7. Juli 2019 mit dem WSV Rotation Berlin und Eckhard Knauer: von Ringenwalde zum Kloster St. Georg in Götschendorf
Was ist das hier?
Was ist das hier? Ein Blättchen, festgeklemmt
in meines Trauten Pfote? – Gift, seh ich,
war sein Ende vor der Zeit. – O Böser! alles
zu fressen, keinen güt’gen Bissen
mir zu gönnen, der mich zu dir brächt’? –
Ich will dir das Schnäuzlein küssen. Ach, vielleicht
hängt noch ein wenig Gift daran, und lässt mich
an einer Labung sterben.
Frei nach Shakespeare, Romeo und Julia
Im Himbeerwald
Weniger tragisch, eher als Glücksfall erweisen sich Wald und verwunschene Wege durch die Endmoränenlandschaft Ringenwalde mit Libbesicke-See, Stabs-See, Lübelow-See und Kessel-See.
Ein Pausenplatz, umgeben von liebevoll gehegten Eichen – verantwortlich zeichnet die Oberförsterei Reiersdorf. Vier Häuser, mehr offensichtliches Menschenwerk sehen wir bis Götschendorf auf unseren 18 Kilometern nicht.
Egal ob Mischwald, ob verlandender See, ob der Weg breit oder das Gebüsch dicht: rosarote Himbeeren hakeln sich mit ihren Trieben lockend in die Klamotten. Meist eher mini, aber süß und ausreichend für knapp 30 Wandersleut. Wer nach Maden sucht, hat selbst Schuld. Gewöhnung an die zukunftsweisende Massentierhaltung der kleinen Art täte gut.
Vom Abwechslungsreichtum des Waldes hier nur zwei miteinander (wie?) verwachsene Buchen vor dem Hintergrund eines Sees
und zerklüftete Stämme von uralten Robinien kurz vor Götschendorf.
Alle guten Gaben
Und was ist das? Ein Pellkartoffel-Geschenk. Abgesehen davon, dass genau dieses ein besonders leckeres – avancierte die Kartoffel von Friedrichs sättigender Wohltat für die preußische Bevölkerung aktuell zu einer Beilage, die als einzelne Knolle unter Umständen bereits eine einzelne Banane im Preis übertrifft.
Wen wundert’s, wenn die Mentalitäten dann höchst verschieden ausfallen – je nach dem, woher man kommt…
Gegrüßet seist du, Beschützer der Wanderer
Götschendorf, mit einem russisch-orthodoxen Kloster unter dem himmlischen Patronat des St. Georg und dem weltlichen von Moskau – weltweit agierend.
Wie die wachsenden Beete ist das Klosterensemble jenseits von Steuern für einen Euro mit Eigenleistung wohl noch eine Weile im Bau.
Unter einem Zeltdach die Glocken, das sichtbare gehört aber zum Garten; ein Denkmalskreuz, am Sockel St. Georg als Drachentöter.
St. Georg: Schutzherr der Reiter (auch der Krieger im Dienst des Erlösers der Welt), der Pferde und des Viehs, der Artisten, Sattler, Schmiede, Bauern und: der Wanderer!
Wie einst die Pforten der Kirchen bebildert wurden mit bronzenen Reliefs, so findet sich mittig an der Weltenkugel unter dem Kreuz eine kleinteilige, umlaufende Erzählung von den Schrecken der Kriege, künstlerisch bemerkenswert zwischen historischem Stil und moderner, gebrochener Form.
Bewundernswerte Schönheit in der Nachfolge der byzantinischen Ästhetik, jenseits von Zeitlichkeit.
30.05.2019, im Blütenhimmel mit Wolfgang Pagel und dem WSV Rotation Berlin. Von Lanz zum Landschaftspark Gadow, auf dem östlichen Zweiseitenweg am Rambower Torfmoor zur MoorScheune Boberow, weiter bis Bahnhof Karstädt.
Die traditionelle Wanderung zum Himmelfahrtstag in einen Rhododendron-Blütenhimmel wieder einmal in die Prignitz und den Schlosspark Gadow – mit 28 Kilometern auf der bisher kürzesten Route. Dafür sind es in diesem Jahr mehr Wandersleut als Kilometer.
Der Schlosspark Gadow
Die einsame, nördliche Brandenburger Ecke besitzt einen Höhepunkt: Schloss Gadow mit riesigen Büschen Rhododendron. Wie kleine Gebirge blühen sie aus ihrer Umgebung hervor. Ausgebreitet haben sie sich bis über den Landschaftspark hinaus.
Der Baumbestand des alten Schlossgartens überrascht mit uralten Solitären, so alt, dass der Bestand sukzessive bereits erneuert werden muss.
Buchen mit dicken Überwallungen, knorrig ineinander verwachsen…
Wohl vom ehrgeizigen Schlossherrn und Gärtner* gequält zu bizarrer Gestalt…
Der Stamm mit borkiger, rauer Rinde, so reckt eine Platane ihre Äste.
Alte Eichen und sehr versteckt ein Baum von sagenhaften über 1000 Jahren – ein Märchen oder doch eher die Verwandlung all des nordisch Heidnischen in die Symbolik eines schattenhaft Erhängten, Gekreuzigten, Gequälten?
NSG Rambower Torfmoor
Im Naturschutzgebiet gehen wir auf der östlichen Seite des Moores ganz geradeaus mit Blick auf die als Weiden genutzten Wiesen.
Das Rambower Moor liegt über dem Ausläufer eines gigantischen Salzstockes, der sich von hier bis ins niedersächsische Gorleben erstreckt.
Kurz vor einem kleinen Laubforst von einer Plattform aus: die Fläche des Rambow-Sees leuchtet schmal aus den Wiesen.
Das Torf-Moor dieser “Rambow-Lenzener Rinne” wird als seltenes Brutgebiet vor allem durch Beweidung erhalten. Prächtiges Futter für die Rinder!
Das wissen einige von uns nur zu gut. Ziel und Hoffnung ist daher die MoorScheune Boberow mit einer der besten Würste der Welt. Es hat trotz der Menschenmengen in diesem Jahr sogar geklappt mit den Moorknackern.
Hier nicht nur meine absolute Empfehlung für dieses Angebot der → MoorScheune Boberow.
Gelungener konnte die Wanderung nicht sein! Gerne wieder!
*Gadow gehörte zu den Besitzungen des in der Prignitz tätigen Adels von Moellendorff und von Wilamowitz-Moellendorff. 1829 begann die Umgestaltung des Schlossparks in den dendrologisch bedeutenden und weiträumigen Landschaftspark.
