16.2.2018
Von Wannsee zur Revierförsterei Dreilinden, Bensch-Grab, Scout Troop Berlin, Königswegbrücke und Grenzübergang Dreilinden, Mauerweg, Hundeauslaufgebiet Düppel, Stammbahn, Krummes Fenn, Mexikoplatz
Irgendwas ist immer. Zum Beispiel Zugausfall. Einfach so. Der nächste Zug fährt entgegengesetzt. Ohne Begeisterung morsen die Grauen Zellen: Wannsee Richtung NO, Kleinmachnow (Fontane: „Ein reizend gelegenes Dorf…“) und Stahnsdorf. Wenigstens bis dorthin für mich unbekanntes, einstiges Grenzland der zwei Systeme, heute noch die Grenze zwischen Berlin und Brandenburg.
Die Welt des Lärms
Wald wird an der Potsdamer Chaussee sichtbar. Einige Meter auf Stufen hoch und die Forsten samt Waldschule Zehlendorf versprechen Naturschutz. Bis in die fünfziger Jahre stand noch die Villa des Prinzen Friedrich Karl von Preußen (1828 – 1885). Unterhaltsam und ausführlich → nachzulesen bei Fontane.
Fontanes Spuren folgten andere begeistert → in neuer Zeit. Ich sehe nichts Berichtenswertes. Das Jagdschlösschen ist abgerissen. Andere preußische Gepflogenheiten haben den Sieg davon getragen mit explosivem Schießlärm über großen Radius hinweg. Es pfeift, knallt und schallt hochenergetisch. Manchmal im Sekundentakt. Dann wieder knistert das Schweigen im Ohr bis neuerlich das moderne Waffengeklirr einsetzt. Das Gelände ist flach und ohne Schirmung. Der Schall breitet sich ringsum aus. Erträglicher als geradeaus wäre es links, wird mir von einem Vorüberkommenden empfohlen. Sein Wort in Gottes Ohr, aber dessen Existenz kann zumindest diesbezüglich nicht bewiesen werden.
Noch weiter links biege ich am Wegweiser “Bensch-Grab” ab (auch dazu bei Fontane). Als Weg ist nichts zu erkennen. Der Wald ist nicht alt, licht und von den letzten Stürmen noch mehr gelichtet. Der Grabstein ist zu finden. Zwei moosbewachsene Bänke bringen vage den sehnlichen Wunsch nach einer solchen Ruhestätte in Erinnerung.
Im Schießstand für Jäger, Sportschützen und Behörden wird weiter gefeuert.
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The adventure continues – dachten beide Seiten…
Einen Schlag der heimischen Kiefernheide ließ der von Forst- und Waldkultur begeisterte Prinz 1871 von französischen Kriegsgefangenen mit Eichen umbauen. Von dieser gerühmten Wohlgestalt des Waldes ist im Umkreis nichts zu entdecken. Fotogen erweisen sich die Grünen Buckel-Trameten und cyanblaue Blattflechten.
Ein “Wander-Highlight Revierförsterei Dreilinden”, das kann ich nicht sagen. Die Mitarbeiter der Waldschule, mit Kindern auf einer abenteuerlichen Lichtung, bestätigen: ziemlich langweilig Richtung Zehlendorf…
“Wild Free” aber ging es bis zum Mauerfall mit Sicherheit zu in dem vergessenen Waldeseck von Berlin Camporee.
Dite isn Ding!
Ostdeutsch sozialisierte Wanderer, Thälmannpioniere und GSTler → unbedingt informieren und nachträglich Bruderküsse tauschen! Allzeit bereit! Always prepared! Immer bereit!
Und ich freue mich während ermüdender Waldes-Knüppelei auf meine → Wes Anderson-DVD.
Über mir die spitzen Liebesschreie eines Bussardpärchens (Sch… wo blieb der Winter???) bis neu Lärm, wenn auch gedämpft, in die Ohren dringt: Mauerweg, Autobahn und Königswegbrücke mit Blick auf die Raststätte Dreilinden / Checkpoint Bravo. Gänsehaut über meinem Rücken. Denen, die Berlin geteilt nicht erlebt haben, dürfte das denkmalgeschützte Ensemble alltäglich vorkommen.
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Für den brausenden Autobahnlärm fühle ich mich zu dünnhäutig. Dann eben im Bogen um Kleinmachnow durch das Hundeauslaufgebiet. Da ist sie schon: die Trasse der einstigen →Stammbahn. Gerade, gerade, gerade Richtung Düppel. Rechts von mir die Häuser von dem dahinter boomenden Kleinmachnow.
Die Welt der Zäune
Gegen eine Wiederinbetriebnahme der Stammbahn wehren sich die Anwohner. “Klein, aber mein” – der Spruch am früheren Jagdhaus Dreilinden wurde volksbeliebt. Mauern und Zäune aller Art… jeder will seine Natur. Und Ruhe. Gegen den Flughafen Tegel wird auf der anderen Seite demonstriert.
Privat vs. Bürgersinn. Mensch vs. Politik. Es geht mich nichts an. Die ganze Gegend geht mir am Arsch vorbei, gerade weil ich für mich nichts dieser ganzen Geschichte ausblenden kann.
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Erste Schneeglöckchen, wahrscheinlich wirklich wilde Pflanzen. In Düppel den → Goldgelben Zitterling entdeckt (vor einem Zaun)! Im Krummen Fenn Wildschweinsuhlen. Kein Wunder, wenn die Tiere in der Stadt erscheinen – überall ist Stadt ohne DIE Mauer.
Mag sein: der Frühling wird mehr vom Lärm schlucken. Wald und Zäune werden nicht mehr durchsichtig sein, wenn das Grün sprießt. MEINER Vorstellung von „kleinen Fluchten“ entsprechen Wanderungen durch die Stadt nie. Irgendwas ist (un-)natürlich immer: Laufstrecke, Fahrradstrecke, Hundeauslauf, vermeintliche Paradiese hinter den Zäunen, Gittern und Garagentoren… Ermüdend alles. Ich tue mich schwer mit diesem Bericht.
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Freiheit, die ich meine…
Freiheit, die ich meine…
Magst du nie dich zeigen
Der bedrängten Welt?
Führest deinen Reigen
Nur am Sternenzelt?
Aus einem Gedicht von Max von Schenkendorf (1783–1817), 1815 im Eindruck der Befreiungskriege geschrieben.
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Eigener Kommentar zu eigenem Frust-Text:
Am Abend nach Veröffentlichung dieses Beitrages:
Facebook bietet mir aktuell an dritter Stelle von Porträts die Freundschaft eines Zaun-Produzenten an.
Ich klicke einen lustiger wirkenden Herrn Albrecht davor – mal sehn, wie intelligent Facebook Daten zusammenführt und: siehe da, ein geteiltes Video…
https://www.youtube.com/watch?v=Nm90tBdEqac
Alle Achtung vor diesem Algorithmus!