23.11.2017 Liebenthal – Heiligengrabe – Bölzke (südlich von Hoheheide) mit E.Knauer, WSV Rotation Berlin und als Single von Bölzke nach Heiligengrabe (nördlich von Hoheheide), 20 km
Beginne ich doch einfach einmal rückwärts: also in der Pfanne liegen gebraten zwei kleine Parasol, ein Tintling (danke für die Spende – auf dem Hinweg hab ich unangemessen und peinlich viel geschwatzt ohne Blick für die Natur) und zwei spätherbstliche Versuchsobjekte, die zumindest keine Knollenblätterpilze sind. Das Internet spuckt so schnell wie die Pilze braten keine passende Bestimmung aus. Für Frostschneckling fehlt der kleine Buckel, der ist konkav wie bei Trichterlingen*. Geschmack lecker mild. Fundort zwischen Kiefern am Nadelbach. Zwei fast durchsichtige Mini-Pilze zerbröseln mir schon im Wald in der Hand (trotzdem gerettet, aber wegen fragwürdig bitterem Geschmack liegen sie nun unverbraucht) – keine Zeit mehr für vorsichtiges Verstauen im Rucksack: der Zug fährt lt. Wanderfreundinfo stündlich 54. Mit 5,5km/h ist das zu schaffen, ab Heiligengrabe manchmal etwas zulegen. An der Biegung zum Pfad durch den Klosterwald blökt eine schwarze Kuh wie ein Zugsignal (inwieweit wirklich ein Zusammenhang besteht, könnte verhaltensbiologisch untersucht werden).
Vor mir rast ein durchtrainierter Sportsmann. Auch Zug? Ich rase vorbei. 42, 44, 45? tönt es von hinten, nicht 54… Der Pfad führt erst einmal durch Wiese oder besser gesagt eine Art Wiesenentwässerung. Im Fall der Zug fährt 42, werde ich noch einmal überholt – Sportsmann will den Zug anhalten – haha. Letztes Aufgebot. Wir schaffen es – es muss wirklich erst einmal jemand am Bahnhof sichtbar stehen, nur Hineinspringen funktioniert bei Bedarfshalten nicht. Wieder was gelernt…
24.11.2017. Dritter Tag ohne Heizung bei “Deutsche Wohnen” (aufregen sinnlos, etwas unternehmen auch), draußen Regen. Adios Borgsdorfer Nelke.
Erst demnächst mehr!
Langsam mehrt sich jetzt der Text trotz allem, wenn auch anspruchslos ohne Fakten: “…suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.” (Bibel, Lukas 11,9 oder Matthäus 7,7). Für Kloster- und Architekturgeschichte suchet im Internet oder im Dehio-Denkmälerhandbuch oder lasset euch führen, wie es die Bibel mehrfach empfiehlt: Das Zisterzienserinnenkloster Heiligengrabe (1287 gegründet) ist bis heute fast vollständig erhalten und nicht nur für Konzerte ein lebendiger Ort.
Wir pilgern ab Liebenthal hierher, eine keinesfalls empfehlenswerte Route auf Asphalt, neben Industriehallen und wummernden Lastwagen. Allerdings alle, die das Kloster längst kennen, sehen wohl zum ersten Mal die zum Dorf gehörende lange Straße.
In Bölzke trenne ich mich von der zum Knieperkohlessen strebenden Wandergruppe. An der kleinen Fachwerkkirche erinnere ich mich: den Annenpfad, einen Pilgerweg (22km jährlich am Gründonnerstag) damals noch ohne Wegweisersteine, bin ich schon einmal in Gänze gegangen. Die Telefonzelle mit den kostenlos “ausleihbaren” oder doch besser einzutauschenden Büchern ist sogar noch funktionstüchtig. Der Wert von Buchinhalten ist eben keiner mehr…
Ich nähere mich einem Hof, um den Protest gegen Windkraft im Wald zu fotografieren. Ein Fenster wird aufgerissen, was ich wolle – nur das Plakat fotografieren. Wortlos schließt sich das Fenster. Also bitte weder Windräder noch Menschen. Früher guckte man im Dorf gar nicht oder hinter der Gardine. Wie und wonach sehe ich eigentlich aus? Ich verziehe mich grübelnd gen Wald. Ein einziges Mal höre ich noch eine Krähe, sonst völlige Ruhe.
Gefunden habe ich speziell zu diesen Steinen am Weg keine Information (hinter der Autobahn nördlich von Heiligengrabe ist eine Hügelgräberkette erhalten). Dass sie zu einem frühgeschichtlichen Gräberfeld gehört haben, dürfte auf Grund von relativ gleicher Größe und Form sicher sein. Solche Steinpackungen wurden als Hindernis für die bäuerliche Wirtschaft immer abgeräumt und unwiederbringlich als Geschichtsquelle zerstört – in Nähe des christlichen Klosters unbedingt.
Nicht erst jetzt, wo die Sonne den Stein warm zum Leuchten bringt, ist mir beim wilden Wandern diese weit zurückliegende Zeit mit ihren Menschen so viel näher als die vermutlich höchst Gott gefällige der Stiftsdamen.
Der Wald am Nadelbach war gesperrt an den abzweigenden Wegen Nähe Kneippanlage. Aber wegen dieses mäandernden Bachlaufes wollte ich schon immer hierher. Aus Richtung der zweispurig gepflasterten Straße – bis auf wenige Meter ist das alte Kopfsteinpflaster nicht mehr erhalten – ist der Bach nicht einmal zu ahnen. Am Forsthaus Hoheheide fließt er mit viel Wasser unter der kleinen Holzbrücke. Es geht kein Weg entlang. Ich versuche nach den drei oder vier Häusern von Hoheheide nach unten zu krauchen – unmöglich. Einige Meter weiter scheint aber ein Pfad gewesen zu sein. Die Oktoberstürme haben gewütet und Bäume wahrscheinlich das Bachbett gestaut. Ich stolpere und rutsche über zur Seite geräumtes Astholz. Der Nadelbach präsentiert sich als Kleinod.
Hinter der Weide mit den schwarzen Kühen geht gerade die Sonne unter. Schon nach Liebenthal beginnt der ganze unendliche Horizont zu glühen. Der Zug fährt durch ein goldenes Zaubermeer mit den Silhouetten von verwunschenen Inseln, riesigen Felsen und unüberwindlichen Gebirgszügen. Hoch darüber leuchtet ein scharf umrissener Halbmond. Meine Fotos geben von dieser Reise in die Welt der Träume nichts, wirklich nichts wieder.
Erst in der Nähe von Berlin wird es wirklich dunkel.
25.11.2017 00 Uhr
*13.12.2017: ich habs!!! → Weichritterling (Melanoleuca)
Auch von rückwärts:
Herrlich: Sportsfrau vs. Sportsmann und Ihr habt es geschafft!
Frostschnecklinge ohne Buckel, da bekomme ich gerade keinen Appetit…
Vielleicht ist die Nelke doch noch drinne? Kalte Wohnung oder lieber warmer Regen – hm?