06.12.2018 , 15 km imMärkisch Oderlandmit Eckhard Knauer, WSV Rotation Berlin
Auf unserem endlichen Planeten gibt es unendlich viele Wege, sogar zwischen Alt-Rosenthal und Heinersdorf.
Ohne Umschweife rein in den Wald und zum westlichen Ufer am Wermelinsee
Was am See nicht vor den Zähnen des Bibers geschützt wurde, fällt. Nichts steht ihm hoch genug. Die dicksten Bäume scheinen am leckersten.
Manche Wandersleut wundern sich: hier war ich schon, aber hier bin ich noch nicht gegangen. Wenige gehen wohl überhaupt: die Woriner Mühle ist geschlossen, sogar das Gartentor zu den Bänken. Also weiter, immer weiter.
Mini-Naturschutzgebiet
1945 gehörten die Dörfer hier alle zum Schlachtfeld im Endkampf um Berlin. Wieder einmal frage ich nicht nach dem Alter mancher Steinhäufungen und nicht, was sich unter diesen Steinen verbirgt.
Bilder der Orte Alt Rosenthal, Marxdorf und Heinersdorf wird es auch nicht geben. Es wäre mit mehr Zeit aber Lohnendes aufzufinden. Unser eigentliches Nikolaus-Nasch-Ziel, die Marxdorfer Likörmanufaktur, lässt durch die Fenster die einstige Produktion mit letzten Paketen nur noch ahnen. Ohne Nachfolger – aufgegeben. Mehr oder weniger seit heute oder gestern. Unser Bedauern ist gering; die eigentlich demografischen und andere Veränderungen dürften schwerwiegender sein. Ganz im Trend: einer der Vierseitenhöfe des Dorfes wird gerade ausgebaut zu lukrativer Herberge mit Reitstall.
Uralte WeidengespensterFeldflur jenseits vom Wald am Krummen See.
Immer wieder säumen Weiden die Wege seit unzählig vielen Jahren mit Sicherheit. Die Satellitbilder von Google Maps zeigen das jetzt unter trockenen Flächen Verborgene – alles einst den unterschiedlichsten Gewässern und Wässerchen abgetrotzt.
Richtung HeinersdorfHeinersdorfer See, wo die Seele der Bäume wirktDer Moloch ZeitBadestelle Heinersdorfer See: könnte man sich bis zum Sommer merkenGedenkstätte Heinersdorf, eine von mehreren an alle Kriege
Heinersdorf ist wohl gediehen in unseren langen Friedenszeiten. Aber manches ersetzt manches allzu kurzschlüssig und speiseschüsslig dem ahnungslosen Reisenden, dem hungrigen Wanderer, dem Verirrten. Sie fällt kaum ins Auge: die alte Dorfgaststätte “Zum Teufelsstein” ist nicht nur geschlossen, sondern an der Biege der Frankfurter Chaussee auch dem Verfall preisgegeben. Ja, aber der → Teufelsstein! Der liegt nicht weit, allerdings ungewiss weit und den letzten Bus möchte niemand verpassen.
Zum Teufelsstein
So bleibt diese Wanderung als eine pur naturnahe und somit wunderschöne Wegemöglichkeit im Märkisch Oderland im Gedächtnis. Wiederholung und Varianten lohnen, auch wenn mit Blick auf die Karte der Unternehmungsgeist müde abwinkt, ach, da war ich schon mehrmals.
28.11.2018 am Teltowkanal in Fließrichtung zum Friedhof in zwei Etappen: 16 km vom U-Bahnhof Ullsteinstraße zur Schleuse Kleinmachnow.
02.12.2018: ca. 6 km Schleuse Kleinmachnow, Kanalauenweg, Wilmersdorfer Waldfriedhof, Südwestkirchhof Stahnsdorf.
Berlin hat schon manch einem die Worte verschlagen. Fürs Herze gibt es erst recht wenig. An der Fotofülle ist zu merken: weder Auge noch Geist kommen zur Ruhe.
Dabei schleich ich still und leise,
immer am Kanal lang, immer am Kanal lang…
Meine Heimstrecke, die U6 in Fortsetzung bis U-Bahnhof Ullsteinstraße mit dem herrlichen Backsteinexpressionismus des Ullsteinhauses und dem Blick zum Hafen als Beginn der Wanderung. Es hat sich viel verändert, immerhin wiedererkennbar. Der Speicher freilich kalkweiß saniert, kaum als Industriedenkmal auszumachen; die Straße eine Autorennbahn und der Mensch läuft und läuft und läuft bis er endlich am Teltowkanal steht.
Silberlaub und Silberstreif-Flugzeug und Silbermond beim Blick in den Himmel
Die ganze lange, gerade Strecke begleiten Kleingartenanlagen, “Villchen”-Bauten des Mittelstandes, seltener wegen der Lage längst nicht mehr bezahlbare Mietshäuser
Von diesen Schildern und gesperrten Ein- oder Ausstiegen darf sich nicht abschrecken lassen, wer das Nordufer des Teltowkanals (rechts im Bild) durchgehend laufen möchte. Während oberhalb ein perfekt breiter Rad- und Laufweg entlang führt, streckenweise aber vom Ufer wegführt, geht der schmale Trampelpfad ununterbrochen begleitend und unter allen Brücken hindurch bis Höhe Stichkanal einst die Mauer begann.