25. Mai 2019, Wanderung zur Orchideenwiese Hegensteinbach / NSG Thymen: Org. WSV Rotation Berlin, W.Pagel; Führung Heike Wiedenhöft, Leiterin des Naturparks Uckermärkische Seen und Anke Schneider, Revierförsterin. 28 km als Solo verkürzt auf insgesamt 12 km im NSG. Ich glaub es nicht: in sechs (6) Stunden!!!???
Zur Orchideenwiese Hegensteinbach
Zum Schutz eines besetzten Seeadlerhorstes ein kleiner Umweg. Ohne Störungen gibt es die große Hoffnung, dass drei junge Seeadler aufgezogen werden.
An der Hegemeisterbrücke teilen sich die Wege. Unter Führung von Heike Wiedenhöft, Leiterin des Naturparks Uckermärkische Seen und Anke Schneider, Revierförsterin, geht es zu einer der in Brandenburg berühmten Orchideenwiesen.
Dank aufwändiger Wiesenpflege leuchten die violettroten Blüten des gefleckten Knabenkrautes bis zum Gehölzrand.
Den alten Griechen galt die Orchidee wegen ihrer zwei baumelnden, knollenförmigen und wohl auch knabenhaften “Hoden-“Wurzeln als Aphrodisiakum.
Auf das gebraute Liebesgetränk – ohne nachgewiesene Wirkung – muss verzichtet werden: die bei uns seltene Pflanze ist streng geschützt.
Habe ich im Bild ein breitblättriges und auch ein steifblättriges Knabenkraut erwischt?
Die gefleckten Blätter, unverkennbar auch mit ihren parallelen Adern: jedes anders, ganz individuell! Wilde Schönheit!
Zum Naturentwicklungsgebiet NSG Thymen
Wenn der Wasserstand in diesem Jahr nicht wieder absinkt wie im Extremwetter-Sommer 2018, haben die Orchideen, die Brandenburger Natur, der Waldumbau und das Naturentwicklungsgebiet am Thymen eine Chance.
Meine weitere Wanderung nun ab Hegemeisterbrücke ein verkürztes Solo.
Die Kraniche haben wir leider aufgeschreckt von der Orchideenwiese. Die Otter hat reichlich Muscheln hinterlassen, auch tiefe Einstiege ins Wasser. Der Graureiher entschwindet in den Baumwipfeln. Ein Reh, dann schon in der Nähe der Pferdeweiden. Über die Wiesen zum Ende meiner Wanderung fliegt mit schwerem Flügelschlag der Seeadler.
Meine menschlichen Sinne sind wahrhaftig rudimentär: mehr als Spuren erwische ich trotz meines leisen Trittes nicht.
Den Blick direkt auf den Flachsee gestattet das Naturschutzgebiet Thymen mit den breiten Schilfgürteln, Feuchtwiesen und Gebüschen seiner Verlandungsmoore kaum.
Wie in jedem NSG ist es verboten, außerhalb von “Wegen, die von zwei- oder mehrspurigen Fahrzeugen befahren werden können,” die Flächen zu betreten.
Der öffentliche Rundweg Hegensteinbach besitzt diesbezüglich einige wenige, meist undeutliche Abzweige.
Als Stichwege enden sie vor einem Ansitz. Wer zeitlich gebunden ist, sollte diese Wege meiden.
Dieser Gedanke kommt wohl nur einem Insider des Forstes beim Anblick der unendlich den Boden bedeckenden Blaubeeren: sie verdrängen alle anderen Pflanzen. Trotzdem ist die neue Vielfalt im Wald unübersehbar.
Unsichtbar hinter all dem Frosch-, Flaschen-, Apfel-, Birken-, Lind-, Knall-, Quietsch- und Dunkel-Grün liegt wieder der Thymensee.
Letztendlich kehre ich mit Blick in einen eintönigen Kiefernwald mit dem eintönigen Grün von Blaubeerkraut um: “Geschütztes Waldgebiet. In diesem Naturwald entsteht der Urwald von morgen.” Hoffentlich.
Der Rundweg Hegensteinbach steigt hinter der Hegemeisterbrücke bergan. Früher unzugänglich für die Bevölkerung: Fürstenberg-Ravensbrück und später die Präsenz sowjetischer Truppen wiesen im Gebiet reichlich “besetzte Orte” aus. Ich gebe meine Internetrecherche auf. Genaues wird nicht gemocht im Zeitalter des hoffentlich wachsenden Tourismus.
Die Geschichte ist auch sofort vergessen: jeder Meter des schmalen Pfades, jeder Blick in die Tiefe ist nichts als ein Erlebnis fürs Auge.
Der am südlichen Zipfel aus dem Thymensee fließende Hegensteinbach breitet sich hinter der einzwängenden Brücke wo er nur kann sofort wieder aus.
“Thymen” bezeichnet in altpolabischer Sprache Sumpf, Morast = “tyme”. Schwarzmoorig an den Bachrändern, verweist der mittig helle Strömungstreifen auf sichtlich saubere Wasserqualität.
Von den Fischen, die den gesichteten Graureiher ernähren, ist an den mit wenigen Schritten zugänglichen Stellen nichts zu entdecken.
Anderes lässt erahnen, was vielleicht eines Tages aus dem gewachsenen Urwald des Naturentwicklungsgebietes Thymen stapfen und kriechen könnte.
Wo am unzugänglichen, gegenüber liegenden Ufer weite, moorige Flächen schimmern, versackt auch der Hegensteinbach in tot und stumpf trocknendem Schwarz.
Es geht bergauf und bergab. Alter Buchenbestand auf den Hängen, Erlenbruchwald an den Innenkurven des Gewässers.
Kleine Holzbrücken retten zu Regenzeiten über morastige Stellen des Hegensteinbach-Rundweges. Der Brückenzustand ist etwas abenteuerlich. Aber nur etwas.
Trauriger muten die ersten Siedlungsspuren aus Richtung Fürstenberg an – mit deutlichen Einträgen im Hegensteinbach.
Doch ich schwöre: am Ende der schlappen 12 km in 6 Stunden, nach 4 Stunden Hin- und Rückreise liege (nicht nur) ich höchst zufrieden gekuschelt jenseits irgendeines aktuellen, weiteren Interesses. Das NSG Thymen lohnt unbedingt eine genießende Umrundung – vielleicht zur Blaubeerzeit noch einmal.
Für die detailreichen Informationen und ebenso für die aufopfernde, täglich so nachhaltige Arbeit im Vorfeld, ganz besonderen Dank von allen Naturbegeisterten an die Biologin und Limnologin Heike Wiedenhöft, Leiterin des Naturparks Uckermärkische Seen und die Revierförsterin Anke Schneider!
