19.1.2017, Belziger Busch.
Dieses mag gemütlich gewesen sein Abend für Abend oder auch nur in der einen, einsamen und stillen Silvesternacht, nach der ich mich jedes Jahr sehne. Aber zumindest für den Rückweg zu viel der Ausrüstung, also: Abrüsten…
Alles nun nur in einem Rucksack: Kuschliges zur guten Nacht und ein Becher sowohl für die chinesische Teezeremonie als auch für das Zähneputzen.
Aber Achtung, am ehesten helfen Tipps zu der Entscheidung: soo nicht! Überhaupt: was wage ich altes Greenhorn jenseits von weltweit und selten von überm Tellerrand.
Vor einigen Jahren nun schon aufgerüstet im Sinne der Outdoorindustrie, aber dann doch nie genutzt: für mich einen Hauch zu outdoor-touristisch gestylt. Ich würde lieber nach Bärenjagd aussehen. Das ist mit diesem Rucksack nicht hinzukriegen. Ja, man sieht sofort: ach, die trägt Osprey – gute Marke.
Für Kleinteile am Hüftgurt Täschchen – aber am Körper sind Kleinteile besser aufgehoben. Wer nicht gern die Trinkblase benutzt, hat ein Problem. Um Flaschen nicht zu verlieren, müssen die zu niedrigen Seitenfächer aus Stretch immer fest verzurrt sein, also nix, um schnell seitlich zu greifen.
Im Inneren: Solo-Zelt von Gelert, 3/4 Luftmatratze von Quechua, Uralt-Sommerschlafsack von Aldi, Hobo und das übliche Pipapo. So ist das meiner Körpergröße angemessen. Für Mehrtageswanderungen bei einem Fassungsvermögen von nur 38 Litern aber immer einen Hauch zu klein. Egal, muss nun reichen bis zum Sarg…
1. russischer Rucksack mit Geschichte und Geschichten / 1983, ohne Komfort. Das Außengestell empfinde ich höchst praktisch beim Auf- und Absetzen. Freilich, die Träger haben keinerlei Polster. Das müssen die Schultern aushalten können…
Ein bisschen erinnert mich das Tragen immer an die Kiepen der böhmischen Glasmacher oder der Harzer Kräuterweiblein oder überhaupt an die einstigen Tragekörbe der Frauen vom Land.
Und was assoziiere ich mit dem russischen Label “Ермак” (deutsch Ermak, gesprochen Jermak)? Geschlepptes Gepäck eines Malers; einen Ort in den Weiten von Kasachstan – natürlich am Horizont die Berge. Ermak war aber auch einer der ersten Eisbrecher, 1898 in Newcastle (England) nach Plänen eines russischen Admirals gebaut und vom Stapel gelaufen. Das Schiff wurde nach Jermak, einem russischen Entdecker, Kosaken-Ataman und Eroberer Sibiriens, benannt.
2. kleiner, billiger Tagesrucksack aus dem Armyshop; länger als ein Jahr hielt er nicht, konnte aber immer nachgekauft werden. Damit ist es aus, 2017 ➔ neuer Rucksack
3. geschenkter und viel geschleppter Allround-Rucksack Adventure 40L von Eye Mountaineer – nichts Unnötiges dran. Gerade als ich jetzt im Herbst 2017 die Schnüre erneuern wollte, ging mir der Reißverschluss der großen Vordertasche kaputt (echt überfordert die Tasche…). Nun gebe ich auf. Ich liebte ihn. Ein bescheidener Alleskönner.
Wandern kann jede und jeder. Ja und Nein. Allein wandern sollten nur diejenigen mit guter Orientierung im Raum, das heißt mit (angeborener?) oder geschulter, visueller Wahrnehmung.
Natürlich kann mit Karte und/oder GPS gewandert werden. Doch mit ständigem Blick auf ein Gerät, wird die Landschaft nicht erfasst und schon gar nicht erlebt. Ein Weg jenseits vom Asphalt wird zur Falle.
