Mix:
WSV Rotation Berlin mit
E. Knauer
Rückweg Solo
ohne Knieperkohl mit häuslicher Pilzpfanne
noch in voller Montur am 2. Tag ohne Heizung bei “Deutsche Wohnen”
65+ Ticket
ab Mehringplatz kurz vor 8, ab Heiligengrabe 15:44 im Zauber der Abendsonne
20
So nah und doch zu fern
26. Borgsdorfer Nelke am 24./25. November 2017
Aus der Tür treten in den Regen im Wald – ich liebe es. In der Stadt ist Regen lästig. Dazu drei Kältetage im Beton, Winter für Winter nicht einmalig bei “Deutsche Wohnen”. Freitag abends erwärmt sich die Heizung – nicht im Bad: im Zimmer hängt die inzwischen stockende Wander-Wäsche. Die Nachtwanderung hat bereits begonnen. Warum der Drang danach so groß ist, weiß die Schlafforschung. Gegen das Schlafdefizit kämpft der Mensch an, indem er den Körper auf Hochtour bringt. Man ist dann überdreht, als hätte man zu viel Kaffee getrunken oder hätte 1 Promille Alkohol im Blut… Das könnt ich grad gebrauchen.
Samstagmorgen um 5:30: in Kreuzberg lockt trockenes Wetter zur “Borgsdorfer Nelke”. Trügerisch: ich drehe in strömendem Regen ab. Schienenersatzverkehr wohl auch, die Fahrzeiten würden sich der Laufzeit annähern…
Dann eben bis nächstes Jahr zur 27. Borgsdorfer Nelke!
BERGWALDPROJEKT vom 15. – 21.Oktober 2017 in der Sächsischen Schweiz
Die Autos vom Bergwaldprojekt müssen bereits am Sonntag wieder für den nächsten Einsatz bereit stehen. Alle Werkzeuge, Kanister, alle Küchenutensilien sind dafür ausgeklügelt passgerecht zu verpacken und zu laden. Die Hütte ist zu räumen und zu säubern. Das eigene Gepäck ist mehr anstelle weniger geworden (Pech gehabt und doch wieder hilfsbereites Glück von verschiedenen Seiten)…
Den Rückweg ab Grenzbaude nach Bad Schandau würde ich aber zeitlich zum Zug nicht schaffen.
Nebel im Elbtal
Also eine Fahrt mit dem Auto bis Dresden. Von den Berghöhen der Blick ins Elbtal. Aus dem Nebel ragen nur einzelne Bergkuppen. Im Auto Musik. Traumhaft entspannend, melancholisch mit Blick in den goldenen Oktober, inszeniert wie ein Kinofilm. Zum Heulen schön. Ich denke an eine Fahrt (auch etwas Schweiz dabei) mit der Musik der Krönungsmesse, an Autofahrten oder Nächte in Ateliers. Erinnerungen, die ohne Musik wie weggewischt wären.
Dresden Großer Garten 21.10.2017
In Dresden dann eine “Wanderung”, trotz des schweren Rucksacks eher ein Spaziergang, durch den Großen Garten. Anfangs einsam, erstaunlich leise.
Der Blick auf die Bäume und auf den Boden ist bereits selbstverständlich prüfend. Schon in einem Vorgarten in Strehlen, kurz vor Staudengärtnerei Jentsch und Bahntunnel (dahinter die Paluccaschule) entdecke ich einen Holunder in die typische Form von Kopfweiden geschnitten. Das ist ungewöhnlich.
Holunder im Vorgarten von Dresden-Strehlen
Im Großen Garten wachsen vor allem Eichen. Eichelhäher gieren nach ihrem Futter. Eichhörnchen spitzen die Ohren und verschwinden keckernd auf den Bäumen.
Dresden, Großer Garten, 21.10.2017
Die Krähen streichen über die Wiesen. Es ist Herbst, aber noch überwiegt hier mit weniger Buchen das Grün. Auf manchen Wiesen sind die bunten Blätter auch einfach nur geharkt – ein Parkangestellter veschwindet gerade im Gebüsch – mit Rechen, nicht mit Gebläse.
Großer Garten Dresden mit Eichen
Die Wege winden sich. Langsam komme ich im Jogging- Hochzeits- und Gartenalltag an. Im Nu sind 10 km gelaufen. Überall Park-Natur, die sogar in ungepflegten Ecken noch schön ist – mit der Bebauung hinter dem Stadion und je näher hin zum Hauptbahnhof desto mehr gruselt unsere menschengemachte Schäbigkeit.
Pusteblume, flieg…
Dresden Hauptbahnhof, Zug Richtung Berlin Hauptbahnhof
21. Oktober 2017, nach einer Woche ohne Strom und ohne Handy
BERGWALDPROJEKT zwischen persönlichem Bildungs- und Abenteuerurlaub
15. – 21. Oktober 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz
1. Im Felslabyrinth bei Langenhennersdorf.
2. Praktische Baumkunde täglich.
3. Der 20.10. im Naturschutzgebiet Pfaffenstein.
Im Felslabyrinth bei Langenhennersdorf
Felslabyrinth bei Langenhennersdorf
Pur Natur ohne sicherheitstechnische Einschränkungen (mehr Gefahren in der Sächsischen Schweiz → HIER) und ohne Besucherlenkung! Kriechen, Springen, Klettern und Verlaufen: perfektes, kostenloses Abenteuer für jedes sportliche Alter. Aber Eingang und Ausgang sind nur für Dünne! Die Freiheit des Abstürzens ist jedem selbst überlassen. Weder der Sachsenforst noch irgendein anderer übernehmen die Haftung – wohlweislich. Dafür ist es der unterhaltsamste, weiträumigste “Spielplatz”, den ich je gesehen habe.