10.04.2019, mit dem WSV Rotation Berlin und Eckhard Knauer von Trebbin in die
Löwendorfer Berge, zum Flugplatz Schönhagen. Individuell anstatt Einkehr weiter nach Ahrensdorf in Kleinstgruppe: insgesamt gute 17 km
Trebbin
Die Dorfstraße ein einziges Blütenmeer!
An der Nuthe-Brücke zwischen Trebbin und Löwendorf: Misteln, Misteln, Misteln…
Die Löwendorfer Berge
Warum kommt mein Rudel nicht? Weil es total steil den Vorderen Löwendorfer Berg hoch geht!
103 Meter plus Aussichtsturmstufen: mit Adlerauge ist im hellen Dunst der Berliner Fernsehturm zu erkennen.
Nächstes Ziel: noch ein Löwendorfer Berg mit Turm. Eine eingezäunte Funkanlage inmitten des Kiefernwaldes.
Bergauf, bergab – Brandenburg hat Höhen- und Tiefenmeter zu bieten.
Längs von Feuchtgebieten oder direkt in trockenen Talrinnen geht es hinab und wieder hinauf und hinab…
Der Kienberg
Auf dem Kienberg alles Sandheide-Trockenbiotop: Zwergstrauchheide, Besenginster, Flechten.
Vom Gipfel – immerhin 90 Meter – geht es gerade hinunter zum Verkehrslandeplatz Schönhagen.
Schönhagener Verkehrslandeplatz
Über die Luftschadstoffemissionen will ich jetzt nicht nachdenken. Der Höhenflug fasziniert.
In Ostdeutschland ist es der Verkehrslandeplatz mit höchstem Verkehrsaufkommen, innerhalb Deutschlands liegt er an zweiter Stelle. Im Minutentakt erheben und landen die kleinen Flieger. Eigentlich recht leise, nur der Hubschrauber knattert battabattabatta – sieht manchmal aus wie Käpt’n Nemo im Untergang: wahrscheinlich Flugschulung.
Wetzstein-Berg und Ritterberg
Nicht mehr als eine flache Welle in einem grasreichen Wald ist der Wetzstein-Berg mit irgendetwas um die 50 Meter.
Der Ritterberg dürfte kaum höher sein. Sein Gipfelkreuz ist nicht zu finden unter der Blätterschicht eines recht jungen Buchenwaldes. Ringsum und bis zur Kuppe hinauf wachsen die Buchen.
Insgesamt haben wir also fünf Berge bestiegen – jeder völlig anders.
Vom Gutshof Schönhagen bis Ahrensdorf
Am ehemaligen Gutshof Schönhagen ein prächtiger Baumbestand. Die Wandergruppe wandert zur Einkehr. Eine Minigruppe zweigt Richtung Ahrensdorf ab – nix wie hinterher…
Nach den naturbelassenen Sand- und Waldwegen geraten wir ohne die bestens ausgesuchte Wanderleiterroute auf fahrrad- und skaterperfekten Asphalt – durchgehend bis Trebbin. Anders geht es nicht. Forcierter Straßenbau = Fortschritt? Fort vielleicht, für militärischen Schritt auch, aber schlecht für’s Wandern.
Uns fliegen im Wind die Abdeckungen der Spargelfelder um die Ohren und auf der anderen Seite die Düngemittel. Hecken und Feldgehölze: Fehlanzeige. Aber wir sind ein fröhliches Minitrüppchen. In Ahrensdorf wird mir eine informative Unterhaltung über Gott und die Welt mit einem netten Einwohner in bester Erinnerung bleiben. Und diese höchst abwechslungsreiche Wanderung ebenfalls.
Eine ca. 5 km lange Fortsetzung der Höhenwanderung ist durch die → Nutheniederung möglich.
6. April 2019, 28 km von Hoyerswerda zur Krabat-Mühle in Schwarzkollm mit dem WSV Rotation, Leitung A. und E. Böhringer
Wo die Oberlausitz sich irgendwie falsch anfühlt
Hoyerswerda: Region Oberlausitz, sieht landschaftlich aus wie Niederlausitz. Sogar das 65+ Ticket funktioniert einige Kilometer jenseits der Grenzziehung Brandenburg – Sachsen. Böhmen, Preußen, Schlesien, Thüringen. Leipzig, Dresden, Görlitz, Bautzen, Spreewald, Berlin. Historisch verbandelt. Aktuell wird die Lausitz vorzugsweise als Seenland vermarktet. Noch gibt es aber auch das Teichland.
Kein Braunkohletagebau, sondern ein Fischteich mit abgelassenem Wasser! Von der sorbischen Sagengestalt Krabat wird inzwischen erzählt, er wäre von einer düsteren Stimme in den Tagebau “Schwarze Pumpe” gerufen und verwandelt worden für das Abbaggern der sorbischen Dörfer. Ohne Krabat als Zahnrad würde die Maschinerie so wenig funktionieren wie einst die Schwarze Mühle ohne den zwölften Gesellen.
Einst soll es Krabat gewesen sein, der die Moorlandschaft durch Gräbenziehen in fruchtbares und reiches Land verwandelt hat. Auch gegen das Fieber aus den Sümpfen. Hinter Krabat folgte ein zweiter Pflug, ein dritter… “Jeden scheint Krabat zu führen”, so beendet Jurij Brězan die Geschichte.
Im Teichland ist nach wie vor Fisch fast ein Grundnahrungsmittel. Jod tropft noch nach Generationen förmlich aus den Poren. Für den Erhalt von Fröschen und Störchen muss sehr viel mehr getan werden. Würde Krabat heute sterben, müsste als Anzeige für das außergewöhnliche Ereignis kein Schwan bemüht werden, ein inzwischen ebenso seltener Weißstorch täte es auch.
Wenn es Ostern wird
In diesem zeitigen Frühling und in Zeiten des Klimawandels sieht alles nach glücklicher Lausitz aus – die blühenden Magnolien nun doch eher sächsisch.
In Dörgenhausen putzen die Alteingesessenen ihr “Němcy” – in trauter Einigkeit Sorben und Deutsche, Katholiken und Evangelische. Seit Urzeiten ist Gemeinschaftssinn vor allem zwingend für die Regulierung des Wasserstandes im Land.
Und: das Osterfest steht vor der Tür. Ostern in der sorbischen Lausitz übertrifft in gewisser Weise Weihnachten.