Drei Antworten erhielt ich auf meine Frage “Sind Sie schon einmal unten entlang?” Mann, über 40, mit Hund: “…kenne ich nicht, das muss lange her sein”. Mann in meinem Alter: “…den pflegt niemand”. Frau, älterer Jahrgang: “…weiß ich nicht, ich fahre Rad.”
Gepflegt hat diesen Pfad niemals jemand. Er wurde begangen und mit Rädern befahren. DAS ergibt Weg.
Kurze Strecken führen sogar noch offiziell direkt unten am Ufer entlang.
Die Brücken: Süd-Nord fuhren und fahren noch immer die Züge aus Richtung Dresden, aus der Lausitz, aus dem Teltow. Und die Menschen von dort siedelten in Tempelhof, in Marienfelde, Lankwitz, Steglitz, Lichterfelde, Schönow und machten die einst ländlichen Orte zu dem provinziell ausufernden und in Kieze zersplitterten, großen Berlin.
Ein kläglicher Rest der → Bäke in Steglitz – das einst bestimmende Flüsschen wurde dem Teltowkanal einverleibt. Rechts und links vom Kanal sind kurze, übrig gebliebene Schlängel als Biotope unter Naturschutz gestellt. Aber die zu retten, gerät irgendwann in Vergessenheit oder erledigt sich von selbst mit dem Klimawandel.
Es gibt derzeit wegen Bauarbeiten eine kleine Umleitung, weg von dem hier promenadenähnlichen Weg erst einmal durch das Gelände des Benjamin Franklin Krankenhauses.
Berlin baut, jaaa: DAS muss niemand einem Berliner sagen, auch wenn es keine bezahlbaren Wohnungen gibt.
Zwischen Krankenhaus und Schlosspark Lichterfelde (unbetretbar verwildert zum NSG) dann auch gleich 2x deutsches Schicksal. Für Paul Schwarz wurde zusätzlich ein Gedenkstein errichtet und der Obdachlose kann später einmal wippen.
Obdachlose werden vielleicht aber auch eines Tages ausgelagert wie die Versuchstiere aus dem “Mäusebunker”, das marode Tierversuchslabor der FU-Berlin aus den 70er Jahren. Deren anstößiger “Inhalt” wurde inzwischen nach Berlin Buch verlegt – mit über einer Million Tiere. Das ist der Stand unserer Forschung. Da brauchen Schulkinder keine Computer, sondern Messerchen. Da dürfen Medienräume ohne Administratoren vor sich hinschlummern.
Das Betonmonster, künstlerisch als eine Skulptur begriffen, ist inzwischen historisch bedeutungsvoll: ganz besonders brachial. Bestückt mit den blauen Belüftungsrohren braucht es nicht viel Phantasie, um sich experimentelle Medizin vorzustellen.
Vattenfallrohre am linken Ufer und am rechten ebenfalls irgendwelche Rohre
Fürsorglich ab hier für die Jogger jedes Steinchen, jedes Würzelchen umpinselt. Die Aneinanderreihung solcher Fotos ergäbe ein kartografisches Kunstwerk.
Obwohl das folgende Halbinselchen ein wunderschöner Pausenort ist, geht es kurz vorher auf einer quittegelben Brücke über den Stichkanal und ab jetzt der Natur näher als bisher – seit dem Mauerfall.
Jetzt wird es landschaftlich schön!
Der Grenzverlauf hat ab Schönow bis Kleinmachnow und Stahnsdorf allzu nahe, in die Natur eingreifende Verschandelung verhindert.
Am Buschgraben verlief die Mauer zwischen Ost und West und trennte Kleinmachnow so gut wie völlig ab von seiner Hauptstadt, auch wenn das damals nur die “der DDR” gewesen war.
Mit Klick zum ganzen Bild
Nein, ich möchte mir nicht dieses durchgängige Naturstück verderben. Und doch haben das einige Grundstücke etwas abseits vom Kanal geschafft. Keine Ahnung, wie ich dahin geraten bin. Jedenfalls sind die Bürokraten, die mit Gesetzesrecht oder zu Unrecht (menschlich gedacht) den Schaden verursacht haben, hier auch noch nicht gewesen. Vergammelte Schilder hängen an den vergammelten Gartentoren: “Das war mal ein Wohnhaus, jetzt eine Ruine… Dank der Gemeinde… …Klein-Moskau…”.
Wurde nach dem Mauerfall ein kleines Eckchen von verdrängten Kreuzbergern okkupiert ? Oder erinnerten sich die Nachkommen eines Ostberliner Urgesteins? Meine Phantasie kann sich viel vorstellen. Ein grünes Kleinod ist ersatzweise nicht entstanden.
Der Graureiher am Ufer fühlt sich in seinem Wohnbereich sicher. Er dreht und wendet sich, wenig Schritte vorwärts, wenige seitwärts. Hals recken, langsam wieder einziehen. Ach, wie er damit doch hierher, zu der über ihm und zwischen den entlaubten Bäumen sichtbaren Hakeburg passt!