Diese kleine Exkursion verdankten wir unserem Arbeitseinsatz in einer Schonung unterhalb der Felsen.
Felslabyrinth bei Langenhennersdorf
Praktische Baumkunde täglich, dieses Mal: die Überwallung
Überwallung eines Baumstubben
Mit meinen Worten: Die Fällung konnte dieser Baum nicht mehr rückgängig machen. Aber seine verzweifelten Botenstoffe erreichten den nahen Nachbarbaum, der die im gemeinsamen Wurzelsystem gespürte Verletzung wie eine eigene durch Überwallung zu heilen versuchte. Erst als ca. zwei Jahre später auch dieser Nachbarbaum gefällt wurde, stoppte die Überwallung. Der Wulst hat sich nicht mehr schließen können wie es im Fall einer Verletzung am Stamm eines noch lebenden Baumes manchmal zu sehen ist.
Überwallung, vorn links der Stubben des später gefällten Baumes
Nachzulesen ist zu den Bäumen des Waldes viel in den Bestsellern von Förster Peter Wohlleben. Sehr genau wird das Phänomen in der pdf-Datei Überwallung von Stubben beschrieben. Aber fürs ganze Leben gräbt sich nur unser Tastsinn, unser eigenes Augenerlebnis und eine unmittelbar vom Wald inspirierte Erklärung in das Gehirn ein. Danke an Andreas und verspätet auch an Henning: bei solchen Beobachtungen ist die besondere Einfühlung im Umgang mit Kindern sofort zu bemerken.
Eine Empfehlung nicht nur an alle Nawi-Lehrer: das Bergwaldprojekt bietet auch Wochen mit sehr naturnaher Betreuung der eigenen Kinder! Und keine Angst, ich weiß vom Schulstress insbesondere in Berlin: trotz der Waldarbeit ist kräftigende Erholung für Körper und Geist garantiert!
Am 20.10. im Naturschutzgebiet Pfaffenstein
Barbarine
Solitäre Sandsteinformation “Pfaffenstein” (auch Jungfernstein genannt; mit 32 einzelnen Gipfeln) mit Blick auf die Felsnadel “Barbarine”.
Mit dem Bergwaldprojekt am 20.10.2017 auf dem Pfaffenstein
Ein halber letzter Tag ist in jedem Bergwaldprojekt vorgesehen für eine Exkursion unter forstfachlicher Führung in das Einsatzgebiet.
Pfaffenstein 20.10.2017
Für alle, die den 20.10. als besonderen Tag kennen, der letzte in diesem Bergwaldprojekt: es war ein ganz seltener, traumhaft schöner, goldener Herbsttag!
Am Abend ganz unerwartet beim Zu-Zeltbett-gehen auch wieder ein Sternenhimmel wie in den ersten drei Nächten. “Mein” Sternenhimmel, klar und leuchtend wie in einem Planetarium, aber hier sind die Nacht und die kalte Weite des Himmels unmittelbar zu spüren. Ich wage es, Stefan noch einmal aus seinem Schlafsack zu locken. DAS eine schönste Bild für mich entsteht. In Sekundenschnelle ziehen Schleier über den Himmel, immer mehr: die letzte Nacht im Wald verhüllt neblig und dann dunkel.
BERGWALDPROJEKT
15. – 21. Oktober 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz
Schocktherapie für Fleischesser?
Achtung: das Bergwaldprojekt ernährt seine Teilnehmer vegetarisch (Käse und Milch erlaubt) bis vegan!
Hirsch
Was für ein Stilleben! Das ist quasi holländische Malerei des 17. Jahrhunderts: der Tierkadaver als Vanitas-Motiv (gedenke der Sterblichkeit allen irdischen Lebens). Ich denke an die Billig-Fleischtheken unserer Supermärkte: ohne Ehrfurcht; Schlachten und schlachten – was für ein Unterschied kann das sein!
Und ein Blick hinter die Kulissen – die drei (plus Hirsch, zwei Rehe, mehr nicht!) Borstentierfleischpakete sahen einfach nur SEHR gesund aus. Und noch dezimiert der Wolf nicht das Wild in diesen Sachsenforsten. Die Entnahme geschieht gezielt zum Erhalt des Waldes – versuche ich zu glauben…
Wildschwein
Hier bei der Jagdgenossenschaft wird täglich das Trink- und Kochwasser geholt: etliche sau-schwere (nomen est omen / vorstellbar, auch wenn das Schwein auf dem Bild ein Eber ist) Kanister; das Abwasser wird später in einem Tank gesammelt.
Das Bergwaldprojekt stellt für jeden Einsatz eine Köchin/einen Koch bereit. Trotz Ankündigung bedeutet eine Woche vegetarisch essen für manche Teilnehmer einen Schock. Der vergeht. Um den exquisiten Luxusvegetarier-Speiseplan während dieses Bergwaldprojektes exakt aufzuzeichnen, würde ich Nachhilfe brauchen. Stets alles farblich und geschmacklich aufs Feinste abgestimmt… der speisen-zaubernde Edoardo*** ist allerdings auch im richtigen Leben Komponist…
1. Raffinierter Blattsalat, Oliven dazwischen; Bulgur und Linsen (syrisch); als Nachspeise???
2. Bunter Gemüsesalat; grüner, runder Kürbis + Käse in Reis; Schokoladenpudding
3. Leuchtend hellgrüner Hütchenblumenkohl (Romanesco), Fenchelgemüse, Gemüse-Couscous; Eierkuchen mit Apfelmus, sattdunkle Schokosoße mit Zitrone abgeschmeckt
4. Salat; rote Linsen und Reis, dunkelorange gebackene Kürbisscheiben; weiße, leckerste Schlabberkonsistenz?
5. Salat; dunkle, dicke Gemüsesuppe; Birne mit Schokolade überzogen
6. mein Gott, das war soooo lecker wie ein Geschenk des Himmels zum 20.10.