Ich habe Osterreiten und Waleien*** 1950 in Bautzen erlebt und nie vergessen. Die Dörgenhausener nehmen teil an der Wittichenauer Osterreiterprozession. Vielleicht auch vorbei an diesem Wegekreuz.
In der Pfarrkirche von Wittichenau wurde „Johann von Schadowitz“, begraben. Er gilt als die historische Vorlage für die Sage von Krabat, dem “sorbischen Faust”. Groß-Särchen wird in der „Chronik Wittichenau“ als Gut des kroatischen Heeresobristen Jan Sadovic genannt, wo er als der “Krabat” auch 1704 starb.
1950 sah es allerdings nicht aus als hätte in Groß-Särchen oder gar bis Hoyerswerda hinein ein Krabat gewirkt.
Ziemlich echt: Wittichenau und Mühle
Wie von Krabat liebevoll verzaubert: der Marktplatz von Wittichenau, im Hintergrund die besagte Pfarrkirche.
Die Krabat-Stele: Hans Eickworth (1930 – 1995) als Künstler wird selten genannt. Freilich wäre die Stele als Volkskunst bunt wie ein sorbisches Osterei.
Diese farbenfrohen Ostereier gibt es nur noch museal. An den Bäumen klimpert grelle Plaste. Ein Ei wie das andere. Ach Krabat, flüstere den Sorben doch ein, dass die Tradition mit Edding-Stift als ebenfalls nur andere Technik nicht brutal gebrochen werden müsste.
Wir gelangen inzwischen elegant zur einzigen, in dieser Gegend noch erhaltenen Wassermühle am Schowtschickweg.
Einst waren es fünf Wassermühlen. Die im Landschaftsschutzgebiet unter Denkmalschutz stehende Schowtschick-Mühle wurde um 1500 erbaut.
Zwar klappert es nicht mehr, aber zumindest rauscht es noch kräftig.
Geheimnisse im Dubringer Moor
Im Biosphärenreservat “Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft” fällt das Naturschutzgebiet “Dubringer Moor” als riesiges Niedermoor, teilweise mit Hochmoorcharakter, auf jeder Landkarte auf.
Der durchschnittliche Jahresniederschlag liegt unter dem deutschen Durchschnitt. Wir haben einen trocken heißen Tag erwischt. Der Gedanke an brennende Moore liegt näher als der an das Versinken in wässrigen, trügerischen Oberflächen.
Im südlichen Teil des Dubringer Moores, auf dem Weg von Wittichenau nach Dubring, liegt das “versunkene Schloss”. Die Sage erzählt von seinen Besitzern als höchst grausamen Menschen. Der Burgwall ist erkennbar, der Sumpf nicht. Das dumpfe Heulen aus der Tiefe bleibt uns erspart – 32 Wanderer waren wohl zu beängstigend für das Personal.
Der Wald wird hügelig. Ein Stein am Fuße des Gerichtsberges erinnert an einen verunglückten Forstarbeiter. 182,4 Meter über Normalhöhe erklimmen wir noch diesen höchsten Punkt der Blaubeergegend, mit Feuerwachtturm und Resten eines Vorgängerturms.
Gespielte Heimat
Straßengerade und gefühlt verirrt stoßen wir wie der Hirtenjunge Krabat auf die Schwarze Mühle. Krabat erlernt dort (aber nicht hier – das ist Filmkulisse) nicht nur das Müller-, sondern ebenso das Zauberhandwerk. Gefangen und nur als Raben frei ins Land entlassen, verfällt jährlich eine der zwölf Schülerseelen dem Zauberer. Was soll’s mit der Seele im Zeitalter der Eventkultur. Wir fühlen uns gerettet mit schwarzem Bier und schwarzem Eis.
Am Ende sind wir noch vollzählig. Aber ich schwöre: Richtung Bahnhof Schwarzkollm, an der langen Straße mit riesigen Dreiseiten- und Vierseitenhöfen, sitzt ein schwarzer Rabe am anderen.
***Ich werde mein Ostereigeschenk nie vergessen. Nie wieder hab ich ein so kunstvolles gesehen: blau-weiß, gekratzt. Es wurde gegessen (natürlich, 1950…). Nur eine halbe Schale gerettet und lange aufgehoben.
Was ist das? Kann weg.
So ist das, wenn jemand als Rabe bei den Hühnern aufwächst.
Nichts kommt überraschend
Sofern es nicht um das angesagt sportliche Wandern geht, sondern um meine Umwelt und die meiner Enkel, brauche ich – anstatt zu wandern – nur noch in die “Kiste” zu greifen. ARD Info-Nacht 3. Mai 2019: das Dubringer Moor in Gefahr! Trockenheit. Sogar die Moorfrösche bleiben aus. Die Bewässerung des Moores aus dem Vincenz-Graben, den wir auch bei dieser Moor-Wanderung überquert haben, scheitert an der Grenze Brandenburg : Sachsen. Kleinstaaterei im 21. Jahrhundert. Der Link zu diesem Ranger-Interview ist nicht zu finden. Einzig und allein touristische Angebote in eine heile Welt. Das politische Brandenburg hat sich 2019 die Förderung des Tourismus auf die Fahnen geschrieben.
Fahrn wir doch nochmal schnell mit dem Auto hin!
der Umwelt-Paparazzi
20.03.2019, mit dem WSV Rotation Berlin und Eckhard Knauer von Neuhof zu den Sperenberger Gipsbrüchen
Wir haben ihn!
Den Frühling! Der beginnt auf der Nordhalbkugel am 20. März 2019. Der astronomische, auch kalendarischer Frühlingsanfang genannt, richtet sich nach der Lage der Sonne. Die liegt an diesem Mittwoch prächtig am Himmel.
Nachdem der Winter hexenmäßig ausgetrieben an den Gehöften von Haschenland vor sich hin stirbt, sind die Hasch-mich-ich-bin… Vorbereitungen vor Sperenberg bereits weit gediehen.
An den Gipsbrüchen begrüßt der Blütenfrühling.
Das Baden wird in Erwägung gezogen. Immerhin kommen wir vorbei am Großen Wünsdorfer See, am Bars See, kriechen zwischen Faulem See und Faulem Luch hindurch, machen Mittag am See.
Die Sperenberger Gipsbrüche
Auf dem Boden-Geo-Pfad geht es ins NSG Sperenberger Gipsbrüche und auf der Kante entlang mit Blick in die Seen, durch eine Schlucht, vorbei an dem Gipsgestein Anhydrit, am Abhang hinunter bis zur Gedenktafel für ein Bohrloch im See, das Technikgeschichte schrieb.
Spezielle Webseiten zu allem auf diesem → Boden-Geo-Pfad, bitte lesen – sehr informativ!