In der Reihe Brandenburgische Historische Hefte 6 untersucht Hubert Faensen deren Geschichte ausführlich unter dem Titel “Geheimnisträger Hakeburg”: Rittergut, 1938 Grundstück der Deutschen Reichspost, Forschungsanstalt, Parteihochschule der SED, Gästehaus der DDR, vereinigt natürlich ein Hotel – ein Ort wo sich Ideologien und Wirklichkeit nach allen Seiten recken und strecken, drehen und wenden und die Menschen damit besser als ein kleines Fischlein überleben.
Richtung Schleuse, wenig unterhalb der Hakeburg der Gedenkstein für den norwegischen Dichter Nordahl Grieg, der hier 1943 als mitfliegender Journalist beim Abschuss eines britischen Bombers starb. Bis zum Stahnsdorfer Südwestkirchhof sind es keine 6 km mehr. Meine Erinnerungen an dieses und jenes sind ausreichend strapaziert. Ich steige an der Schleuse in den erstbesten Bus.
Der Teltowkanal mit all seiner Ufer- und Randbebauung ist bestens im Internet beschrieben. Viel Spaß bei eigenen Entdeckungen – sportlich lohnt sich die Strecke. Genießer leiden.
Etappe zwei
Kanalauenweg und Ufer-Rundweg Stahnsdorf
Auf dem Kanalauenweg bis zur Autobahnbrücke: rechts der Teltowkanal, links die versumpfte Aue.
Obwohl die Wasserqualität des Teltowkanals keinen guten Ruf hat – wie selten sonst ist zu sehen: der Schwanenhals dreht und windet sich schlangenartig nach Futter.
Auch “mein” Graureiher von voriger Woche fischt jetzt zwischen den Steinpackungen, weiter oben ein zweiter.
Die Wildschweine sind überall zu ahnen und der Biber hat sich ausprobiert.
Ich kann sagen: ziemlich viel los auf der kurzen Strecke!
Der Abzweig Uferrundweg Stahnsdorf ist kaum zu erkennen, selten begangen. Nahe der Autobahn illegale Abfallentsorgung.
Die Managementplanung → Teltowkanal-Aue ist gescheitert, das Gebiet ist kein Regionalpark geworden und ohne bedeutet eben auch ohne Achtsamkeit = bezahltes Engagement. Trotzdem: ein Schwarzspecht hämmert und fliegt auf.
Letzter Blick zurück zum Teltowkanal
Stiller Friedhof der unbehauenen Steine
Noch ein Stück die Alte Potsdamer Landstraße entlang, dann biege ich in den Wilmersdorfer Waldfriedhof ein, angelegt von dem Gartenarchitekten → Erwin Barth. Wenn ich auch für mich eine passende Altersresidenz weder erhoffen noch planen kann, wenigstens dieser stille Friedhof der unbehauenen und wild überwachsenen Steine – würde er mich aufnehmen?
Jetzt, nach Totensonntag, ein einziges Grab in all dem wundervollen Grün mit einem teuren, trotzdem stinkehäßlichen Grabstrauß für Hans Baluschek. Wahrscheinlich sind Grabsträuße immer stinkehäßlich. Wäre der Maler Hans Baluschek mit seinem Werk wirklich bei den Menschen im Gedächtnis geblieben, für die er gemalt hat, wäre ein anderes Gebinde entstanden.
Aber, es wird niemand glauben dieses Märchen der Seelenwanderung: direkt aus dem dichten Gebüsch hinter dem pflichtgemäß bieder gepflegten Berliner Ehrengrab springt der Hase der Prinzessin Huschewind – ich habe für sein klopfendes Hasenherz wohl einen Moment zu lange verweilt. Er wird zu → Hans Baluschek wiederkommen, ich weiß es.
Wenn nicht nur der Tod quält
Besuchermagnet → Stahnsdorfer Südwestfriedhof, trotz des regnerischen Adventssonntags: die anonymen Urnengräber geschmückt mit Liebe wie sie die Schlager vorsingen, wie sie der Blumenladen in Schleifen knüpft und wie sie als rotes Herz ewig zu glitzern versucht.
Es fällt mir schwer, alternativ am fremden, verlassenen Grab diese bunte Billig-Norm zu vergessen, mich nicht zu quälen mit dem Gedanken, anderes niemals bezahlen zu können. Doch, eine Grabstätte darf und sollte immer → individuell sein – jeder darf alles.
Aber diese Urnengräber-Art einverleibt zu werden, spricht dem Begriff der Sepulkralkultur und dem Totengedenken Hohn. Übrigens: deren gärtnerische Gesamtgestaltung quält gleichermaßen. Der Friedhof als historischer aber wird verglichen mit Venedigs Toteninsel San Michele, dem Wiener Zentralfriedhof und Père Lachaise in Paris.
