26. April 2018: gute 25 km ziemlich wegelos am Unterlauf von Verlorenwasser bis Friesdorf, außerplanmäßig nach Grebs, Steinberg, Bücknitz, Eulenmühle, Glienecke – eine Singlewanderung durch die Ausläufer “Hoher Fläming”, manchmal zu Dritt.
Das verlorene Wasser
Den Zugang zu Verlorenwasser sollte man kennen: Dank an Herrn Augustin mit dem Hund*! Das schmale Bächlein hätte ich nie als den Fluss identifiziert, der höchstens vier schlängelnde und nasse Wiesenkilometer weiter in die Bücknitz mündet. Verlorenwasser scheint zwischen Grüningen und Wenzlow als wertvolles Gut früherer Ansiedlung vielfach nutzbringend verändert.
Auf einem künstlichen Damm führt flussaufwärts ein Pfad – wahrscheinlich ein Streitweg zwischen Freizeitanglern und einem Reiher um den Fischgrund. Von Biegung zu Biegung fühlen sich Reiher und ein einsamer Erpel gejagt bis es nur kraxelnd am Ufer unter der Brücke der L93 und unter der Autobahn hindurch weiter geht zu Puffs Mühle: ein abgeschnittener und weitgehend aufgegebener, traurig schöner Ort.
Wollen wir nicht schnurgerade und langweilig vorwärts hetzen, geht es noch mühseliger als bisher auf dem überwucherten Damm von Verlorenwasser bis zum verbarrikadierten Anwesen Grüne Aue, einer kleinen, offensichtlich alternativen Landwirtschaft. Hinter einer sumpfigen Wiese, voll mit blühendem Wiesenschaumkraut, verabschiedet sich der Damm in mooriges Gelände. Wir versinken im Unwegsamen.
Vielleicht hätte uns eine Pause regeneriert. Aber im rettenden Friesdorf, wo der Burgenwanderweg Hoher Fläming ohne Ortsbezeichnung mit zwei Richtungen irritiert und sich im Regen keinerlei Sitzgelegenheit für Schirm, Cape, ausgebreitete Karte und Möhrenverzehr bietet, treibt es uns uneinig weiter.
WO geht es zum „Blauen Stein“?
Ich bin im Unrecht: Autobahnlärm braust unerwartet durch die Lüfte. Noch ist eine unbeliebte Streckenänderung nicht beschlossen. Schweigsam durchqueren wir die offene, jetzt sonnige Fläminglandschaft. Nicht konsequent rückwärts krebsend landen wir in Grebs.
Mich ärgert das Malheur nicht. Der weitere Verlorenwasserlauf sieht bereits auf der Karte abenteuerlich aus. Das braucht Zeit. Ich muss gar nichts. Quellgebiet und Mittelpunkt der DDR habe ich bereits einmal unvergesslich auf einer → Knauer-Wanderung erlebt. Mich locken Bücknitz und Eulenmühle ebenso. Unser Dreiergespann verliert sich auf unterschiedlichen Wegen: Chaussee vs. niemals freiwillig Straße; zielsicher vs. Neugier.
Und der „Blaue Stein“? Das ist wie mit der Blauen Blume und dem Blau des Himmels – die sind schnell verloren.
Auf dem Burgenwanderweg nach Steinberg und mit grünem Punkt nach Bücknitz
Zwischen Wiesen und Wald gehe ich nach Steinberg und noch einmal durch eine grüne Wiesenlandschaft rechts nach Bücknitz oder über Köpernitz nach Ziesar? Nein, ich möchte jetzt auch nicht die kleinste Stadt. Die Wiesen stehen voll Löwenzahn, voller Kräuter jeder Art – für Kühe und Rehe und mich.
Kultur und Natur blühen bunt durcheinander. Sogar ein Tulipan, die türkische Lale, hat sich in die Wiesen verirrt, wenn auch mit verblichener Zuchtfarbe. An das diverse jahreszeitliche Zusammen von Buschwindröschen und rotem Mohn habe ich mich noch immer nicht gewöhnt. Vielleicht gab es das doch schon vor dem Klimawandel. Zumindest Paul Gerhard mixt bedenkenlos Frühling und Sommer: → „Geh aus mein Herz…“.
Ein pfeifender und heulender Wind wirbelt in meine Ohren und übertönt das Rauschen der Autobahn. Einen Regenguss trägt der Wind auch herbei. Mensch mit Regencape wirkt als Pferdescheuche, aber meine Stimme beruhigt. Wir teilen uns die Möhren.
Da ist schon Bücknitz mit dem Industriedenkmal Wassermühle an der Buckau, eine liebe Erinnerung an meine Kindheit und das Mehlmahlen in der → Dreyse-Mühle von Sömmerda, getrieben von der weitaus mächtigeren Unstrut.
Die Eulenmühle
In Bücknitz werde ich aufgespürt. Also wieder zu Dritt zur Eulenmühle. Der mittelalterlichen Kirche hätte ich einen längeren Blick schenken sollen – aber drum herum strahlt es so klinisch, alles nur das Bild eines Bildes. Mich zieht es in den fliederbuschigen Weg Richtung Buckau und die lichte Bücknitzer Heide.
Vor der Eulenmühle bereits Schafe, Pferde, Esel. Im Wald scharren Hähnchen und Hühnchen. Alle Märchen bekommen wieder einen Sinn jenseits von graslosen Hühnerställen oder gar Legebatterien. Wild springen Ziegen über Wege und Wagen.
Die Mühle mit ihrem riesigen, klappernden Wasserrad mahlte wahrscheinlich schon vor dem dreißigjährigen Krieg Korn, obwohl erst 1771 hier die Dörfer von Friedrich II. mit Mahlzwang belegt wurden. Heute wird die Wasserkraft ab und zu zum Sägen von Holz genutzt. Aber vor allem lädt die → Eulenmühle zu einem längeren Aufenthalt ein – lecker, lecker, leider geschlossen.
Die Entscheidung fällt für die kurze Straße(!) nach Glienecke, nicht den doppelt langen Burgenwanderweg durch Wald und Feld.
Glück gehabt: der Bus kommt so gut wie sofort, sogar das verlorene Wasser kommt – nur jetzt von oben. In Brandenburg kommen die Bahnen. Der Hund ist bei Herrn Augustin richtig einsortiert – leider. Ansonsten haben wir noch alles, wenn auch ich das Hundefutter und Herr Augustin mein Tuch als Handschuh. „Es ist schon vertrackt…“
*Mit Spaß assoziiert: Ingo Schulze „Der Herr Augustin“, Berlin Verlag 2008