Der Brocken im Winter

17. Februar 2018 im Eilschritt durch Ilsenburg, schlitternd durch das Ilsetal, auf vereistem Pfad abenteuerlich hoch zur Hermannsklippe, jappsend auf dem Hirtenstieg zum Kleinen und Großen Brocken

Steinmassen und Menschenmassen im Frühjahr, Sommer und Herbst. Im Winter sind die Menschen auf Schusters Rappen selten. Man sieht sich und erkennt sich auf dem Rückweg oder der Rückfahrt im HEX wieder.

Steinbrocken, bedeckt mit eisigen Pilzhüten
Steinbrocken, bedeckt mit eisigen Pilzhüten

Die Wetterstation grüßt in voller Pracht vom Brocken.
Die Ilse plätschert neben mir mit weit weniger Wasser als vor zwei Wochen. Anstelle der hängenden Eiszapfen sitzen auf den Steinen nur noch breite Eiskappen. Manche Steine tragen ganz und gar schon eine frühlingshafte, kreisrunde Tonsur für ihren Sonnengott.
Hals- und Beinbruchgefahr allerdings beidseitig im Ilsetal: Stöcke haben keine rettende Funktion. Die Schuhe rutschen rückwärts und auf dem Rückweg ständig erschreckend vorwärts.
Auf schmalem Pfad gen Brocken erweist sich am sichersten das Steinbett eines flachen Bächleins oder der Tiefschnee, von dem man selten ahnt, wie tief er ist.

Drei und eine halbe Stunde haben die lt. google maps angezeigten rund 13 Kilometer ab Ilsenburg Bahnhof zum Bergscheitel gekostet. Nur zwei Stunden dagegen abwärts bis zum Ortseingang – das dürften bis zur Stempelbuche 6 km/h gewesen sein. Die Straße nach Ilsenburg aber wurde wieder zum Seiltanz.

Hermannsklippe
Hermannsklippe
Blick vom Hirtensteig
Blick vom Hirtensteig

Ab Hirtenstieg läuft es sich flott auf getretenen Spuren – falls die Kondition trainiert ist und falls man auf Fahrrad oder Langläufer verzichtet hat…
Der Panzer-Betonplattenweg ist unter Schnee begraben, weitgehend auch die Granitbrocken des “Blocksberges”. Die Notdurft zu verrichten erweist sich als schwierig, nahe am Weg sind die Bäume rar. Ich rutsche ab und mache ein Sitzbad – eine interessante, gar nicht betrübliche Erfahrung mit nacktem Hintern bei wahrscheinlich keinem einzigen Minusgrad.

...mit kleinen Bröckchen
Der Kleine Brocken mit kleinen Bröckchen
Hinter mir die Brockenbahn
Spielzeugland

Schneebehangner Scheitel,
Den mit Geisterreihen
Kränzten ahnende Völker.

Johann Wolfgang Goethe, aus “Harzreise im Winter”.(1749 – 1832), G.Poetische Werke (Berliner Ausgabe), Band 1. Berlin und Weimar 1972

Der Brocken in erreichbarer Nähe!
Der Brocken in erreichbarer Nähe, ab und zu in Wolken verschwindend!
Windgebeugt am Brocken
Windgebeugte Geister

Der Gipfel zeigt sich harmlos. Fast windstill wirkt es. Die Handschuhe lohnt es nicht hervorzukramen. Um den Berg wechselt neblig dichte Atmosphäre unmerklich mit offenen, weiten Wolkenlöchern. Die Sicht ist unspektakulär gut bis zur Eckerntalsperre mit einer wahrscheinlich dünnen Eisschicht. Ringsum dunkle Wälder.
Es war wohl das letzte, weiße Winterwochenende im Harz.
Die Sehnsucht nach dem wieder ausgefallenen Winterzelten, nach Schlittschuhlaufen auf einem See oder der Spree mischt sich mit der Melancholie des Abschieds.

Brockenstation I
Brockenstation
Brockenstation II
oder Mondlandung? Na gut: Kennt man alles und fotografiert jeder…

Lob des Winters

Verzeiht, ihr warmen Frühlingstage,
Ihr seid zwar schön, doch nicht vor mich.
Der Sommer macht mir heiße Plage,
Die Herbstluft ist veränderlich;
Drum stimmt die Liebe mit mir ein:
Der Winter soll mein Frühling sein.

Der Winter bleibt der Kern vom Jahre,
Im Winter bin ich munter dran,
Der Winter ist ein Bild der Bahre
Und lehrt mich leben, weil ich kann;
Ihr Spötter redet mir nicht ein;
Der Winter soll mein Frühling sein.

Johann Christian Günther, 1695 – 1723, Gesammelte Gedichte. München, Wien 1981

 

Der Brocken im Winter
oder der Tag als der Hex über den Brocken fuhr

Anruf-Konversation im Zug:
“Wo warst du?”
“Auf dem Brocken.”
“Was hast du dort gemacht?”
“Nichts.”
Reaktion der mithörenden Wanderer: “Gute Frage!”
Der HEX – wenigstens er an diesem Abend von den Geistern geritten – möchte in diesem Moment zu einem berichtenswerten Event beitragen. Er hebt sich mit Donnergetöse kurz hoch aus den Gleisen, kippt leicht samt allen lose und locker liegenden Dingen, wirft die Schlummernden aus dem Schlaf. Die Schreckensnachricht verbreitet sich: keine Verletzten, keine Felsbrocken auf den Gleisen, aber der Brocken eines wilden Schweines wurde platt gemacht. Nothalt und Inspektion des Zuges in Brandenburg. Schnell entschlossene Anwohner können ihre Fahrzeit mit Sprung verkürzen – hatten die das Schwein bestellt??? Ansonsten kleben wohl nur einige blutige Borsten am Zuglack.

→ Die Ilse im Schnee – meine Wanderung am 4.2. durch das Ilsetal

1 Kommentar zu “Der Brocken im Winter

  1. Das Spielzeugland …. traumhaft …..

    Ein juchzendes, gackerndes Huhn mit Nackischtem im Schneesitzbad ……. :))

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