Mittags wird auf offenem Feuer eine Suppe gerührt.
Um Irrtümern vorzubeugen: zum Abnehmen ist ein Bergwaldprojekt NICHT geeignet. Die Arbeit macht hungrig. Im besten Fall wandelt sich einiges Fett in schwereres Muskelfleisch um.
Und bei obiger, abendlicher Speisekarte mit dem mehrgängigen Überraschungseffekt isst jeder sowieso mehr als gewöhnlich…
Zu erfahren war in diesem BERGWALDPROJEKT (→ Fortsetzung) darüber hinaus alles über Bienen, einschließlich Honig und – mit überzeugender Verkostung wohlweislich am letzten Abend – über den hochprozentigen, seltenen Honigschnaps. Nun genieße ich und heile mich seit Sonntag auch hier in Berlin jeden Morgen mit diesem Sommersonnenprodukt. Honig, nicht Schnaps!!!
Fast wie Wandern und sehr abseits BERGWALDPROJEKT vom 15. – 21.Oktober 2017
Verschiedene Einsatzorte im Staatsbetrieb Sachsenforst, Sächsische Schweiz, Forstbezirk Neustadt
Bergwaldprojekt 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz, Unterkunft in eigenem Zelt oder der Grenzbaude
Versteckt im Wald, in Nähe der tschechischen Grenze gelegen, ist es nicht leicht, eine solche Unterkunft zu finden. Insgesamt vier Bauden haben im Sommer geöffnet: “unsere” Grenzbaude, die minikleine Haselmausbaude, Willys Ruh und die Rotsteinhütte. Tickets für die Übernachtung müssen im Vorfeld gekauft werden. Ein Arbeitsauftrag für unser Bergwaldprojekt heißt, diese Bauden in winterfesten Zustand zu bringen.
Bergwaldprojekt 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz, Sense
Bei den anderen Arbeiten unmittelbar im oder am Wald kommt die Buschsense relativ oft zum Einsatz. Der Bewuchs ist sowohl in den Aufforstungen als auch beim Mähen von Wanderwegen oft flächendeckend.
Bergwaldprojekt 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz, Freischneiden mit Gertel oder wie hier mit Sichel
Gertel sind spezielle Handsicheln zur Jungwuchspflege und zum Aushauen von Niedrigwuchs.
Versteckt zwischen Brombeerranken und wucherndem Kraut müssen die gepflanzten Eichen oder Weißtannen vorsichtig freigeschnitten werden.
Unser Eingang zur verwilderten SchonungGeschützt sind die Pflanzungen ringsum von Drahtzäunen. Was das Wild nicht fressen darf, sollte erst recht nicht ein Sichelhieb beschädigen. “Alles zu Leichen außer Eichen” posaunt ein Berliner Nachtclubkünstler…
Bergwaldprojekt 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz, Freischneiden von jungen Eichen
Das Freischneiden der einheimischen Eichen oder Weißtannen hat zumindest den Vorteil der unverkennbaren Baumarten. Schwieriger fällt die Unterscheidung des Jungwuchses von Hartriegel, Holunder, Hasel, Weißdorn, Esche, Wildapfel und Heckenrose inmitten von überwuchernden Pflanzen. Herbstlich gefärbt oder ganz entlaubt, verliert selbst die Traubenkirsche manchmal ihre Eindeutigkeit. Ihren Baumstamm zeichnen weiße Punkte aus. Den Kampf gegen die Traubenkirsche als Neophyt hat sie auf manchen Waldflächen aber bereits gewonnen.
Bergwaldprojekt 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz, Einsatz der Baumschere
Wenn der Baum in der Schere quietscht, war er zu dick. Zur Schonung des Werkzeuges kommt die Handsäge zum Einsatz. Gegen die rigorose Entnahme von jungen Buchen und Fichten für gleichmäßig bis zu 2 Meter breite Wanderwege und gleichzeitig Rückewege, sträubt sich mehrfach mein Wanderherz. Diese Wege sollen in 10 Jahren noch begehbar sein. Disziplinierung der Natur, Ordnung und Sauberkeit in den Wäldern – doch ambitionierte Wanderer mögen es wild. Aber: siehe weiter unten…
Überraschender Ausblick
Unsere Arbeitsorte liegen weit auseinander. Eintönige Forstwege dominieren linkselbisch. Die von uns frei geschnittenen Wanderwege geben dann aber auch beeindruckende Ausblicke frei, führen von sandigen Höhen in satte, feuchte Schluchten.
Bergwaldprojekt 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz, Mittagessen vom offenen Feuer
Für die am späten Mittag heiß ersehnte, tägliche Suppe auf offenem Feuer gehört durchaus Erfahrung beim Feuermachen, Erhalt des Feuers, Erwärmen ohne anzubrennen, beim Löschen der Glut.