Alternativ ist das Wandern in Gruppe und geführt. Schritt für Schritt zur Ruhe kommen – falls Abenteuer oder sportlicher Ehrgeiz nicht Ziel sind und die Gespräche dosiert. Wandern ist an sich prädestiniert dafür, psychisches Gleichgewicht bis in den Alltag hinein zu erreichen, bedeutet aber zugleich Multitasking in diversen Achtsamkeiten.
Physische Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit sind darüber hinaus empfehlenswert: sonst kann ein Karnickelbau den optimalen Spannungszustand von Muskeln und Sehnen ein halbes Jahr lang zur Auflösung bringen.
Die mehr als fußbreite Schiene über die Plane (siehe Foto oben) ist kein wirkliches Hindernis. Mit dem Gedanken an die Gravitation aus der Tiefe des Wassers heraus, geht die innere Balance aber meist flöten und wird mit Stock ersetzt.
Der Gleichgewichtssinn bestimmt die Organisation des Körpers auf allen Wegen, insbesondere den unwegsamen. Links im Bild ist der Gleichgewichtssinn zur Organisation der Beschleunigung auf dem letzten Meter aus dem Lot geraten.
Sowohl in Qi Gong-Übungen als auch in den Taiji-Formen geht es um dieses Ausbalancieren (Yin und Yang). Erst durch stimmiges Ausrichten der Wirbelsäule, des Rumpfes, der Gelenke und des Kopfes kommt der Körper in sein Gleichgewicht und kann sich mit sehr langsamen Bewegungen auch beim Bewegungswechsel sicher halten.
Der Tastsinn dient der Überprüfung des Standes und der Bewegungen im Kontakt mit riskanten Oberflächen.
Für ein gutes Gleichgewicht beim Wandern ist es wichtig, nicht mit zu weitem Schritt zu gehen. Das verhindert plötzliche Gleichgewichtsstörungen. Wer Indianerbücher gelesen hat, weiß auch, dass mit kleinen Schritten Schnelligkeit und Ausdauer optimiert werden.
Mehr brauche ich nicht, um Durst perfekt und gesundheitsfördernd zu stillen.
Im Sommer kaltes Wasser und einige Stückchen vom “magischen” Rhizom des Ingwers in der Flasche. Der Ingwer ist mehrfach zu benutzen; das Wasser in der Flasche wird nicht muffig. Also nur auffüllen und weiter geht es.
Der Ingwer ist ein heilkräftiges Wunderknöllchen für Wanderer gegen Reiseübelkeit, mit entzündungshemmender Wirkung, vorbeugend gegen Muskelkrämpfe, Erkältungen und Krankheiten des Magens, den Darm reinigend sowie Stoffwechsel und Durchblutung anregend. Letzteres wiederum schwemmt Gifte und Ballast aus und schmiert die Gelenke.
In der kalten Jahreszeit: im Becher braucht das Wasser schon einige Minuten auf dem Hobo, um sich angenehm zu erwärmen. Eine Prozedur ist es immer. Also eine Thermokanne anstelle der Flasche. Aber egal in welcher Preislage: unverwüstlich der Metallbehälter, dafür sorgt der Verschluss für baldigst neuen Absatz.
Irgendwann keimte mein Ingwer-Rhizom im kühlen Tontopf wie eine Kartoffel. Ich war unsicher, inwieweit der Keim giftig sein könnte – anscheinend ist er es nicht; er schmeckt wie die Knolle. Purer Zufall: über einen Sommermonat hinaus ist aus einem kleinen, im Kräutertopf entsorgten Knollenteilchen eine Ingwerpflanze im wahrsten Sinn des Wortes geschossen. So saftig grün wie die leicht duftenden Blätter glänzen, erinnern sie unweigerlich an die ätherischen Öle im Rhizom.
Die Ausrüstung der Handwerkergesellen einst auf der „Walz“ war schlicht: Stiefel, der übliche Alltagsanzug oder die Zunfttracht, Hut, Knotenstock, Wäsche zum Wechseln, einige Papiere zum Ausweisen, in jüngerer Zeit ist es das Wanderbuch für Stempel und Einträge. Messer, Löffel, Becher – Geld fürs Essen und Schlafen darf nicht ausgegeben werden, das ist Regel. Die wenigen Habseligkeiten wurden im „Ränzel“, Reisesack oder einem Schnürbeutel verstaut.