Anhydrit
Anhydrite sind Sedimentgesteine aus der Gruppe Salzgesteine. Das weiche Gestein lässt sich mit dem Fingernagel ritzen. Schmeckt aber nicht nach Salz! Mit blossem Auge sind die Kristalle und Kristallwachstumsflächen erkennbar. Das Gestein hat eine graue bis bläuliche Farbe.
Aufstieg und Abschied
Zum Schluss noch eine Runde hoch zum Aussichtsturm auf dem 80m hohen Gipsberg. Das sollten 15 km geworden sein. Ich aber hetze mit einem Kilometer weniger zunächst umsonst, insgesamt aber rechtzeitig die Gipsstraße bis Ecke Klausdorfer zu Bus und Bahn nach Berlin zu zwei lohnenden Filmen von Andreas Goldstein***.
*** Andreas Goldstein “Adam und Evelyn”, nach einem Roman von Ingo Schulze und “Bilder meines Vaters”,
in gewisser Weise beide Filme auch Wanderungen, die großen im Leben.
Sonntag, 10.03.2019, 20 km von Grüneberg zur Grundmühle und durch etwas Gruselwald zum Bahnhof Beetz-Sommerfeld mit Eckhard Knauer, WSV Rotation Berlin
Vom Deetzsee zum Fließgraben
Ausgeschlafen. Wir sind daher viele. Die Fahrt gestaltet sich bequem und kurz. In Grüneberg geht es unerwartet gepflegt vorbei am Deetzsee, der sich hinter aufgewühltem Wildschweinterrain verbirgt.
Ohne Risiko artig auf der Straße bis zum Überqueren der 96. Ein tief gelegter Bach erzwingt etwas umwegige Versuche: geschafft!
Nun mit weitem Blick über Wiesen und Weiden mit allerlei Kleinstwundern.
Wer dem Wanderleiter zu schnell hörig folgt, bekommt die üblichen Spezialitäten. Es geht ausnahmsweise auch einmal anders und ermöglicht Bilder von diversen sportlichen Höchstleistungen.
Nach dem Bach geht es schlecht weiter,
auch die Pferde schaun nicht heiter.
Am Abflussgraben vom Lindesee zum Fließgraben der Grundmühle ist der Biber täglich zu Gange, sonntags der Grundmühlenbesitzer. Die Idylle hat sozusagen einige problematische Seiten.
Jenseits von Wanderwegen
Der Wald: abwechslungsreich mal so, mal so. Nach der Mittagspause sollte man wenigstens halbwegs ahnen, zu welcher Art Überraschung solche Wege, Schneisen oder Fährten führen.
Das Geheimnis eines radialen Waldkunstwerkes
Google maps zeigt bei Sommerfeld einen geheimnisvollen Wald im Wald: einen radialen, kunstvollen Grundriss von quadratischen Linien umspannt. Was für ein formvollendetes Bauwerk ist hier bis auf die Grundmauern zerstört und vergessen? In Gedanken lege ich barocke Gärten und Pläne über das wuchernde Grün.
Auf die einzig nahe liegende Lösung komme ich nicht selbst: Militär. S 75 “Wolchow”, Stellung der 41. Fla-Raketenbrigade, Fla-Raketenabteilung 4124 (FRA 4124) bei Sommerfeld, gedacht zur Luftverteidigung Berlins durch die Russen**.
Sechs solche Startplattformen sind um einen zentralen Gefechtsstand angelegt. Zu erkennen sind im Hintergrund die Reste zur Tarnung mit einem Rolldach.
So abwegig waren meine ersten Gedanken nicht. Militär- und Verteidigungsbauten haben nicht erst und nicht zuletzt Leonardo dauerhaften Ruhm, Ansehen und gutes Geld verschafft. Und selbst diese sehr einfache, kleine Anlage beeindruckt mit ihrer Symmetrie. Trotzdem: ein Grusel der Vergangenheit, in der Gegenwart und für alle Zukunft…
Vom Beetzer See nach Sommerfeld
Die ersten Regentröpfchen fallen. Gleich hinter dem Beetzer See liegen bereits die Sana-Kliniken Sommerfeld, erbaut als „Waldhaus Charlottenburg“ zwischen 1912 und 1914. Wenn schon kein Schweizer Zauberberg, dann doch wenigstens alpine Landhäuser für die mehrheitlich sozial schwachen Tuberkulosekranken aus der Stadt – die Zeit vor dem ersten Weltkrieg war hoffnungsvoll.
Ein etwas lungenkrank gefärbter Gedenkstein erinnert an den langjährigen Doktor und Direktor Hellmuth Ulrici.
Bei der Tuberkulosetherapie gibt es immer wieder Apostel,
die an die Ausrottung der Tuberkulose glauben,
aber leider träumen sie nur einen schönen Traum.
Hellmuth Ulrici
1876 – 1950
Die Wandergruppe hat sich geteilt in ein Minihäufchen Gesättigte und eine Masse hungriger, durstiger Rehabedürftiger oder wer weiß.
Die Anzeige am Bahnhof Beetz-Sommerfeld*** warnt entsprechend der Wetterlage vor eventuellen Zugausfällen. Aber pünktlicher geht’s nicht – das rundum gesättigte und zufriedene Minihäufchen fährt.
** Ursprünglich hatte nicht nur ich auf “Zweiter Weltkrieg” getippt. Nach meiner → Wanderung um Kremmen herum, bin ich gefühlsmäßig (auch wenn das zum Thema nicht passt) sicher, dass hier nur ein bereits existierendes Militärgebiet übernommen wurde. 1940 fusionierten die Deutsche Pyrotechnische Fabriken AG (Depyfag) mit den Orion-Metallwerken (Schusswaffenproduktion) zu einem Gesamtunternehmen innerhalb der Sprengstoffgruppe DAG/WASAG/Ligose. Die Produktion war den Munitionsanforderungen des Zweiten Weltkriegs angepasst und auf Leucht- und Signalmunition umgestellt worden. “Irgendwo soll es auch noch die Abschussrampen geben, von denen aus bei Tests die Leuchtmunition ins Kremmener Luch geschossen wurde.” – vermutet die Gerüchteküche im www. Also was ist mit meinem Gefühl??? Ich vermute einfach nur eine andere Zäsur nach der Wende.