Für Feuerstarter aus Magnesium und mit Metallschaber reicht die Geduld hungriger Bergwaldarbeiter nicht: Ich werde üben mit jetzt meinem kleinen, unerwarteten und Funken sprühenden Geschenk.
??? Wer die Wahl hat… sollte sich hier besser nicht quälen…Erstes Begehen des neu gehauenen Stichweges zur Grenzbaude, schmal und stellenweise steil. Im Farn stecken eigentlich die Wildschweine. Den Maggigeruch, den sie ausströmen sollen, rieche ich nicht. Als Gruppe mit schwerem Schritt finden wir nur noch ihre schwarzen, zusammengebackenen Kotbeeren.
Eine einsame Wanderin sucht nervös nach einem Nachtlager in einer Baude. Mittags erst loszuwandern in diese Wälder der langen Betonwege ohne Ziel und Aussicht, ist ab Herbst nicht ratsam. Kraftlos hetzt und kraucht sie eine Miniserpentine hoch, die ich gerade als sinnlosen Umweg für das Freischneiden verworfen hatte. Manchmal scheint die verinnerlichte Lebensweisheit aus dem Kinderbuch vom kleinen Zweifuß nicht zu gelten: “Wenn Du ein Pferd haben willst, musst Du denken wie ein Pferd.” Wanderer denken offensichtlich unterschiedlicher als Pferde (siehe weiter oben ↑).
Reinhardtsdorf Sandsteinskulptur
Eine für das Bergwaldprojekt ungewöhnliche Arbeit erwartet uns neben einer verwachsenen Heckenpflanzung. Nach dem Freischneiden der Büsche – nach drei Tagen können wir sie auch schon unterscheiden – geht es um die Pflege eines weiträumigen Ensembles aus Reinhardtsdorfer Sandstein, das die Bildhauerinnen Marguerite Blume-Cárdenas, Ursula Güttsches und Sigrid Herdam gemeinsam mit einheimischen, tschechischen und polnischen Jugendlichen zwischen 2005 und 2007 geschaffen haben: ein phantasievolles Märchen auf der Wiese neben einem Kneipp-Becken und nun schon von Quecken und Moos überwachsen.
Reinhardtsdorf, Kneipp-Badestelle
Oben: die Arbeitsstelle bei Reinhardtsdorf in gesäubertem Zustand und die beste FKK-Badestelle der Welt nach 3 Katzenwaschtagen unter einem Regenwassertank: Kneipp-Becken mit weichem, glasklarem Wasser. Zwar war an der Grenzbaude bereits eine “Walddusche” gebaut worden: Vorhang mit Waschgelegenheit in viereckiger Plasteschüssel (genannt “Wanne”) – dieses hier direkt unter der Sonne ist luxuriös.
Bergwaldprojekt 2017 im Sachsenforst, morgens und abends EinheizenSo war also der Tagesablauf: Wecken 6:00 Uhr; Tapp Tapp Tapp mit Stirnlampe in den Wald zum Herzhäuschen, Waschen am Brauchwasser-Tank. 6:30 frühstücken und Abwasch – langsam wird es hell; 7:30 Aufbruch zu Wegeunterhalt und Waldpflege (dieses Mal keine Pflanzung, anderes hat Vorrang). Am späten Nachmittag Rückkehr zur Hütte – ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Holz gehackt für den Ofen: was für eine befriedigende Arbeit!!! Die Stirnlampen gehen an, das Feuer wird geschürt; Katzenwasch, Abendessen, Abwasch, gemeinsame Abendgestaltung – Bildung und Unterhaltung.
Bergwaldprojekt 2017 Sächsische Schweiz. Auch wenn es wie abends aussieht: das ist Frühstückszubereitung
Nicht nur die Abende bei Kerzenlicht und Feuerschein waren ein unvergessliches Erlebnis. Es hat einfach alles wunderbar gepasst. Das dürfte mit echten Menschen selten sein jenseits von Unterhaltungsshows im TV-Container und über alle Generationsgrenzen hinweg. Das dritte Mal bei einem Bergwaldprojekt (→ Fortsetzung) weiß ich, dass das immer so erlebt wird. Hier, unter sehr unüblichen Bedingungen war es etwas ganz Besonderes.
Soooo viele Danke an das auf 11 geschmolzene Team, an das ausgeprägt musikalische Bergwaldpersonal und die einfühlsame, humorvolle Leitung!
Von Bad Schandau nach Kleingießhübel Forstmühle zum BERGWALDPROJEKT
15. – 21. Oktober 2017 im Sachsenforst Sächsische Schweiz
Elbe bei Bad Schandau
Von Bad Schandau linkselbisch (von der Fließrichtung aus gesehen) erst einmal Straße Richtung Krippen, später rechts durch einen Fußgängertunnel. Im Bergwald verläuft ein Weg parallel zu Ort und Elbe bis…
Unverhofftes Ende eines echten Weges oberhalb von Krippen
…bis der Weg einfach in Gestrüpp und merkwürdigen Anpflanzungen endet: eine Barrikade von denen, die in Hanglage nicht gestört sein wollen. Ich ziehe mich jappsend von Baum zu Baum einen 90′ Berghang hoch. Hier geht es parallel weiter.
Mutige Entscheidung in die richtige Richtung
Den ganzen Weg entlang versperrt im Hintergrund eine Felswand die Luftlinie meiner eigentlichen Richtung. Endlich biegt rechtwinklig etwas Gangbares ab. Ich wage mich in den dunklen, tief liegenden Pfad. Das könnte schief gehen; so nah am Einstiegsort hatte ich noch nicht mit Orientierungsproblemen gerechnet.
