8.12.2018, Folge 9 der Wanderungen “Perlen der Prignitz”, Königsgrab und Opferstein. 28 km mit dem WSV Rotation Berlin, geführt von Wolfgang Pagel und Werner Schulz.
Es war die Königstour dieses Jahres, eine Reise im düsteren Zauber der spätherbstlichen Natur, in weit zurück liegende Vergangenheit, mit lebendig gewordener Mythologie: mit küssenden Pferden, wärmender Totenkammer und himmelsdunklem Abendtrunk aus der Opferschale. Wie soll ich DAS beschreiben!?
Von Groß Pankow “Am Karpfenteich” zum Karpfenteich – unbedingt. Skeptische Frage von rückwärts aus dem Wegelosen: “Is da Wasser?”, müsste heißen “Is da Weg?” Das Wasser liegt inmitten von Sumpf.
Das Abweichen vom Wege führt trotz allem nach Horst, wenn auch direkt durch ein einstmals herrschaftliches Gehöft anstatt daran vorbei.
Die himmlische Begegnung
Gesegnet seien die Geister und die Abweichung: dem weißen Pferd, einst Opfertier und zutiefst verehrt als Bote aus der Anderswelt wären wir nie begegnet, niemals hätte mich ein Pferd geküßt, dann als die “Wanderwelt” bereits verschwunden war hinter den verfallenen Ställen.
Erste Boten der Vor- Früh- und anderer Geschichte(n)
Durch die Felder, vorbei geeilt an dieser wohl einst vor- und frühgeschichtlichen Anlage Richtung Dömnitztal…
Vor Mündung der nun flott fließenden Dömnitz in die Stepenitz ganz in der Nähe der sagenumwobene Teufelsberg und die “Schwedenschanze”. Aber so erschröckliche Geschichten wie vom Geräderten nahe Bahnhof Groß-Pankow sollen erst einmal vergessen sein: es drängelt zum Frühstück unterm Rad am neuen Radweg.
Frisch gestärkt auf geradem Weg nach Wolfshagen: das Barockschloß und einiges Gut gut saniert. Die Mühle verharrt im Zustand der Umwandlung. Es fehlt der gestiefelte Kater.
Die Spannung wächst Richtung Seddiner Königsgrab – aber bitte keinesfalls straight! Überall ist Grabesland! Überpflügt, überwachsen, vergessen liegen die Gebeine aus der ewig langen Menschheitsgeschichte: 40 Hügelgräber wurden einmal im nahen Wald des Dorfes registriert. Elf Gräber sind erhalten.
Einige der Hügelgräber sind schnell entdeckt, entweder entblösst bis zur oberen Steinpackung oder überdeckt von Erde, immer mehrschichtig beides. Bäume wurzeln, wo damals weit übers Land geblickt werden konnte. Es ist anzunehmen, dass diese Ritualorte immer auch Landmarken gewesen sind.
Das Königsgrab von Seddin ist längst zu sehen über die Felder hinweg. Neue, einen Gasleitungsbau begleitende Grabungen legten hier nicht nur bronzezeitliche Funde, sondern auch Steinzeitliches frei.
Die “Perlen der Prignitz” schlummern in geheimnisumwobenem Land, in das die mittlerweile 10. Wanderung des Wandersportvereins Rotation führt. Nur wenige “Perlen” sind in dieser Abgelegenheit unter 30 Kilometern und manches nur per pedes zu finden.
Das Königsgrab von Seddin
Hier am Herrscher-Grab in der Prignitz bei Seddin möchte ich mich zurückhalten mit meinen Träumereien in der Steinkammer. Bis zur Entdeckung 1899 wurde bereits viel geträumt von den Schätzen eines Königs namens Hinz. Das sind die Märchen. Die Wirklichkeit dürfte regional so schrecklich gewesen sein wie unsere Gegenwart global: Kriege, Verwüstungen, Tod – offensichtlich aber unter “Hinz” eine Blütezeit.
Perlschnurartig ziehen sich ca. 150 Gruben aus hitzerissigen Steinen in Ost-Westrichtung etwa 50 m vor dem Königsgrab durch das Feld. Nach Radiocarbondatierungen erfolgte ihr Bau kurz vor oder gleichzeitig mit dem Monumentalbau des Grabes um 900 v. Chr. – alles spricht für eine rituelle Deutung.
Gegenwärtig erstrecken sich archäologische Forschungen auf die gesamte, das Grabmal umgebende “Rituallandschaft”. Wir wurden aus erster Hand bestens informiert (unser aller Dank an Werner). Von diesen Untersuchungen ist mit etwas Rechercheaufwand ebenso ausgiebig zu lesen, aber seht vor allem selbst!
Der lange Weg zum Opferstein
Quer an den abgeernteten Ackerkanten entlang geht es zur einsamen Straße und knappe 10 km** weiter zum Opferstein. Nein, die breite, einst flößbare Stepenitz ist nicht zu überqueren – erst in Kreuzburg.
Dort noch einmal hinunter zur Stepenitz, dann parallel zu ihrem Lauf durch viel herrlichen Wald. Der graue Tag geht in frühe Nacht über. Das Gefühl, im Kreis gelaufen zu sein, trügt nicht. Scharfe Biege an der Mündung der Panke. Natürlich nicht die Berliner, sondern ein kleines Nebenflüsschen der Stepenitz – alles Wasser allerdings nur auf der Karte sichtbar. Wir laufen im bewaldeten Tal entlang bis schon niemand mehr an die Existenz des Opfersteines glaubt.
Da steht er, südöstlich von Wolfshagen, wenige Meter entfernt von einer kleinen Brücke (nach der großen) über die Panke: jetzt im Dunkeln schwarz, ungewöhnlich exakt kantig behauen, mit großer, fast kreisrunder Vertiefung, ein “Blutstein”. Leicht schräg gestellt, auch die obere Fläche leicht angeschrägt. Hier kann alles fließen, was immer auch hier fließt.
Möge mir der Trank aus der Schale des Steines zum Guten gereichen. Das Laub vorsorglich entfernt… vielleicht wäre es am Morgen zum unverdaulichen Gold geronnen, denn ein Zauber liegt hier über allem.
** Wanderweisheit: Das Wandern trägt zu einem Gefühl des Wohlbefindens bei, nur auf den letzten Kilometern kommen Zweifel.
Sehr herzlichen Dank unserem Wanderleiter Wolfgang Pagel für die immer begleitende Dokumentation all seiner Wanderungen! Dieses Mal hier zwei “Perlen” eingefügt, die bei mir schwarz wie die Nacht geraten sind.
Hi, ich habe gerade begeistert deine Geschichte gelesen und mir die Bilder angeschaut. Ich bin Wolfshagener und sehr an der Geschichte meiner Umgebung interessiert.
Kannst du mir sagen, wo genau du die Steinpackungen und alten Hügelgräber gefunden hast, die auf deinen Bildern zu sehen sind? Mich interessieren gerade die kleinen, unscheinbaren und über die Jahrtausende überwachsenen Orte, denen man kurz ihre spezielle Bedeutung zurückgeben kann..
Beste Grüße, Sandor