*** Nachtrag mit unscharfem Detail. Ich selbst hab die Vorderfront des Bahnhofs scharf gesehen. Über dem Eingang eisig silbern der Ärmeladler, das militärische Emblem der Deutschen Reichsbahn 1938 -1945. Der Lorbeerkranz ausgespart. Da war allerdings niemals was anderes drin als …
Warum nicht das Flügelrad – das pefekt gestylte Emblem der Eisenbahn seit der Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahn Nürnberg-Fürth 1835? 1898/99 entstand der Haltepunkt Beetz-Sommerfeld an der Strecke Kremmen–Meyenburg, das Bahngebäude sicher lange vor 1933.
Denkmalschutz, mir graut vor dir…
24.02.2019 mit Eckhard Knauer, WSV Rotation Berlin, als Wandergruppe vom Bahnhof Althüttendorf zum Tiefen Bugsin, zum Hunger-See und Sassenpfuhl, über Senftenhütte zum Katzenberg, auf getrennten Wegen Solo zum Bahnhof Chorin
Niemand will eine Landschaft zerstören
Seenkette Hunger-See und Sassenpfuhle
Berglein auf, Berglein ab und quer nach Senftenhütte
Katzensolo ins Biberrevier
Chorin in Sicht
Niemand will eine Landschaft zerstören. Aber ein bisschen, ein bisschen kann doch überall abgezwackt werden…
Böden werden zubetoniert mit Straßen, Parkplätzen und Gebäuden. Allein in Deutschland werden täglich rund 60 Hektar Forst- und Landwirtschaftsareal zu Siedlungs- und Verkehrsflächen.
16.02.2019, Kleist-Route, 24 km mit Heinz Otto, WSV Rotation Berlin.
Frankfurt/O – Ziegenwerder – über die Oder nach Polen in die ehemalige Dammvorstadt, durch Wald und Heide bei Kunowice mit Ruine Kleistturm und Gedenkstein E.Ch. von Kleist – Słubice, Käthchen-Statue – Frankfurt/O
Der Frühling
Mitte Februar. Es ist ungewöhnlich mild, gefühlte 18° mindestens. Wir wandern auf Spuren des siebenjährigen Krieges (1756-1763) in die Felder um Kunersdorf (Kunowice) wo es 1759 zum Kampf der preußischen Truppen gegen russisch-österreichische kam. König Friedrich II. von Preußen (Friedrich der Große) entrann hier dem Tod wie durch ein Wunder. Hingeschlachtet wurden andere von denen niemand erzählt. Tödlich verwundet wurde der Offizier Ewald Christian von Kleist, der in die Literaturgeschichte einging als Dichter des ersten großen Naturgedichts der Spätaufklärung: “Der Frühling” – keine Idylle, sondern im Gedenken an alle Zerstörungen durch Naturgewalten und Kriege.
Die Kleist-Route durch Frankfurt/O und Słubice
“Die Strecke führt in beiden Städten an landschaftlich und architektonisch interessanten Orten vorbei. Zahlreiche Lokale am Wegesrand laden zum Verweilen ein. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Tour!“ – Broschüre zur Kleist-Route der Stadt Frankfurt/O
Die Kleist-Route: Erinnerung an den Siebenjährigen Krieg und die Schlacht bei Kunersdorf 1759, an ca. 120 000 Soldaten auf beiden Seiten und etwa 36000 Verwundete und Gefallene; an das lange Sterben des Dichters und Offiziers Ewald Christian Kleist (1715 – 1759), Großonkel Heinrich von Kleists und Freund Lessings; an Heinrich von Kleist, geboren 1777 in Frankfurt/O (Suizid 1811), dessen Michael Kohlhaas populär wurde. Sein Drama Penthiselea schockt heute noch allein durch die Macht des Wortes mit ungeheurer Drastik, entfesselter Gewalt und exzessiver Leidenschaft die Abgebrühtesten. Viel Spaß! Ich weiß, warum ich keine Denkmale aus Stein oder Bronze mag. Alles, was die Geschichte mit ihren Katastrophen gefühlsmäßig erinnern könnte, ist vergessen mit dem Unterhaltungswert eines Denkmals. Von der Qualität aller figürlichen After-Kunstwerke ganz zu schweigen.
In den Judenbergen* nahe des blutigen Schlachtfeldes Kunersdorf: Ruine des Turmes, 1891/92 zur Erinnerung an den Tod des Ewald Christian von Kleist errichtet und 1945 von den Deutschen als Orientierungspunkt bei Anmarsch der Roten Armee gesprengt.
Gotthold Ephraim Lessing
Distichon
O Kleist! Dein Denkmal dieser Stein?
Du wirst des Steines Denkmal sein.
1999 zur Erinnerung an die Kunersdorfer Schlacht und als Ehrung des Dichters Ewald von Kleist auf dem ehemaligen Schlachtfeld: die zweisprachige Gedenktafel wurde bereits nach wenigen Wochen zerstört.
Thomas Abbt, Vom Tode für das Vaterland
Wie heilig müssen nicht unsern Nachkommen die Felder von Zorndorf und Kunersdorf sein! Zitternde Wehmut und ehrfurchtsvolle Schauer müssen sie durchwandeln, wenn ihr Fuß auf die schon eingefallenen Grabstätten tritt… Und wenn ich auf dem einsamen Spaziergange, mitten unter dem lärmenden und unachtsamen Pöbel, an diesem Grab vorübergehe, dann müsse ich deine fürs Vaterland empfangenden Wunden überzählen, deine Entschließung, ihm die schon erschöpften Kräfte vollends zu weihen, fühlend bewundern und dir den Dank zollen, welchen wir den für unsere Sicherheit sich aufopfernden Patrioten schuldig sind. Wie weit läßt, aus diesem Gesichtspunkt betrachtet, der sterbende Krieger den unsterblichen Dichter hinter sich!
Kein Fragezeichen, sondern ein Ausrufezeichen.
Alle Dichtung ist eine Frage der Interpretation. Geheilt von kämpferischem Patriotismus lese ich Ewald Ch. von Kleist anders: nicht schwermütig in unserem heutigen Sinn, sondern die Worte von ungeheuerlichem Realismus.
…nichts, nichts als Thorheit wirst du sehn
Und Unglück. Ganze Länder fliehn,
Gejagt vom Feuermeer des Kriegs,
Vom bleichen Hunger und der Pest,
Des Kriegs Gesellen.
Konkret Geschichtliches kann detailgenau überall nachgelesen werden. Der Landschaft selbst ist an diesem Frühlingstag nirgends Bedrohliches abzugewinnen.
Ich schließe meinen Bericht mit dem Heinrich von Kleist zugeschriebenen
Gebet des Zoroaster
Gott, mein Vater im Himmel! Du hast dem
Menschen ein so freies, herrliches und üppiges Leben bestimmt.