25.11. 2018 mit Eckhard Knauer und dem WSV Rotation Berlin etwas mehr als 25 km Bundesland überschreitend von Zahna aus durch den einst sächsischen Fläming nach Schloss Kropstädt, auf Grenzwegen in flämischer Landschaft ins Brandenburgische, durch die Lobbeser Rummel bis Garrey und durch die Neuendorfer Rummel nach Rädigke.
In der “Blauen Stunde” der Morgendämmerung, wenn die Nerven noch nicht abgebaut haben, läuft es sich ganz ungeniert
Die Eingebung versammelt letztendlich 12 Reisende im RE3 pünktlich 6:31 h ab Hauptbahnhof Richtung Lutherstadt Wittenberg – zeitweise wiedermal eine Ausnahme ohne Anschluss ab Gesundbrunnen. Den Ausstieg Zahna verlassen wir über gewohnt knaurig-schaurigem Weg günstig. Nicht nur an diesem frühen Morgen sehen wir von der Stadt genug mit an einer Hand abzählbaren Industriebauten längs der Bahn.
Ein November mit zarter Morgenröte
Ringsum leichter Novembernebel, der begleitet ganztägig den Blick in die Ferne. Die Sonne drängelt ebenfalls seit dem frühen Morgen genau über unseren Köpfen durch die Wolken. Gesegnet sei der Fläming von den Wanderern, mehr Regen für das Land bitte an mehr anderen Tagen.
Der Zahnabach im Friedenthaler Grund – sehr auserwählt: vielleicht war es dem Biber doch insgesamt zu trocken im Fläming
Selten von Berlin aus begangene Wege durch dieses Stück Naturpark Fläming – heute zu Sachsen-Anhalt gehörend: eine vielfältige Landschaft. Nach Durchqueren einiger ausgetrockneter Zuflüsse in den Wiesen gibt es sogar die in nicht jeder Karte verzeichnete Brücke über den Zahnabach.
Und ein anderer Bachgrund in diesem hügeligen, oft überraschend zerklüfteten Fläming
Vom Sozialismus in die feudale Gegenwart
Richtung Kropstädt
Allmählich geht die Landschaft in den Park von Schloss Kropstädt über. Ich erinnere mich: ein Tulpenbaum, Zimtsträucher, ein Ginkgo. So entlaubt fehlen nicht nur mir die Kenntnisse, um irgendetwas zu bestimmen.
Im Schlosspark Kropstädt
Wir kommen aus Richtung Osten, ergeben uns den neuen feudalen Zuständen: uneinnehmbar wie hier einst im 12. Jahrhundert die erste Burg der Raubritter jetzt das neugotische Schloss – privatisiert, unbewohnt. Schwarzes Wasser umfliesst die Insel, die drei Brücken gesperrt in trauter Gemeinsamkeit von Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg und Privatbesitzer. Wem gehört der Verfall?
Schloss Kropstädt – uneinnehmbar
Schloss Kropstädt etwa seit 1950 komfortables Mütter- und Säuglingsheim, nach der Wende im gemachten Nest war das Hotel mit Restaurant sogar zu besichtigen. Die wenigen Menschen, die im dazu gehörigen Gutshof zu befragen wären, sind kurz angebunden. Was soll man auch sagen.
Zwiespältig alles – die Vergangenheit, die Gegenwart, die Erinnerung und sogar die Natur
Durch die Lobbeser Rummeln bis Garrey
Bunt…auf bunten Steinen (links: eine Art rosarotweißer Karneol?)…durch den Lärchenwald…vorbei am bunten Herbst – sonnig warm trotz Kälte (ein solches Paradoxon verstehn aber nur die Wandersleut)…dem Wanderleiter folgend…in die Lobbeser Rummeltiefen – hier letzter Blick rückwärts…und mit Mühe wieder am kurzen von zwei Hohlwegen raus
Mit einem regelmäßig breit gemähten Weg sind die Lobbeser Rummeln bequem zu gehen. Richtig. Und am Ausgang der Trockentäler, wo das Wasser aus den Äckern in die Mulde “rummeln” würde, schützt in der Regel vermehrt Pflanzenwuchs vor der mitreißenden Gewalt solch eventueller Wassereinbrüche. Unser Abzweig steigt an in ein Gewirr von Zweigen, Ästen und Stämmen – wer weiß, wann hier welche Naturkraft wieder eine Veränderung des Tales schaffen wollte.
Nebelgraue Schönheit
Durch die Äcker des Flämings sind die wenigen verbliebenen Wege immer von Obstpflanzungen gesäumt. Freilich nur vereinzelte Bäume jetzt noch mit Äpfelchen kleinster, aber schönster, dunkelroter Sorte für den Nikolausteller. Aber schon oft auch baumlos und schutzlos jagen Blicke und Wind über die hügeligen Flächen: die Zeiten der Kolonisation sind zu Geschichte geraten. Die alten Bäume überleben so Gott will und die EU ausreichend langen Atem hat, um das Aussterben der letzten, nicht normierten Sorte abzuwarten.
