12.11.2017 von Bad Wilsnack über Hinzdorf nach Wittenberge,
mit Überquerungen der Karthane und auf dem Elbdeich entlang: 20km
Wandersportverein Rotation Berlin mit Eckhard Knauer
Nach dickem Haferflockenbrei am Morgen und mit einem Liter Smoothie aus Fenchel, Broccoli, Möhre, Apfel, Quark plus einer Tüte Erdnüsse werde ich das lukullische Wanderziel “Hinzdorfer Pfannkuchen” auslassen und Hinzdorf als Dorf entdecken.
Am Alex zu viel Zeit, um sinnlos zu warten, ich fahre zum Einsatzbahnhof. Der Zufall lässt mich anstelle einer Zuganzeige einen Wanderfreund entdecken: ich will es nicht glauben, aber es ist glaubhaft: andere Streckenführung. Noch einmal falsche elektronische Fahrpläne am Hauptbahnhof inklusive 10 Minuten nicht angesagter Zugverspätung: so bekommt die DB prächtig Ordnung ins permanente Chaos…
Die Fotos sind mit Klick zu vergrößern:
Vom Bahnhof Bad Wilsnack nicht Richtung Kristalltherme und nicht weiter zur Karthane im Wald, die dort mit ihrem unberechenbaren, eigentlich schnellen Wasser urig alles beherrscht: Wir biegen nördlich ab zur Brücke über die von der alten Wassermühle schon gezähmte Karthane. Durch die Felder führt ein von Eichen gesäumter Weg Richtung Wald. Die Silhouette von Dorf und Kirche dürfte zu Groß Lüben gehören, der Kirchturm also nicht zur berühmten Pilgerstätte Wunderblutkirche.
Die tief wurzelnden Eichen haben in den diesjährigen Herbststürmen riesige Mengen Bruchholz produziert. Wenn es die stärksten Äste betraf, musste wohl auch schon der ganze Baum weichen. Aber auffällig bleibt die Stieleiche des vorherrschenden, sogenannten Hartholzauwaldes und natürliches Vorkommen an diesen gelegentlich übeschwemmten und eingedeichten Standorten.
Am Waldrand entlang zur Eichen-Alleenstraße: es wäre auch durch den Wald gegangen, aber die Eierkuchen verlangen (mit Recht wie sich bei der Verköstigung von 26 Wanderern später herausstellt) geradewegs einen scharfen Schritt.
Die Auen werden hier von einem tristen Grabensystem entwässert, bevor es noch einmal über die Karthane geht. Der üppige Eichenwaldrand ist Kulisse, dahinter jüngerer, ungepflegter Kiefernforst.
Ein Naturschutzschild weist auf Reste der Auenbewaldung und das begradigte Bett der Karthane. Auf google maps sind die alten, sich olivgrün abhebenden Verzweigungen des Flusses noch deutlich zu erkennen. Aber geregelte Überschwemmung ist auf diesen kaum über dem Meeresboden liegenden, landwirtschaftlich seit jeher wichtigen Auen überlebensnotwendig.
Richtung Scharleuk geht es auf den Elbdamm. Wanderer sind gezwungen, zwischen bewaldeten Binnendünen auf der Elbchaussee zu laufen: Das Ufer ist fest im Griff von Privatbesitzern. Die Elbe blitzt an ein, zwei Stellen von der Ferne durch die Bäume, landeinwärts einige Viehweiden. Ab und zu führt ein Stichweg zum regelmäßig gezähnten Sandbankufer. Da nun liegen nicht die Häuslebesitzer oder nur das Gebüsch davor, sondern schon wieder mehlgewichtig die allgemein lockenden Hinzdorfer Pfannkuchen… in gewöhnlichem Deutsch: Eierkuchen, allerdings diverser Art.
Das einstige Sperrzonengebiet zwischen zwei deutschen Staaten und die Zwangsaussiedlungen haben in Hinzdorf hinterm Deich einige verwilderte Gehöfte hinterlassen. Etliche Ziegelbauten, darunter das Pfannkuchenhaus und eine nur sommers betriebene Bauerngarten-Gaststätte wurden und werden aktuell gerettet. Die blühenden Baumarktlandschaften ziehen hoffentlich nicht regionstypisch vespätet ein.
Unter manchem Grün versuchen sich kleine Müllplätze zu verstecken – angenehmer als ein betonierter Parkplatz, den es auch gibt fast in Dorfmitte. Immerhin wage ich trotz Rasen- und Holperwegen nirgends meine Erdnussschalen zu verstreuen. Auf einem beräumten Feld hinter einem Moos überwucherten, traditionellen Walmdachhaus ein Robinienwäldchen: die Gewöhnliche Robinie, die an solchen Orten so wie die Brennnessel unweigerlich an die Tragödien und Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts erinnert – unseres Jahrhunderts in nie gedachter Fortsetzung.
Mit spezieller Erlaubnis sehe ich in Hinzdorf endlich auch hautnah die Elbe, den größten Strom in dieser norddeutschen Tiefebene. Was für eine Weite, was für ein herrlich, still dahin fließender Strom! Was für eine Vielfalt unnachahmlich farbiger Grautöne zwischen Himmel und Wasser!
Ja, ich bin dankbar für dieses Erlebnis am Strom. Aber: Lieber Privatbesitzer und Steuerzahler für xxl-lange Meter, genehmigungspflichtiges, also eigentlich unbetretbares Elbufer: Dein Sand ist aus meiner geliebten sächsisch-böhmischen Schweiz hierher getragen worden! Was sind das für Zeiten, wo so etwas einfach käuflich ist? Gemeinnützigkeit jenseits von Geschäft: undenkbar. Die friedliche Revolution war anders gemeint.
Flussabwärts hinter Hinzdorf führt der Elbdeich weitab vom Fluss durch die Aue. Die viereckigen Vertiefungen vor oder hinter dem Deich sind alte Ton- und Lehmkuhlen, aus denen früher Material für den Deichbau oder für Ausbesserungen des Deiches gewonnen wurde. Langsam wachsen sie wieder zu. Der breite Strom ist nur als dünnes Band zu erkennen bis sich unter der Wittenberger Elbdeichbrücke Karthane und Stepenitz vereinen und ihr Wasser in die Elbe leiten.
Auf der Rückfahrt komme ich etwas geradliniger als bei der Hinfahrt nach Hause. Trotzdem kein Wunder, dass ein korrekter, ökologischer “Fußabdruck” für die meisten Menschen eine Zumutung bedeutet.