Kräfte unendlicher Art, göttliche und thierische, spielen in seiner Brust zusammen, um ihn zum König der Erde zu machen. Gleichwohl, von unsichtbaren Geistern überwältigt, liegt er, auf verwundernswürdige und unbegreifliche Weise, in Ketten und Banden; das Höchste, von Irrthum geblendet, läßt er zur Seite liegen, und wandelt, wie mit Blindheit geschlagen, unter Jämmerlichkeiten und Nichtigkeiten umher. Ja, er gefällt sich in seinem Zustand; und wenn die Vorwelt nicht wäre und die göttlichen Lieder, die von ihr Kunde geben, so würden wir gar nicht mehr ahnden, von welchen Gipfeln, o Herr! der Mensch um sich schauen kann. …
Ungeordnete, kursiv ausgezeichnete Zitate nach Ewald Christian von Kleist, Ihn foltert Schwermut, weil er lebt,
Märkischer Dichtergarten, Buchverlag der Morgen, Berlin 1982; G. E. Lessing S. 288; Th. Abbt S. 285;
E. Ch. von Kleist, Zeilen aus dem Gedicht “Der Frühling”; “Cißides und Paches”, Zweiter Gesang S.144 sowie “Geburtslied”, S.97 und 98
*Der auch verwendete Name “Laudon-Berge” bezieht sich nur auf den Bereich der Stellung des österreichischen Oberbefehlshabers Gideon Ernst Freiherr von Laudon in der Schlacht bei Kunersdorf. Bezeichnend für die Erinnerungskultur nach dem genealogischen Prinzip des Adels und der Vorstellung von militärischem Heldentum jenseits von Freund und Feind: auch E. Ch. von Kleist wurde zuletzt von einem Hauptmann der russischen Cavallerie aufgefunden, als preußischer Offizier versorgt und von der eigentlich feindlichen, russischen Garnison in Frankfurt/O ehrenvoll begraben.
3. Februar 2019 im Nationalpark Unteres Odertal zwischen Criewen und Criewen.
Wie sieht es denn im Polder aus? Ein Winter-Highlight unter Führung von Eckhard Knauer, WSV Rotation Berlin
Nur für Vögel
Das Begehen des Unteren Odertales ist abhängig von Wasser und Eis. Es könnte möglich sein. Die Polder wurden in diesem Jahr wegen der großen Trockenheit nicht mal geflutet.
Ab Criewen erst einmal Richtung Polen einige Versuche durch Wasser. Das ist das Faszinierende an der Oder: ehe der Fluss zu sehen ist, gibt es immer riesige Wasserflächen so weit der Blick reicht.
In diesem Jahr haben Fließe, Rinnen, Ströme und Seen, die alle ihre eigenen Namen haben und dennoch irgendwie zur Oder gehören, kein Eis, höchstens eine weiche, schneeige Oberfläche. Schneewasser steht auf den Wegen. Leise plätschert das Wasser meterbreit von einer Überschwemmungsfläche zur andern.
Auf dem Deich Richtung Stützkow
Je nach Qualität der Schuhe nun mit nassen, halbnassen, zehnassen oder gar nicht nassen Füssen geht es mehrfach rückwärts, schließlich notwendig weiter auf dem Deich Richtung Stützkow. Grenzübertritt nach Polen: leider gestrichen.
Das Odertal mit der schiffbaren alten Oder und dann kanalisiert auf deutscher Seite und der Strom-Oder auf polnischer Seite, das ist mit Dämmen, Deichen, Pumpwerken, Sperrwerken eine riesige Kulturlandschaft. Dennoch eigenwillig wild – auch ohne eines der schrecklichen Hochwasser.
Eintönig und zäh sich ziehend empfinde ich Deiche im Sommer. Im Winter hat der sonst grüne Blick in die wirre Natur wunderbare Struktur. Nicht nur die gebauten Wege und Wasserstraßen, alles fügt sich zu wahrscheinlich sogar mathematisch berechenbaren Kurven, Linien, Fraktalen.
Die stillen Oberflächen lassen die plötzlichen Tiefen ahnen. Uferlose Ränder. Vom Wasser umspülte Bauminseln, ringsum ist es grundlos.
Ein Schal von Schnee umschlingt die grauen Flächen. Dieses Weiß verleiht der weiten Landschaft die ganz besondere grafische Qualität, vollkommen wie ein Jugendstilornament.
Die Überraschung
An der Brücke Stützkow eine sperrige “Unterhaltungsmaßnahme” zur Unterhaltung von Touristen und Wanderern: chancenlos sogar der einfallsreichste Wanderleiter der Welt – wir schaffen das nicht…
Es gibt nur wieder den Damm als Rückweg nach Criewen. Nachdenken sollte man über Deutschland hier lieber nicht. Wenigstens soll 2021 in Höhe Wriezen (Bienenwerder) die ehemalige Eisenbahnbrücke Berlin-Jädickendorf (Godkow) für den Oder-Neisse-Radweg geöffnet werden. Das schaffte eine polnische Initiative, nicht wir.
Ein letzter Blick Richtung Grenzfluss und Polen. Zur Ergänzung der nun fehlenden Wanderkilometer ein Schlossparkrundgang in Criewen: knapp 14 km geschafft.
16.01. 2019, 15 km mit Eckhard Knauer, WSV Rotation Berlin. Ab Melchow zum Großen Samithsee, an seinem nordöstlichem Ufer entlang und Richtung Nord zum Walpurgisbruch, am ehemaligen Flugplatz entlang gehangelt bis Finow
Trügerisch still: die Wege zu den Stillgewässern
Östlich von Melchow verlaufen die gewöhnlich gewählten Wanderrouten Richtung Nonnenfließ, Spechthausen, Schwärze, Eberswalde. Wir gehen westlich der Bahnlinie.
Der offizielle Wanderweg aus Richtung Biesenthal – gelber Strich auf weißem Grund – ist hier mehr oder weniger ein ziemlich gerader Forstweg. Eigentlich für Radler.
Dabei ist dieses Waldgebiet wie gemacht zum Streunen: eine Hügelkuppe an der anderen. Ideal für kleine Menschen mit kurzen Beinen. Verspielen die Minimenschen sich nun nicht zwischen den Minibergen, sind es keine 5 km zum Kleinen und Großen Samithsee.
Ein einzelnes Reh taucht ab. Vielleicht in den Grusegrund – mitten im Wald ist topographisch selten alles genau zu bezeichnen. Wir gehen gesittet, wenn auch nicht ganz nach der öden Markierungsstrecke und dankbar mit Führung, denn: ungewollt sind wir umzingelt. In allen Richtungen Autos wo keine Autos sein dürften. In Brandenburg ist Jagdsaison. Ein einzelner Schuss. Keine Täuschung.