Garrey – der Ort wo schon Luther einkehrte und wir aus dem Rucksack unsere gesammelten, rotbäckigen Äpfelchen speisen
Die Neuendorfer Rummeln
Was die Fläminger Rummel(n – wie man möchte) aus geologischer Sicht darstellen, ist → im Internet mehrfach zu finden. Als Erfahrung des Phänomens dürfte die tiefe Neuendorfer Rummel mit ihren vielen Verästelungen am besten geeignet sein. Der direkte Weg von Garrey zur Neuendorfer Rummel ist allerdings nicht ausgeschildert, da wäre ortsunkundig lange zu suchen.
Neuendorfer Rummel mit den Wanderern vom Wandersportverein Rotation BerlinMit kurzem Abstecher zu erreichen: die Schollensteine
Am östlichen Hang der mittleren Rummel liegen als Besonderheit die Schollensteine: Geschiebeblöcke, eine junge Felsbildung als Mischgestein aus kalkhaltigem Sickerwasser entstanden.
Unzählige keglig geformte Berge, um die einst das Wasser geflossen ist
Geradewegs, nicht ganz vier Kilometer (abgekürzt) geht es von der Rummel nach Rädigke, hinter dem Dorf entlang durch den Friedhof genauso geradewegs in die Gaststätte Moritz zum Regenerieren von Leib und Seele. Diesmal mit dörflicher Tanzmusik zu einem 80. Geburtstag: hier lebt Heimat. Das Tanzbein zuckt, der Kaffee ist stark, der Burgenbus kommt pünktlich, der Zug steht in Belzig bereits auf dem Bahnsteig. Mehr kann niemand wünschen.
Gasthof Moritz in Rädigke
Vom Forsthaus Spring bis Medewitz und Setzsteig erstreckt sich die wahrscheinlich urwüchsigste, große alte “Springer Rummel”, tief eingeschnitten und von einem Bach durchflossen. In diesem NSG führt ein Wanderweg nicht sehr nah an die eigentliche Rummel heran – zum Schutze nicht nur der Natur, sondern auch vor etlichen Unwägbarkeiten, nicht zuletzt des Versinkens im Unergründlichen. Aber das ist eine vergangene, unwiederholbare Geschichte. Kürzlich jedoch → durch die Krähenrummel ebenfalls nach Rädigke.
16.11.2018 ca. 20 km von Jacobsdorf nach Sieversdorf und Klostermühle gepilgert, nach Briesen am nicht mehr begehbaren östlichen Ufer des Petersdorfer Sees gestolpert und geklettert
Im Odervorland: Jacobsdorf und die WKA
Nach drei oder vier Jahren (wie die Zeit vergeht…) möchte ich am Petersdorfer See nach den Baumfällungen der Biber gucken. Warum nicht auch im großen Bogen über Sieversdorf pilgern… Der Unterschied zu meiner Art des Wanderns dürfte gering sein.
Jacobsdorf, Mark
An der Kirche Jacobsdorf eine herzliche Einladung zur Besichtigung. Aha: der Herr Pfarrer. Ist ziemlich neu hier in seiner schlichten Kirche. Ziemlich jung und irgendwie verschmitzt sympathisch ebenfalls. Ich frage mich wie sich seine Predigten in diesem 21. Jahrtausend anhören – vielleicht sogar mit lutherischem Humor, sicher etwas weniger deftig und heftig.
Kirche in Jacobsdorf, an der Südroute des Pilgerweges Frankfurt/Oder – Fürstenwalde
Leuchtend schön die farbige Verglasung der drei wehrhaft schmalen Fenster in der Ostwand.
Die karge Innenausstattung nach der Kriegszerstörung und dem Wiederaufbau ganz im Stil der Kirchenkunst um 1960, anknüpfend an expressionistisch bis kubistische, figürliche Vereinfachung. Doch der betsaalähnlichen Einfachheit ist anzumerken: sie ist ein Fremdkörper in dem ganz dörflichen, sorgfältig gefugten Feldsteinquaderbau des frühen 13. Jahrhunderts. Ich sehe den Raum geschmückt mit einem Altarbild wie in Gelliehausen* vor mir. Aber das ist eben viel Phantasie. Und wie entsteht innere Stille?
Ein Hauch von Windpark
Am Ortsausgang beginnt der Windpark Odervorland. Angepriesen als sauberste Energiequelle des Landes Brandenburg. Mit „Repowering“ im Frühjahr 2017. Weitere 7 WKA sind geplant. Das gleichmäßige Sausen der Rotorblätter erinnert an Autobahn. Noch schlimmer: für das Recycling von zerstörten Turmrohren – eine gesetzliche Pflichtaufgabe für die Eigentümer – fühlt sich wohl niemand in der Lage.
Hinter dem Wind
Vor Eiswurf wird gewarnt: im Schatten von Türmen und Wald liegt bereits Raureif. Das Mikroklima wird deutlich beeinflusst. Nichts ist so eindeutig umweltverträglich, dass es unseren alltäglichen Ressourcenverbrauch entschuldigen könnte.
Pilgern nach Sieversdorf
In den Wiesen am Goldnen Fließ eleganter Baumbruch
Das Betreten der Windparkflächen: verboten. Ich biege aus Vorsicht und simpel denkend falsch ab an Wegweisern, die nach rechts ausgerichtet sind, aber den Pfeil nach links haben. Vorbei an Hügelgräbern oder vergessenen Kriegsgräbern – wahrscheinlich beidem – führt der Weg weit in den Frankfurter Stadtwald bis ich weiß: in dieser Richtung komme ich hier niemals raus.
