiedervernässung II – fast der Endzustand
Wenn ich selbständig höchstens noch mein Bein ohne Stiefel aus dem Schlamm retten kann und vor Schwäche nur noch wackelnd fotografiere, da springen andere fast (aber nur fast) mühelos ihre Stampfrunden. Bitte diese Kunst mit Klick ins Bild (in neuem Fenster) so gut wie live genießen!
Frischer Schwung zur Exkursion
Yoga oder Wäsche trocknen? Beides eine empfehlenswerte Art, die Glieder zu lockern. Meist stellt sich erst zum Ende einer Projektwoche heraus, dass alle Teilnehmer/innen zusammen durchaus ein meditativ ausgerichtetes Kampfsportteam bilden könnten.
Durch den Nationalpark Jasmund
Eine frische Brise gibt es glücklicher Weise nicht zur Exkursion mit Dr. Ingolf Stodian vom NP Jasmund. Ansonsten lauert wohl ständig der Tod, wenn nicht der eigene, dann doch der aller besonders prächtigen “Mutterbäume” – deutlich umringt von ihren wesentlich jüngeren Nachkommen.
MEGABAUMGEFAHR
Die Weißfäule ist sichtbar, die Braunfäule wächst eher versteckt im Holzkern.
Viel Halt haben die auf der undurchlässigen Kreide notgedrungen flach wurzelnden Riesenbäume ohnehin nicht. Vom Wassermangel ganz zu schweigen. Mit ständigem Knacks und Krach in die Waldesstille bohren die Bäume ihre vertrockneten Äste wie Speere (hoffentlich) neben die ahnungslosen Wanderer.
Bodendenkmale
Etwa 550 Bodendenkmale sollen auf Rügen noch erhalten sein. Die ausgewiesenen sind bis auf die Highlights nur mit kundigem Auge zu entdecken: eine alte Köhlerstelle mit spärlich entstehender Terra Preta zwischen der dünnen Humusschicht, ein Mahlstein, ein Opferstein mit schalenartiger Vertiefung und Näpfchen, der experimentell archäologische Versuch einer Bestattung.
Schluss und Aus
In der Ostsee ein letztes Bad. Zum Abschlussessen hat ausnahmsweise nicht der Bergwaldprojekt-Koch den “Vogel” abgeschossen.
Glücklich isst,
wer vergisst,
dass er Vegetarier ist…
***Nein: ich werde das weder beschreiben noch besingen. Für ersteres zeichnet Lutz Rohland im Bergwaldprojekt verantwortlich, lesenswert im “bergwaldjournal” 2016, Ausgabe 15 – ein bestgestaltetes Heftchen für Fördermitglieder. Hier nur Bilder – keineswegs von allen Arbeitsgängen: Hände und Kopf sind selten frei zum Fotografieren.
Singend: → Ernst Busch, die authentischste Version des von Hans Eisler vertonten Moorsoldaten-Liedes.
→ Im Einsatz für den Moorschutz, Nationalpark Jasmund
Super BlogPost. Hast mir das Bergwald Projekt echt schmackhaft gemacht.
Hoffentlich wegen der Verknüpfung zur Bioinformatik und nicht wegen des nicht mehr wilden Wildes 😉
Das Bergwaldprojekt is(s)t vegetarisch!!!