Vom Ansitz wildes Winken. Es tönt unfreundlich: „…verschwindet – wir sind auf Pirsch…“ Hä? Weit und breit kein Hinweis. Wir sitzen nur wenige Meter entfernt vom asphaltierten Querweg und den überwachsenen Gleisen einer militärischen Anschlussbahn zum Flugplatz Eberswalde-Finow.
Sowieso möchten wir aber weiter. Am Luch sitzt bereits wieder fest genagelt eine orangene Jacke.
Der Große Samithsee
Das Naturschutzgebiet Samithsee ist ganz im Wald gelegen. Erlen, Birken, Kiefern-Buchenwald: ein breites, wildes und reich strukturiertes Luch mit Feuchtwiesen, Feuchtwäldern und Fließen hindert näheres Betrachten. Nichts gefrostet, um darüber zu schlittern – also bricht auch niemand ungewollt ein ;)) bis wir den See erreichen.
Die Ufer an der Nordostseite sind teilweise steil. Von hier gelingt aber der Blick auf den See. Die Artenvielfalt von Fauna und Flora bleibt zu dieser Jahreszeit ein Geheimnis. Nur der Biber lässt grüßen und hält wohl gerade ein Mittagsschläfchen.
Kunstraum Baum
Das Walpurgisbruch
Auf drei meiner Karten ist das Walpurgisbruch nicht bezeichnet, schlicht zu klein. Also bin ich hier doch noch nie herum geirrt nach einem gangbaren Weg.
Die im Internet als verwunschen angeprieseneTeichlandschaft ist zwar still, aber zu wenig ursprünglich wirkende Natur, um zu begeistern. Alles relativ junger Bewuchs. Die Photovoltaikanlage auf dem ehemaligen Militärstandort schimmert durch die Bäume.
Ein kurzes Picknick, dann über kleine Abgründe einer erst halb von der Natur zurück eroberten Müllkippe, quer durch wahrscheinlich das einst ganz natürliche Walpurgisbruch am ehemaligen Flugplatz Eberswalde-Finow vorbei. Wir gehen (deswegen gehen wir hier mit) einen kaum gangbaren Pfad.
Mensch und Natur
Der Mensch stellt zu allen Zeiten den größten Einflussfaktor auf unsere Umwelt dar, auch wenn irgendwann das Gras darüber gewachsen ist. Die Erde vergisst nicht.
Wir landen am Sammelplatz der Jagd. Da liegt die Beute des einzig abgegebenen Schusses auf dem Bett von Brüchen. Wahrscheinlich war der Hund sogar besser als der Jäger. Brauchtum mit Jagd- und Parforcehorn, Hut vor dem Herzen. Als Unbeteiligte (wenn ich von meiner eventuellen Mitschuld als Teil einer verhindernden Wandergruppe absehe – oder waren wir vielleicht sogar die einzig erfolgreichen Treiber???) bezweifle ich, dass diese Beute stolz machen kann. Ein einziges Schmalreh, kein Stück Schwarzwild. Auch die Wölfe sollen Schuld haben.
Na gut, damit hat die freundlich Auskunft gebende Männergesellschaft teilweise Recht: Wanderer würden sich nicht an Warn- und Schutzschilder halten. Zumindest nicht die, die einmal drin sind im Gebiet, die müssen auch durch. Aber: Kommt nicht der Gedanke, es könnte nicht mehr genügend Rehwild geben in diesem kleinräumigen Revier? Die jungen Buchen, die zur Leibspeise des Rehwilds gehören, stehen prächtig im roten Laub.
Das Schwarzwild allerdings – verwandt mit unserem intelligenten Hausschwein – hat sich wohl schlauer als “fuffzehn Mann, jeder auf seiner Kiste” (frei nach Stevensons Schatzinsel) mit sichererem Instinkt in den riesigen Komplex von Feuchtbiotopen verzogen.
Meine Gedanken kreisen um die Ernährung der rasant wachsenden Menschheit, unseren Fleischkonsum. Eine Halbtagswanderung wie die heutige gehört mit mindestens drei Proviantpausen (ohne Beten – gib uns unser täglich Brot…) nicht in die Rubrik Fastenwanderung. Meine selten gestillte Vorliebe für Wild hat mit der offensichtlichen Seltenheit der Tiere des Waldes gelitten. Im Silicon Valley wurden bereits ein bis zwei Fastentage eingeführt: zum Ankurbeln des Gehirns. Und an diesem Samstag wird in Berlin demonstriert: Wir haben es satt! Der Agrarindustrie den Geldhahn abdrehn. Es gibt immer auch Infostände zum Überdenken der gängigen Argumente für die Jagd.
Samithsee und das Luch gehören zum NSG Finowtal, in das eine → ähnliche Wanderung führte.
Auf der Suche nach modernen Formen politischer Aktion
Wer Demokratie sagt, meint Partizipation. Das ganz nach individuellen Interessen ausgerichtete Partizipationsrepertoire in der heutigen Gesellschaft ist ins Uferlose geraten. Wirksam im Sinne einer Teilhabe sind von daher weniger Parteien (deren Bandbreite zwingt dazu, völlig unverdauliche Kröten mit zu schlucken) oder Vereine mit ewigkeitsgültigem Anspruch.
Wenn auch nicht Wandern, aber Bewegung ist angesagt – nicht unkritisch!
13. Januar 2019. Jährliches Gedenken an die am 15. Januar 1919 ermordeten Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dieses Gedenken stammt bereits aus der Zeit der Weimarer Republik von 1919 bis 1933.
Berlin Waldeckpark, ehemaliger Grenzstreifen, Fischerinsel, Petriplatz, Molkenmarkt, Parochialstraße, Voltairestraße, Strausberger Platz, Straße der Pariser Kommune, Frankfurter Tor: Sieben Kilometer im Regen auf der Suche nach den gelben Westen, in Gedanken an Rosa, an Menschen, die noch selbst die Weimarer Republik erlebt hatten und zuletzt den Knochenadler.
Bevor der kleine Trompeter sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite fällt: noch einmal viel, viel → ROT.
Berlin, 19. Januar 2019:
“Wir haben es satt!”
Der Agrarindustrie den Geldhahn abdrehen!
Aber JETZT! Turn! Turn! Turn! To everything there is a season: die andere Großdemonstration in Berlin am Samstag, 19. Januar 2019, zum Auftakt der Grünen Woche ab 11:45 Uhr am Brandenburger Tor