17.1.2018
Kreuz und quer auf den Schleichwegen von *Räuber Habakuk durch das Naturschutzgebiet Gränert bei Kirchmöser
Der Tag verspricht Himmelsgrau und dustere, braunschwarze Eintönigkeit – natürlich mit Regen, eventuell Schneeregen (auch nicht besser). Ich operiere an meinem Wanderplan: verkürzt auf geradem Chausseeweg in den Gränert, einmal den Weg mit rotem Kreuz auf weißem Grund rund und nach ca. 10 Kilometern nix wie bis Mittag zurück sein in Berlin. Das wäre die Ergänzung zu meiner ersten Wanderung auf den Spuren von Habakuk im Gränert.
Ab Werder überzieht die Felder ein leichter Schneefilm. Dann vielleicht doch die offene Landschaft von Wusterwitz? Vor Brandenburg plötzlich sind die Bäume und der Wald weiß.
Waaahnsinn! Ich hab den Winter erwischt!
Plus Sonne!
Direkt an dem alten, natürlich auch verfallenden Bahnhofsgebäude von Kirchmöser kurz durch eine dörfliche Straße geht es zum Möserschen See. Wen interessiert dieser Winter? Eine junge Frau nutzt das Smartphone, zwei Hunde halten Frauchen und Herrchen fit. Dann beginnt Einsamkeit. Das alles wird im Sommer anders sein, sogar an den verschwiegensten Stellen werden Angler hocken.
Auf dem See wimmeln schattenschwarze Blesshühner. Ihr weißer Schnabel hebt sich in der Helligkeit des Tages nicht ab. Ein Reiher auf Lauer, Gänsesäger, Graugänse, Schwäne und in der Ferne eine Kolonie Silberreiher.
Der Weg biegt ab und verspricht nicht viel parallel zur Bahn. Hinter einer kleinen Brücke entlang des Bachufers nur die Ahnung eines Pfades auf diese Halbinsel oder Landzunge wo die Silberreiher stehen. Klar, da gehe ich!
Der Pfad verliert sich sofort zwischen umgestürzten Bäumen, Tümpeln, wässrigen Senken. Das Gebiet gehört zum Gränert. Riesige Brettwurzeln alter **Ulmen erinnern an Mammutbäume. Wilderes in unseren Landen kann ich mir in diesem Moment nicht vorstellen. Ein Wildschwein rast auch durchs Gebüsch – ich höre es nicht trotz seiner Schnelligkeit. Ohne Schnee hätte ich es niemals zu Gesicht bekommen. Irgendwann stolpere ich über Ziegel und Grundmauern (ein früheres Forsthaus). Die Silberreiher habe ich wohl vertrieben. Zwei Kraniche mitten auf einer Wiese schreien als würden sie abgewürgt, erheben sich erst spät, aber so niedrig vor dem Hintergrund der Bäume, dass sie sich trotz Nähe für ein Bild nicht deutlich genug abheben.
Über den Hechtgraben geht es ein Stück zivilisiert bis zur Mündung der Buckau in den Breitlingsee. Jetzt gibt es die Wahl: weiter betoniert, wegelos die Schienen überqueren oder unter der Brücke hindurch. Ob es am Ufer der Buckau überhaupt weiter geht, ist fraglich – ein Blick über den Bahndamm und dann natürlich gleich auch drüber…
Ich wusste es: die Buckau ist ein naturbelassenes Flüsschen wie ich es liebe. Das Wasser strömt flott und hoch bis an die Kante des Uferpfades. Nichts ist freigeschnitten von den letzten Stürmen.
Aus den zwanziger Jahren gibt es ***Berichte von Befahrung mit Kajak; inzwischen ist dieser Abschnitt der Buckau dafür gesperrt.
Der Gedanke tut weh: nicht viel weiter westlich quält sich die Plane kanalisiert durch ihre seither eintönige Umgebung. Sicher, erst die Entwässerung hat in diesen sumpfigen und moorigen Gebieten die Ansiedlung (Deutsche vs. slawische Heveller) möglich gemacht. Längst wäre der Rückbau solcher mittlerweile Sünden fällig – es bietet sich an als Ausgleich für Windkraftanlagen. Den Landschaftsschändern fällt halbherzig vom Schreibtisch aus jedoch nur unaufwändig Naheliegendes ein, gern eine schnurgerade Hecke…
Wo der Magdeburger Heerweg die Buckau kreuzt, geht es schräg hinein wieder in den Gränert. Moore Bäche, Hügel, Hänge, Laubmischwald und der Diebesgrund, das Versteck vom Habakuk. Bis auf kurze Strecken alles wegelos, wahrscheinlich ist auch wegen des Schnees nichts zu erkennen. Nur der nicht sehr einladende, rings um den Gränert führende Hauptweg ist beräumt.
An der Spitze von Gränertweg und Heerstraße steht eine kleine Natursteinpyramide – der alte Quitzow würde sich im Grabe rumdrehn: von hier aus haben die Hohenzollern Brandenburg übernommen, erobert, zivilisiert oder weiß der Geier was – bitte das Problem mit ****Fontane erörtern…
Die Silberquelle war trotz der Geradlinigkeit des Wegweisers nicht zu finden – immerhin soll sie in Stein eingefasst sein. Der bezeichnete Weg führt forstmäßig breit zum Gränertweg und biegt einzig zwei Mal dorthin ab – das kenne ich von meiner ersten Suche. Der Wegweiser muss verdreht sein, obwohl der Pfahl fest wirkt. Nun gut, ohnehin soll die Quelle nicht mehr Wasser geschweige denn Silber sprudeln.
Adios Habakuk sagt da die Räuberbraut!
*HIER ist meine erste Wanderung im Gränert verlinkt.
Und bitte dran denken: die Fotos können mit Klick qualitätvoller in neuem Fenster geöffnet werden!
**Die Flatterulme (Ulmus laevis) ist die einzige Baumart Mitteleuropas, die Brettwurzeln ausbilden kann.
***Friedrich Eduard Keller (1859-1929), Autor des ersten deutschen Wassersportführers. Die alten Schilderungen locken immer mit ihrer Begeisterung. Sogar für’s wilde Fußwandern sind sie genau und durchaus ergiebig. Nur die im Oberlauf mäandernde Plane bin ich bereits mehrmals gewandert – für diesen Blog vorerst nicht noch einmal, aber ein Bild-Link als Beweis.
****Fontane zum Problem der Geschichtsschreibung, speziell der Quitzowzeit
Erst nach der Tour erfahre ich: im Gränert wurde lt. MAZ vom 7.2.2017 ein Wolf gesichtet und andere Wolfsgebiete sind nicht weit…