Felswand mit Nisthöhle irgendwo
Na prima: vor mir die Felswand. Zwei, drei Meter stehe ich davor. Aus dem Fels fliegt tief schwebend ein großer, braunweiß gefiederter Eulenvogel direkt an mir vorbei ins dunkle Dickicht. So nah, dass ich die Flügelspannweite nicht abschätzen kann. Wie bei den Hirschen in der Glücksburger Heide: der Überraschungseffekt ist zu groß, um etwas Genaues zum Bestimmen zu registrieren. Nein, ein Flattern war nicht zu hören. Nach links knickt aber die Wand ab, es gibt eine Spalte ins Helle.
Das Glück: ein offizieller Weg
Dahinter lande ich auf echtem Wanderweg (TK14 TK17 TK19) und Rundweg Richtung Kellerfels.
Beunruhigend rund…
Waldrand und Dorf in Sicht
Dann doch ein Waldrand mit Abzweig wieder in meine Richtung. Die Erde ist auch hier draußen trocken – zum Glück. Die Bauern nämlich überpflügen wie die in Brandenburg alle Wege. Die beiden Solitär-Berge könnten lt. Karte Papststein und dahinter der Gohrisch sein. Aber das Dorf?
Pferd bedeutet Menschennähe
Die Häuser sind wie ausgestorben. Ich klopfe an ein Fenster. Zu spät die Geräusche. Das war eine Störung in der Stille eines beonderen Örtchens. Trotzdem: der Mann erbarmt sich nach dem erbetenen Wartemoment: “Kleinhennersdorf”. Na gut, das war ein Umweg.
Abwärts am Bach und sogar ein Kajak unterm Dach
Richtung Koppelsdorf am Bach entlang. Ein Kajak unterm Dach weckt Sympathien zu diesen Bergbewohnern. Ich grübele über die Möglichkeiten von echtem Wildwasser. Man scheint seit Generationen die Sintflut berechnet zu haben: das Haus liegt hoch am Hang.
Der Bach am Malerweg
Ein Schild “Malerweg”: mit dem hatte ich nicht gerechnet. Ein einsamer Wanderer kommt mir entgegen – es bleibt der einzige auf meinem Weg.
Aussicht
Hier hoch hatte ich von Kleinhennersdorf abkürzen wollen. Das wäre aber lt. Aussage des Einheimischen wegelos gewesen. Noch weniger bin ich auf Stierkampf aus…
Noch schönere Aussicht
Es gibt ab Koppelsdorf nur Straße. Vom Berg aus am Horizont wieder ganz charakteristische Felsgruppen. Ein torartiger Elbedurchbruch? Um die Karte zu studieren, ist der Zeitdruck zu groß. Später: die Schrammsteine! Links der einzeln stehende Falkenstein.
Goldener Oktober 2017
Die Straße teilt sich, ein Auto fährt nach rechts. Der Wegweiser zielt nur geradeaus auf ERNA, das Ferienlager mit stetem Namenswechsel je nach politischem System. ERNA und drei allein stehende Wohnhäuser erweisen sich als weiträumige Mausefalle ohne zweiten Ausgang.
Quer drüber der Weg
Umwegig kreisend also zum Abstieg Richtung Rölligmühle. Immerhin ein Weg wie der Wanderer ihn sich hier in den Bergen wünscht: steil und steinig, verwurzelt, nur pfadbreit. Ein Bach ist zu überqueren.
Noch ist der Weg unter dem Laub zu erkennenAn der RölligmühleHoffnungslos nicht mehr erreichbar
Angekommen in Kleingießhübel nehme ich nun nicht mehr Karte oder Bergwaldanschreiben aus dem Rucksack. Ich biege unsicher zum Dorf ab. Einige Gehirnzellen senden Alarm: Forstmühle Forstmühle. Zurück und rechts hoch. An der Forstmühle stehen Kurort-Touris. Der Bus muss gleich kommen. Aus welcher Richtung weiß niemand. Ein Bergwald-Auto ist nicht zu sehen. Also weiter zur Wendeschleife. Die Straße schleift und schleift. Kurz vor Parkplatz am Oberen Buchweg (der müsste irgendwie Richtung Grenzbaude gehen) steigt jemand mit Rucksack aus dem Auto. Hechel, hechel: ich ahne, das ist der letzte Mensch in Richtung Nirgendwo. Die Rettung schreitet forsch auf mich zu: “Bergwaldprojekt? Stefan.” Mit dem bin ich sicher, das ist zu spüren. Also wieder zurück, um den unendlich schnurgeraden Forstweg bis zur Grenzbaude ab Forstmühle fahren zu dürfen…
Den Baum oben fotografierte ich im Sommer 2017 an der Moorigen Tschumi bei Lübbenau, lange vor dem Sturm Xavier vom 5. Oktober.
Manchmal denke ich in Gleichnissen. So wie vor vielen Jahren bei bestem Wetter, ohne Wind, urplötzlich wenige Meter vor mir ein riesiger Kastanienbaum unterhalb der Mauer des Krakauer Wawels auf den Weg knallte, so ist manchmal auch unser Leben.
Mehr als 20.000 Bäume soll Xavier am 5. Oktober in Brandenburg beschädigt oder umgeworfen haben. Die größten Verwüstungen wurden zwischen Altruppin, Belzig, Rathenow und Lübben festgestellt. Ein zweiter Sturm fegte am 12. Oktober über Berlin und Brandenburg. Die Landesforstbetriebe warnen vor dem Betreten der Wälder. Wie viel Arbeit gibt es jetzt hier!