Ab und zu gibt es noch diese Tippelei im ursprünglichen Sinn der Handwerkszünfte. Ein Gruß daher in die weite Welt an die Schäferin Sarah + Biene und mit großem Dank für das Foto!
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Vieles für “Outdoor” wurde und wird aus dem Militärischen übernommen.
Bis in die siebziger Jahre hinein waren echte Berliner an ihren grünen Rucksäcken mit Lederschlaufen zu erkennen. Unweigerlich war der erste Gedanke: ja, der kennt noch die schlechte Zeiten von Hamsterfahrten und Kohlenklau. Heutzutage gibt es Internetseiten wie „Mundraub“. Und sehr östliche Neubürger fahren alte, längst zu Wanderwegen umfunktionierte Landstraßen mit Auto entlang, um mit Leitern und Teleskopstangen die Bäume radikal zu leeren.
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Ohne Multifunktionsgerät Smartphone ist heutzutage auch niemand mehr unterwegs. Sofern das Handy während des Wanderns eher in der Tasche bleibt, ist es sinnvoll. Für mich zähle ich zu diesen neuen „objets nomades“ das 65+ Ticket, ein Abo für so gut wie alle öffentlichen Verkehrsmittel in der Mark Brandenburg, denn ein offiziell genehmigtes Nachtlager ist auch im kleinsten Zelt teuer. Anheimelnde, wilde Gärten und Grundstücke sind inzwischen nicht nur in festen Händen. Das neue castle-home wird zu allererst auch mit festen Zäunen und Bewegungsmelder umgeben. Man hat mehr als ein Ränzel zu verlieren.
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Sichtlich unorganisiertes Wandern macht dem Häuslebauer wahrscheinlich nicht nur in Brandenburg Angst. Was mich traurig und bedenklich stimmt: die neuen Völkerwanderungen haben in der Mehrzahl das Ziel „Primarkt“ und „Mediamarkt“. Die Marken wechseln mit den Jahren. Die eine, schreckliche Wanderung bleibt wie die Kriegszüge in Mitteleuropa für mehrere Generationen das größte „Outdoor-Ereignis“ des eigenen Lebens, oft auch nur das aus den Erzählungen der Großeltern.
Sehr klein und nicht mehr mein: Das traditionelle Opinel Messer mit Sicherheitsring gehört zu Frankreich wie Rotwein und Baguette. Es wurde 1890 als Klappmesser für die Landarbeit entwickelt und über die Jahre nur geringfügig verändert. Mit seiner Unverwüstlichkeit und Eleganz wurde es zum museumswürdigen Klassiker der Alltagskultur. Eins dieser Messer wurde 1991 ein ganz besonderes Erinnerungsgeschenk für mich an eine Woche in der Landschaft, in die ich mich am meisten zurücksehne: die französischen Pyrenäen. Der Griff kenntnisreich an meine Handgröße angepasst: zum Festhalten in jeder Situation, zum Faustballen in der Hosentasche. Die Klinge natürlich aus Kohlenstoffstahl, der sich zu besonderer Schärfe schleifen lässt. Nach Gebrauch abgetrocknet und ab und zu mit etwas Öl behandelt, wird Rost vermieden und bekommt der massive Holzgriff die unverwechselbare Patina; unverwechselbar durch die immer einzigartige Holzmaserung – falls mit Liebe ausgewählt.
Das Opinel boomt seit einiger Zeit auch in Deutschland. Ja, irgendeins steckt auch wieder in irgendeiner Tasche von mir. Irgendeins, es kommt nicht mehr drauf an, falls ich es auf ewig verborge oder verliere. Aber mehr als einen Stich im Herzen gibt es immer, wenn ich danach greife: nein, das ist nach mehr als zwanzig Jahren jetzt nur noch irgendeins.
Schuld und Scham sind eineiige Zwillinge, ich kenne das auch.