Überall Steine im Wald und auf meinen Fotos – langweilend für die einen……für die anderen ewige Rätsel, manchmal auch nur deutliche Reste früherer Steinschlägerei**
Nordwestlich muss ich wieder das Goldene Fließ erreichen. Streckenweise vertrocknet, kann ich an vielen Stellen überspringen. Vorher eine alte Hausstelle – romantisch verfallen. Endlich auch unbestellte Felder – allerdings ohne die mir in Erinnerung gebliebenen, bearbeiteten und unbearbeiteten Feuersteinreste. Knochen en masse. Ich stapfe in das jetzt nahe Sieversdorf durch den Duft von überall blühender Kamille.
Der Ansitz gegenüber von meinem Sprung über das begradigte Goldene Fließ
Sieversdorf wirkt ausgestorben. Freundlich wird mir letztendlich doch die Kirche aufgeschlossen. Sieversdorf ist auf Pilger und – ich sehe und hab es gesehen auf meinem Pilgergang – auf Jäger eingestellt. Gerade wurde beim Hubertusgottesdienst der Segen dafür geholt.
Calvaria. Profitabel entsorgt oder wie sich alles gut fügt für den Fuchs. “Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.” (Mt 25,40)
Auffällig und besonders reizvoll in dem Kirchlein die Harmonie der ungewöhnlichen Farbzusammenstellung in der Apsis, dazu ein zartes Blaugrün der hölzernen Einbauten. Kurz überlege ich, die Treppe zur Orgelempore hinauf zu steigen. Im Eingangsbereich sieht es kirchenprivat aus – ich verzichte. Dumm, ich hatte doch gelesen: dort oben sind Reste mittelalterlicher Wandmalerei.
Hoch über den Köpfen der Gemeinde erhebt Cronos seine Sichel – ein Engel sehr wohl: nur leicht den Menschen haltend mit der Linken
Auf dem Friedhof: die Ruhestätte der Familie von Bredow aus dem Hause → Friesack. Die hatte ich nun gar nicht erwartet, obwohl das berühmte Adelsgeschlecht höchst verbreitet in Brandenburg war.
Die Landschaft bei Sieversdorf – unendliche Felder in alle Richtungen
Es ist bereits weit nach Mittag. Mit zügigem Schritt jetzt durch Felder und Wald. Nicht zu vergessen: einen Parasol, einen Tintling und drei süßsaftige Äpfel habe ich inzwischen im Rucksack. Was für rote Früchte dort am Baum hängen, weiß ich nicht, fühlen sich um diese Jahreszeit immer noch steinhart an.
Stolpern am östlichen Ufer vom Petersdorfer See
Klostergut und klappernde Klostermühle kenne ich: geeignet nur für kräftig zahlende Besucher. Ich steige gleich in den mit Radständern verbarrikadierten Weg östlich des Petersdorfer Sees ein. Erkennbar ist er noch, jetzt eher ein vom Wildschwein gespurter Pfad mit sumpfigen Löchern, Abbrüchen, vom Biber und vom angestiegenen Wasser gefällten Bäumen.
Biberfraß am Petersdorfer See
Irgendwann muss ich mich am Steilhang hochziehen, um nicht im Sumpf zu landen. Wieder ein schmaler Pfad. Die Sonne geht gleißend langsam unter. So breit habe ich den Petersdorfer See nicht in Erinnerung. Noch einmal nach unten und haarscharf am oder mit halbem Fuß im Sumpf vorbei. Zum Fotografieren im Wasser ein bizarrer Baum nach dem andern. Ich hätte längst weiter sein müssen. Am Horizont immer noch See, erst dort geht es direkt hoch zu Schule und Bahnhof.
Petersdorfer Wasserschreck
Ich werde nervös. Noch ein sumpfiges Risiko kann ich nicht eingehen, schlage mich zur asphaltierten Straße durch – ätzend gerade. Kurz vor Vier und kurz vorm Dunkelwerden bin ich in Briesen.
Petersdorfer See vor Sonnenuntergang
Deprimierend das Kaff, sagt am Bahnhof eine Pilgerin zur anderen. Ich schließe jedenfalls aus ihren Worten, dass sie beide der heut morgen vom Pfarrer gesegneten Gruppe angehörten; eine elektrische Zahnbürste beginnt auf Rucksackdruck zu surren. Abgekürzt werden sie von Alt-Madlitz gekommen sein.
So unterschiedlich ist das Erleben und das Fazit also sogar beim Pilgern. Allerdings reichen meine Gedanken auch noch bis 2012 zurück mit aller- allerbesten Erinnerungen an viele Kinder und viele andere aus Briesen.
*→ Altarbild in der niedersächsischen Gemeinde Gelliehausen; vorstellbar ist für mich auch eine Wandmalerei. Meditieren über die “Farbe” Weiß in unserer Zeit – in Abwandlung viel zitierter Zweifel: …nach Hiroshima und Nagasaki
** dazu auch die Wanderung durch das → Booßener Gehege vom 25.10.2018
14.11.2018, Erlebnishunger treibt mich noch einmal nach Treuenbrietzen: Findlinge finden.