Nun aber vom 15.10. – 21.10.2017 das BERGWALDPROJEKT in der Sächsischen Schweiz. Nach 2x Freiwilligenarbeit im Nationalpark Harz wollte ich in den Wäldern des Staatsbetriebes Sachsenforst beim Entstehen stabiler Bergmischwälder helfen. Geplantes scheint unserer Zeit nicht mehr angemessen. Wir rennen den globalen Katastrophen hinterher.
Was für ein Oktober 2017!
28.10. morgens 4:30 Uhr. Heute war eine Wanderung angesagt. Ich belasse es in diesem Monat beim Bergwaldprojekt: nur nicht im rasenden Veranstaltungsalltag ankommen. Nirgends ankommen. Nichts wollen, nichts behaupten zu wissen, nichts verteidigen, nichts glauben. Keine Gewissheiten.
Vor meinem Fenster biegen sich bereits wieder die Bäume in aufkommendem Sturm.
In den Emails dringende Bürgeraufrufe gegen Glyphosat. Gesundheitsnotstand wegen Drogenproblematik in den USA. Giftigkeiten im ganz Kleinen und im Großen.
Die Air-Berlin-Arbeitslosen, nicht nur die… Leben angeblich auf hohem Niveau. Die tägliche Existenzangst bemisst sich anders.
Katalonien (auch zum Wandern) unter Zwangsverwaltung. Separatisten. Keine Chance auf Anerkennung. Ich schaue in das Gesicht von EU-Ratspräsident Tusk, Bildquelle Reuters, das 12 Sternebanner im Hintergrund (soll ich den Screenshot etwa hier dazwischen packen?). Als die Flüchtlingswelle Willkommenskultur herausforderte, mussten europäische Sinti und Roma aus unserem deutschen Mitteleuropa verschwinden. Großbritannien. Tschechien. Polen. Ungarn. Die Kurden, hier bei uns und anderswo. Pegida. AfD. Volksentscheide. Schon diese nahtlose Aufzählung ruft Empörung hervor. Alle wissen alles genau. Und das ist nur das Wenige, was uns ganz unmittelbar zu kurzen Wandergesprächen mit allwissend tuendem Halbwissen verleitet.
Was muss man wissen? Warum soll ich dies und jenes wissen oder nicht wissen. Googeln???
Pierrot – ich habe das Lachen verlernt.
Das Wandern, das Wandern, das Wah haha wahn dern…, mein purer Wanderwahn hat gerade gelitten.
Vor einigen Jahren nun schon aufgerüstet im Sinne der Outdoorindustrie, aber dann doch nie genutzt: für mich einen Hauch zu outdoor-touristisch gestylt. Ich würde lieber nach Bärenjagd aussehen. Das ist mit diesem Rucksack nicht hinzukriegen. Ja, man sieht sofort: ach, die trägt Osprey – gute Marke.
Für Kleinteile am Hüftgurt Täschchen – aber am Körper sind Kleinteile besser aufgehoben. Wer nicht gern die Trinkblase benutzt, hat ein Problem. Um Flaschen nicht zu verlieren, müssen die zu niedrigen Seitenfächer aus Stretch immer fest verzurrt sein, also nix, um schnell seitlich zu greifen.
Im Inneren: Solo-Zelt von Gelert, 3/4 Luftmatratze von Quechua, Uralt-Sommerschlafsack von Aldi, Hobo und das übliche Pipapo. So ist das meiner Körpergröße angemessen. Für Mehrtageswanderungen bei einem Fassungsvermögen von nur 38 Litern aber immer einen Hauch zu klein. Egal, muss nun reichen bis zum Sarg…
Russischer Rucksack, Werbellinsee, Winter 2016 – pseudomilitärisch, irgendwann polnische Ostsee – geschenkter Rucksack, Bad Belzig, Sommer 2017
1. russischer Rucksack mit Geschichte und Geschichten / 1983, ohne Komfort. Das Außengestell empfinde ich höchst praktisch beim Auf- und Absetzen. Freilich, die Träger haben keinerlei Polster. Das müssen die Schultern aushalten können…
Ein bisschen erinnert mich das Tragen immer an die Kiepen der böhmischen Glasmacher oder der Harzer Kräuterweiblein oder überhaupt an die einstigen Tragekörbe der Frauen vom Land.
Und was assoziiere ich mit dem russischen Label “Ермак” (deutsch Ermak, gesprochen Jermak)? Geschlepptes Gepäck eines Malers; einen Ort in den Weiten von Kasachstan – natürlich am Horizont die Berge. Ermak war aber auch einer der ersten Eisbrecher, 1898 in Newcastle (England) nach Plänen eines russischen Admirals gebaut und vom Stapel gelaufen. Das Schiff wurde nach Jermak, einem russischen Entdecker, Kosaken-Ataman und Eroberer Sibiriens, benannt.
2. kleiner, billiger Tagesrucksack aus dem Armyshop; länger als ein Jahr hielt er nicht, konnte aber immer nachgekauft werden. Damit ist es aus, 2017 ➔ neuer Rucksack
3. geschenkter und viel geschleppter Allround-Rucksack Adventure 40L von Eye Mountaineer – nichts Unnötiges dran. Gerade als ich jetzt im Herbst 2017 die Schnüre erneuern wollte, ging mir der Reißverschluss der großen Vordertasche kaputt (echt überfordert die Tasche…). Nun gebe ich auf. Ich liebte ihn. Ein bescheidener Alleskönner.
