9. April 2020, Gründonnerstag. Carpe diem ohne Menschen. Corona-Solo zwischen Seddin, Teufelsee, Schlunkendorf, Beelitzer Spargel und Wald.
Der kleine Frühling
Die Nachbarin schnarcht. Soll sie. Mit über 60 bereits weit über der Grenze der Belastbarkeit als Altenpflegerin.
Der frühe Tag. Ich werde mich vom Cannabisrauch reinigen, der mich nachts aufschreckt.
Dort, wo diese Veilchen wachsen, lief noch kein Hund. Ich frühstücke: rohe, wohlriechende Veilchenblüten. Das ätherische Öl enthält Curcumen. Von Sebastian Kneipp zur beginnenden Frühlingszeit als Tee gegen Keuchhusten empfohlen. Wer an Atemnot leidet, mache eine kleine Veilchenkur. Der Tee lindert sogar den Husten und unterstützt die Schleimauflösung bei → Schwindsucht. Lest, lest aus der historischen Perspektive.
Viren machen nicht nur krank. Viren am Anfang der Entstehung des Lebens? Sie besitzen bereits Bausteine zur Proteinsynthese, bieten neues Erbgut, also neue Information und dann Schutz. Der Übergang von den ersten Biomolekülen hin zu den Viren und Bakterien ist erwiesen kontinuierlich.
Das Gewaber in den Gräben wirkt für mich überzeugend analog. Ein fetter Frosch springt in diesen Bakterien- und Virenschlabber.
Ja, ja, Halb- oder gar kein Wissen. Auch die Wissenschaften stochern immer neu in allem.
Agrarindustrie Spargel
Rehe, Füchse und Hasen sagen der Einsamkeit guten Tag. Abgesehen davon, dass das Weidhandwerk boomt. Ohne Waldwanderer muss der Jäger nicht mal mehr früh aufstehen. Einer fährt mir fast über die Füße. Die Beute hübsch verdeckt auf dem Transporter. Ich habe also Freiheit in den Wiesen, denn die Beelitzer Siedlungswege zeugen nicht allzusehr von “sie sind erwünscht”.
Vom Spargelrundweg aus lockt eine Bockwindmühle in der Ferne. Rund geht es derzeit nicht. Die Massenpflanzung der Agrarindustrie kann nicht mehr bedient werden. Gerne! Gerne demnächst teuer wie Kaviar und gesünderer, schmackhafterer grüner Spargel fürs Volk!
Mittagszeit. Ja, so könnte es aussehen, falls man sich anstellt am Spargelhof. Dann schleppt man zu etwa 93% Wasser nach Hause. Kein Wunder, wenn Brandenburg zur Sandbüchse degenerierte. Auf den Wiesen neben den Bächen versinke ich in Morast. Wildgänse brüten. Lerchen steigen in die Luft.
Ich habe mich entschieden für saftige, dichte Büschel Vogelmiere von den nackten, abgeernteten Spargelbeeten. Das Wildkraut als beruhigendes und schleimlösendes Mittel bei Entzündungen der Atemwege, bei Gelenk- und Leberentzündungen, zur Stärkung des Immunsystems. Es bekommt mir ca. 8 Stunden später bestens. Leicht angedünstet. Lecker!
Im Reich des Pan
8 Stunden später? Wie das? Auf schnurgeradem Birkenweg klemmt der blaue Punkt “Abzweig Teufelsee” an einer Krüppelfichte. Bekannt kommt mir gerade nichts mehr vor. Der Punkt verschwindet im grellen Sonnenlicht.
Schon wieder unvorbereitet ohne Karte, denn Richtung Frankfurt fährt nach wie vor der Zug erst ab Erkner – nein danke. Pan schweigt. Ist ja fast noch die Zeit des heiligen Mittagsschläfchens. Mein Gehirn arbeitet. An der Bahnstrecke nur durch zwei Tunnel der notwendige Abzweig rechts.
1,5 km bis zum Kriegerdenkmal. Das wäre Neuseddin. Nein. Autobahn. Dort brummt es hinter Gittern. Zurück in Pans unendliches Reich. Gegenüber Ferch wieder eine in der Autobahn endende Asphaltstraße. Die Füße brennen. Das Überstolpern der Gleise bringt zumindest den blauen Punkt wieder. Michendorf oder was? Panisch und ungewöhnlich für mich: “ganz zurück”. Falsch. Nicht mal ein km wär es gewesen. So werden es mindestens acht.
Am Bahnhof. Ein junger Mann fragt (mit Abstand): kontrolliert die Polizei in Berlin? …in Hamburg steht sie an den Autobahnausfahrten.
Berlin Alex steigt er aus: mit perfekt sitzendem Mundschutz.
So systemkonform bin ich schon lange.
→ einiges Rüstzeug zum Corona-Wandern
→ oder auch eine Spargel-Suche mit der gleichen Autobahn etwas weiter südlich