Muss es unbedingt der Bischofstein sein? Ja, es muss. Absolutes Ziel der Wanderung in Begleitung mit gleichem Interesse.
Funde und Fundstellen
Am Straßenrand
Der Weg von Treuenbrietzen nach Rietz oberhalb des Mühlbaches an einem sonnigen Novembertag durch Felder, Wiesen und Wald.
Zunächst finden wir anderes als Steine: Achtlosigkeit, Ignoranz, Unverantwortlichkeit – ursächlich menschengemacht.
Ansonsten präsentiert sich Rietz pikobello und gepflegt mit viel Kulturangebot, wahrscheinlich gibt es aktuell grad keines und wir werden ungewollt und unerwünschte Zeugen vom Alltag jenseits des eigenen Vorgartens.
Landwirtschaft Rietz bei Treuenbrietzen, um die Ecke kullert es anders in der Landschaft…
Später im Wald ein Feuerlöschteich mit offenem, nachlässig nicht wieder eingehängtem Tor. Der blaue Himmel im Wasser verlockt – und ein Stein… Genauer sollte man nicht hinsehen. Das Tor einzuhängen schaffen wir nicht, wenigstens lehnen wir es schräg an.
Findlinge
Eine saaleeiszeitlich geformte Landschaft, der Wald mit hauptsächlich Kiefernmonokultur selten naturnah, einzelne Flecken oder Waldränder erinnern mit alten Eichen an die ursprüngliche Waldgesellschaft. Überdauert haben die riesigen → Findlinge. Ein geologischer Lehrpfad müsste uns sicher führen: die Steintour 2 (Nr. 1 ist im westlichen Teil des Hohen Flämings zu finden) – vorbei an etwa 8 in den Landkarten* eingetragenen Findlingen.
Könnte der Schoenichenstein sein: 250 Schritte westlich des Bischofsteines – in dieser Größe gibt es etliche
Uns führt der Weg vor allem “vorbei”: etliche Male verlieren wir ihn, einige Male finden wir ihn wieder, lustlos, nun wieder nach rückwärts zu gehen. Namenlose Findlinge geraten in unser Blickfeld. Nur nicht der Bischofstein. Aber: wir wollen, wollen, wollen ihn finden.
Schwedensteine am Magdeburger Heerweg
Überrascht stehen wir am Heerweg (aha!) an den Schwedensteinen, die nach anderen Quellen angeblich auch (mit der Elle gespaltener) Schneiderstein heißen und daher von uns mehrfach gesucht werden, aber eben nur so gefunden.
Nicht nur wir eigenwillig gedreht bis links davon, links davon im Wald…
Ein Wegweiser zum Bischofstein führt zunächst zum Oken – was immer das sein könnte. Vom Stein ist dort nicht mehr die Rede. Hinter Neu-Rietz im Wald drehen wir einige Kreise. Endlich der inneren Stimme folgend, haben wir ihn – also wohl doch ein Stein mit geheimen Kräften…
Bischofstein
Grau verschmutzt sieht er aus, vom Granit ist unter der Kruste nicht viel zu sehen. Mehrere christliche → Zeichen, sogar noch ein heidnisches und die Jahreszahl 1590 sollen zu erkennen sein. Die Kreuze wirken nachgekratzt, die beiden Näpfchen auf der oberen Kante – nun ja, Kerzenhalter?
Vor lauter Begeisterung – mehr über unser Finden als über den Stein – vergessen wir den Quittenlikör “frutta de la jutta” zu opfern.**
Bischofstein, eins von den zwei Näpfchen
…nichts mehr zu suchen, das war unser Sinn
An einem der nächsten Wegweiser sollen es noch 22 km auf der Steintour bis Treuenbrietzen sein. Wir sind umsonst tapfer mit insgesamt drei Taschenlampen im Gepäck. Schlussendlich landen wir an der Gasleitung – irgendso einem Verdichterhäuschen, was mich auf der vorherigen Wandergruppentour (ohne Bericht) die Bohne interessiert hatte, jetzt aber meine Warnlampen aktiviert: keinesfalls nach rechts! Denn in schlechtester Erinnerung: rücksichtslos zerfahrene Waldwege parallel zu Rietz, Rietz-Bucht und Rietz-Ausbau – absolut unmöglich zu gehen.
Mühlenhexe, Foto: Jutta Gehring
Also schrammen wir wieder einmal 500 m am Luisenstein vorbei mit Blick auf die vermaledeite Landwirtschaft von Rietz, erreichen querfeldein den romantischen Mühlenweg und landen verführt von der verschmusesten Katze, die ich in meinem ziemlich langen Katzenverehrungsleben kennen gelernt habe…
Buschmühlenteich Richtung Himmel
…auf dem riesigen Gutsgelände der alten Buschmühle: Teiche und Gräben noch von einer früheren Forellenzucht, zwei alte Mühlsteine.