Aber sollte ein Bushcrafter auf diesem Foto sein möglicher Weise handgefertigtes Jagdmesser wiedererkennen: am letzten Wochenende im Februar 2016 gefunden. Den ausweisenden Fundort bestätige ich nach Bitte um Rückgabe.
Ziemlich klein und mein: Tagesrucksack Quechua, 2017 von Decathlon am Berliner Alex, mit zwei übereinander liegenden Reißverschlußtaschen und zwei Seitentaschen für kleine Dinge. Die vordere, geräumige Reißverschlußtasche erweist sich als sehr praktisch für Brotzeit mit Thermosflasche plus Schirm. Damit ich nicht Zielscheibe für Sportschützen werde, habe ich inzwischen das längs laufende Weiß des großen Quechua-Schriftzuges mit schwarzem Edding übermalt.
Ideal auch im Winter für Tagestouren in den Bergen: es gibt Schlaufen für Stöcke.*
Die geschützten Weidenkätzchen stammen von haufenweise abgesägten und ausgedünnten Hecken zwischen Groß Kreutz und Götz. Auch Schlehen fielen der Säge zum Opfer. Dabei wäre der besondere Schutz der Nahrungsquellen für Insekten und für Singvögel wichtig in dem wachsenden Gebiet von eintönigem Spargelanbau.
*Leider ist der Rucksack Februar 2018 schon nicht mehr im Angebot von Decathlon. Ich hoffe, meiner hält noch lange. Die Outdoor-Industrie nervt mit dem ständigen Wechsel von bewährten Sachen!!!
Schuhe können wie die winzigen chinesischen Damenschuhe kleine Kunstwerke sein. Die entsprechenden Trippelschritte und die notwendige Anspannung der Beckenmuskulatur galten als stimulierend für die Liebeslust des Mannes. Aschenputtels Füßchen hatten eine ähnlich erotische Wirkung.
Kein Wunder, wenn heutzutage beim Wandern die Hoffnung auf den Prinzen zerbricht. Angesichts der zweckorientierten Wanderschuhe kommt einfach kein abseitiger Einfall. Immerhin gab es diesbezüglich meinerseits in sehr jungen Jahren zierlich fast unbeschuht – oder besser gesagt unbedarft – Versuche: 1961 über den Kamm der Tatra mit Wanda und Krzysztof, unserem Wanderleiter. Es war das erste, unvergessliche Mal, dass ich richtige Berge mit Schnee und Enzian gesehen habe. Etliche Jahre später ist mir das Besteigen des Chopok, Slowakei, notgedrungen die Pfennigabsatzschuhe in der Hand und barfuß auch nicht schwer gefallen.
Heutzutage wäre umgekehrt das Tragen von steigeisenfesten Bergstiefeln auf brandenburgischen Sandwegen zu hinterfragen. Nicht nur, dass das brettartige Gehverhalten in die Ohren der Mitwanderer plautzt, für Skelett und Zehen ist das schädlich. Die Urgeschichte des Schuhs wird entsprechend auch an den Knochen abgelesen, denn Schuhwerk gehört bekanntlich zu den Objekten der Kultur, die aufgrund ihres Materials nur unter besonderen Umständen die Zeiten überdauern. Knochen bleiben verformt.
Viele tun so, als wären Schuhe das Wichtigste beim Wandern. Zum wahren Glück – zumindest in Brandenburg – brauchen wir jedoch oft nichts weiter als nackte Füße: eine höchst soziale Form des Wanderns und im Sinne von radikalen Tierschützern. Genau wie die indischen Jains, Asketen, die nur barfuß gehen, wird nicht das kleinste Tier verletzt. Ein Fußsack aus Fell, die Haarseite nach innen (Mokassins) oder die Stiefel mit Heu ausgestopft wären eine Kältevariante.
Ein Outdoorgeschäft ist dann natürlich nicht zu machen. Dafür wurden die Barfußschuhe entwickelt. Ich trage alles wie es kommt bzw. vorhanden ist. Und wenn es strapaziös wird: die leichten Keen.