In Erinnerung an die Naturaliensammlung der Heidecksburg Rudolstadt: Sammelleidenschaft seit meiner Kindheit
Landschaft zum Wandern: Keilhau in Thüringen. 6 km bis Rudolstadt, 8 km bis zum Barockschloss Heidecksburg, hin und zurück also 16. Eine Selbstverständlichkeit in den fünfziger/sechziger Jahren in der DDR. Von damals blieb die Erinnerung an die Naturaliensammlung der Heidecksburg, jenseits von steril-museal designter und belehrender Übersichtlichkeit, geschweige denn medialer Zweidimensionalität mit Klick oder Touch.
Vage erinnere mich an noch zwei oder drei ähnliche Wunderkammern oder Naturalienkabinette. Die Orte habe ich vergessen. Vielleicht waren es auch nur “Wundervitrinen” aus gemasertem, alten Holz in nicht einmal Schlössern, sondern Pfarrhäusern, Lehrerwohnungen oder von Hobbywissenschaftlern. In den fünfziger Jahren führten solche Häuser in Thüringen und Sachsen mit ihrem Inventar noch eine nie unterbrochene Linie seit der Reformation fort.
Diese Linie gibt es nicht mehr, nicht einmal mehr die meisten Häuser in altem Besitz. Das 500. Reformationsjahr 2017 mit seinen Events weiß von keinen Verlusten. Ich kenne meine und andere.
Kálmán Várady, Kleinodienschrank aus der Installation „Wunderkammer I“ in der Galerie Kai Dikhas, Berlin 2017
Im September 2017 entdeckte ich noch einmal eine Kunst- und Wunderkammer fast in der geographischen Mitte von Berlin: die Installation „Wunderkammer I“ von Kálmán Várady in der Galerie Kai Dikhas. Der 1958 geborene Künstler Kálmán Várady stammt von armenischen und ungarischen Roma ab. Artefakte, Naturalien, Objekte unterschiedlichster Herkunft und Bestimmung dicht gedrängt und mit individuellen Schöpfungen von Kálmán Várady zu einer Einheit verschmolzen.
Weit bin ich gereist und gewandert. Weit.
Beiß dich durch bis an die Sterne. Zuletzt. sehr frei nach Zeilen aus Versdichtungen der Roma
5.10. – 8.10.2017:
an dem Wochenende als mit Sturmtief “Xavier” der Ausnahmezustand in Berlin ausgerufen wurde,
der Orkan mit über 100 km/h über Brandenburg hinweg fegte,
die Bahnen nicht oder nur unregelmäßig fuhren
und vor dem Wandern im Wald gewarnt wurde.
Es ist der 30. September und 2017 meine zweite Fahrt auf dem Rheinsberger Rhin. Ich setze wieder mit dem Kajak der Natur- und Landschaftsführer vom Naturpark Stechlin-Ruppiner Land Rheinsberger Adventure Tours hinter der Obermühle ein.
Rheinsberger Rhin mit dem Kajak von Rheinsberger Adventure Tours, 30.9.2017
Die erste, zahme Strecke habe ich relativ lang in Erinnerung. Der Fluss ist hier schmal und tief. Mit schnellem Schlag fahre ich an den Rhingärten vorbei. Ein Kartoffelfeuer lodert am Ufer.
Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Ah, dich kenn ich doch: der am Rheinsberger Rhin ansässige Reiher fliegt direkt neben mir hoch. Ich hätte achtsamer sein müssen, möchte mich aber dem WSV Rotation Berlin anschließen, der hat Nähe Bahnhof gebucht. Die Eile war unnötig, sie setzen gerade das erste Boot ein. Und dann: ausgerechnet an der schmalsten Stelle verhindert Gedrängel der nun sechs Boote das Fotografieren des schon wieder aufgescheuchten Reihers. Was für ein herrlicher Flug! Er landet auf den hohen Bäumen am Wiesenrand. Nur ein Adlerauge kann ihn zwischen den Zweigen ausmachen. Mein Smartphone hat das nicht.
Auf einen dieser Bäume hat sich der Reiher geflüchtet.
Später ein anderer Konflikt zwischen Naturinteresse und weiß der Reiher von was: ich hänge mit dem Boot in der Strömung, die Schulter gegen einen Baumstamm verdreht. Kleine, kreideweiße Ständerpilze versuche ich zu fotografieren. Mit halbem Auge bemerke ich das Boot hinter mir: „Einen Moment bitte, ich möchte…“. Ach, es ist niemand von unserer Gruppe. Ich werde angerempelt und angefaucht: „wir möchten aber hier durch“.
Trotzdem: in der Frühe dieses Samstags ist der Rhin noch einsam.
Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Ohne das Stemmen gegen den Baum schießt mein Boot sofort weiter. Der Zweier demonstriert einen aufeinander abgestimmten Partnerschlag und überholt mich grußlos (also das Können hätte für ein paar Rückwärtsschläge ausgereicht). Kurze Zeit später liegt das noble Boot am ersten Rastplatz. Das Pärchen sitzt und futtert. Die Pilze stehen als Erinnerungsbild vor meinen Augen. Ähnliche habe ich nicht noch einmal entdeckt.
Nicht immer und sofort reicht manches Können im Kampf mit der Natur, Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Auf dem Fluss blitzen die Sonnenstrahlen wie weiße Glut im Wasser. Wo der Rhin ab und zu seine Fließgeschwindigkeit mindert und breit und flach durch das Tal mäandert, ist in dem klaren Wasser der abgelagerte Sand zu sehen.
Bäume mit freigelegten Wurzeln am Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Wird die Strömung wieder stärker, treibe ich auf der Spur von Herbstblättern. Ich kann dieser Strömung meinen Kajak anvertrauen, er treibt genau mit.
Und wenn kleine Wellen gefährlich glitzernd pfeilartig zusammenstoßen, genau dort zielt der Kajak sicher durch enge Hindernisse. Die tänzelnden Blätter zieht der Sog mit.
Der blaue Himmel spiegelt sich im Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Trotzdem: zwischen den vielen Baumstämmen der letzten Stürme ist Konzentration gefordert. Aber die Stämme sind seit dem Extremwetter im Juli mehrheitlich breiter freigesägt, zur Seite geschoben und entlaubt.
Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Die Natur und die Ufer des Rheinsberger Rhins sind vielfältig. Auenwald und Erlen, Buchenwald, dunkler Mischwald und jeweils dazu flache, moorige Ufer oder hoher Abbruch wechseln ständig.
Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Im Juli riss mich die Strömung überall auch ohne Paddelschlag weiter. In jedem Moment musste ich mich unmittelbar auf den Fluss konzentrieren und korrigieren. Die Ufer waren hoch überschwemmt. Diesmal lassen nur die ausgewaschenen Wurzeln der Bäume die Kraft des Wassers ahnen.
Wildschweinsuhle
Ab und zu sind einzelne Fährten zum Wasser hin zu entdecken. Die Wildschweine aber haben meterbreit gesuhlt. Ihre Körper drücken sich mit den Borsten im Schlamm ab.
Steilufer mit Einfluglöchern zu den Brutröhren der Eisvögel
Leuchtend blaugrüne Eisvögel hatten mich im Sommer von Ansitz zu Ansitz weit begleitet. Dieses Mal schwirrt nur zweimal ein Zaunkönig vom Wiesenufer zu den Baumwurzeln gegenüber. Und für mich in gehörigem Abstand nicht mehr identifizierbar wahrscheinlich Bachstelzen oder die Wasseramsel – aber für letztere war der Schwanz zu lang.
Rheinsberger Rhin, 30.9.2017
Eine Entenschar gründelt im Wasser; von weitem sieht das aus wie eine gefährliche Sperre von auf und ab wippenden Holzbohlen. Umgekehrt entpuppt sich das nach oben schnellende Krokodil als dicker Stamm.
Die Fahrt bei bestem Wasserstand ist ungefährlich. Ab und zu schrammt das Boot über einen quer und – zumindest im starken Gegenlicht – unsichtbar im Wasser liegenden Baumstamm.
Umtragen meines Bootes
Auf der Hälfte der Strecke kommt eine Fischtreppe; die Boote müssen umgetragen werden.
Steg an der Umtragestelle
Später, am unwegsamen Ufer steht ein Einheimischer und angelt. Im Rhin soll es Forellen geben – nicht nur in der Zippelsförder Zuchtanlage. Im Sommer hüpfte manchmal eine aus dem Wasser hoch. Man muss wohl wissen, wo sie sich aufhalten.
Und was fragte im Eberswalder Zoo eine Tierwärterin die Kinder: „Warum habt ihr Mitleid mit allen Tieren, aber keins mit Fischen?“ Tja…
Zum 19. September 2017 oder zum 8.Oktober vieler vergangener Jahre (für Ellen). Lindow, Wutzsee, 30.9.2017
Den großen, weißen Brief, handschriftlich die Adresse, ohne Absender, hatte ich müde gestern Abend beiseite gelegt. Wahrscheinlich die Einladung zu einem Klassentreffen.
Auf dem Rhin hatte ich mir so viele Gedanken gemacht, was ein guter Titel sein könnte zu diesem Flüsschen und der Herbstsonne, die das Wasser kalt und farblos weiß glitzern lässt, dass mir nur wenige Fotos gelingen.
Auf der Spur der dahin fließenden Blätter… Das Leben ist ein Fluss, ja, wie dieser naturbelassene Rhin. Ich gleite, hänge fest, irgendjemand hat mir den Weg freigeschnitten. Schattig ist es oder sonnig, still vor allem. Herbstlich schon. Im Sommer, Anfang Juli zur Zeit der starken Regenfälle war der Rhin wild.
Die Fotos von diesen in der Strömung treibenden Gräsern und von den vor mir dahin fließenden Blättern waren mir am wichtigsten: Rheinsberger Rhin I.
Danach öffnete ich den Umschlag. Das war so unerwartet, so schockierend, so unbegreiflich wie es eben nur der Tod sein kann. Plötzlich sind meine Gedanken auf diesem Fluss wie eine Ahnung, niemals jedoch diese.
Und wie das Wasser mein Boot an den schönsten Stellen einfach weitergetrieben hat, so habe ich völlig unvorbereitet jemanden ganz Seltenes in meinem Leben verloren, eine wunderbare, unersetzliche Brücke zu meiner Vergangenheit. Ich verstehe es nicht. Es tut unendlich weh.
Nach dem Rhin ging es von Zippelsförde nach Lindow (Mark), vorbei an Gudelack- und Wutzsee; auf dieser Wanderung machte ich keine Fotos. 30.9.2017: nur für dieses ging ich noch einmal ein paar Schritte zurück, irgendwie mit ungeordneten Gedanken.