Buschmühlenteich Richtung Wasser
Eine herzliche Bekanntschaft mit nicht nur 9 Katzen endet mit einem Erntegeschenk. Etwas querfeldein geht es weiter bald auf bekanntem Weg. Einen struppigen Rassehund mit seinem Frauchen begrüßen wir auch zum zweiten Mal. Und der Zug kommt wie gerufen: adios Treuenbrietzen.
Patisson-Ufo, Hokkaido und eine dekorative Warzenkeule
*In Rietz gibt es eine von Wein überwucherte Lageskizze als Wandmalerei. Wir sind unterwegs mit 2 unterschiedlichen Wanderkarten, einer dem Internet entlockten Beschreibung, einem Kompass. Es wird trotzdem eine Menge Schlauberger geben, die uns als wandernde Greenhornes belächeln. Bittschön, → hier ist noch eines.
**Ich würze mit dem Teufelszeug jetzt das Schreiben dieses Berichtes – höchst animierend zu später Stunde…
8. November 2018, knappe 15 km durch das Bruch zwischen Brandenburg, Göttin und Schmerzke, entlang am Bruchwald Rosdunk und durch die Zingelheide zurück
Siedlungsgebiet Stadt Brandenburg
Brandenburg an der Havel, Bahnübergang Richtung Bruch
Richtung Schmerzker Busch (Zingelheide) führt erst einmal nur Autostraße. Entgegengesetzt Richtung Göttin bin ich vor ewig langer Zeit einmal gegangen. “Ewig” bezieht sich in der Erinnerung auch auf den Weg entlang der zersiedelnden Kleingartenhäuslebauten. Mal sehn.
Letzte Spuren der Vergangenheit
Auf der vergessenen, südlichen Bahnhofsseite gehen alt und neu, klein und groß, arm und reich, einheimisch und zugezogen durcheinander. Aber es wird. Vielleicht bald mehr als gewünscht in der ländlichen Idylle, vielleicht auch nicht, denn hier beginnt das Landschaftsschutzgebiet Mittlere Havel.
Mit Geld wird manches schön und teuer
Das Breite Bruch lässt keine Wahl, obwohl manchmal die Traktorspuren durch die Wiesen locken. Entlang Pumpergraben auf Beton quer durch, etwas an der Bahnlinie entlang, dann unterhalb der alten Strecke Richtung Reckahn.
Pumpergraben
Da die Natur im Bruch sowieso keine ursprüngliche Natur ist, kann ich mich auch am ruinösen Beton erfreuen: unser Zeitalter geht mit seinen Errungenschaften schneller zu Ende als irgendein mittelalterliches Objekt zerfällt.
Lebensdauer Beton
Weit entfernt steht ein Reiher, fast bewegungslos im kurzen Riedgras. Das dichte Schilf könnte sein Domizil sein. Aber die stehen gelassene Schilfinsel ist bereits einen Meter breit ringsum dezimiert und neu eingegrenzt durch Mähen. Methode Störfall Baum? Entasten bis ein Telegrafenmast steht und das Gesetz nicht mehr greift?
Inselartiger Schilfbestand
Mehrfach ziehen Gänse am Himmel, ein einziges Mal noch Kraniche. Der Zaunkönig fliegt so oft wie man ihn während der dicht belaubten Zeit nie sieht. Meist flattern aber nur Krähen auf und erinnern trotz der milden Temperatur an den November.
Rohrkolben
An den Wegrändern Plastik-Tüten und -Behältnisse. Drei Farbeimer nicht viel mehr als 500 Meter vom frisch gestrichenen Haus. Hätte ich solche Unverfrorenheit geahnt, hätt ich wohl alles bis dorthin zur Tür getragen. Alle Gassigeher aus Richtung Göttin sind sicher schon einige Male bis zu diesem letzten Gebüsch gekommen bevor die Wiesen sich bis zum Horizont erstrecken. Ich belasse es bei einem anderen Bild, farblich und mit wahrscheinlich kräftigem Wurf fotogen arrangiert.
Aus den Augen aus dem Sinn im Plastiksack
Google maps, das nie so will wie ich laufe, zeigt etwas über 5 km. Jetzt aber möchte ich den Bruchwald Roskund sehen. Wegweiser übrigens Fehlanzeige. Nach Südost überquere ich zweimal den Bruchgraben mit nirgends verzeichneten Möglichkeiten.
Graben im einstigen Niedermoorland. Was für ein Eintrag ist DAS?…schaffen das!
In der Ferne sind die beiden Naturschutzgebiete Bruchwald Rosdunk und Zingelheide als bewaldete Hügel zu sehen. Die Landwirtschaft ist an diesem Wochentag mit viel Maschinen zu Gange. Flächendeckend die Gräben mit frischem Aushub. Muscheln müssen nicht abgesammelt werden: der Schlamm rabenschwarz, alles Pflanzliche abgestorben. Die keinesfalls schonende Entwässerungsmaßnahme entzieht den Wiesen völlig das Wasser. In den Trockenzeiten unseres Klimawandels wird das kein Futter geben. Was für Tatsachen sollen hier schnell noch geschaffen werden? Wie umdenken? 2017 lag das Gewässerentwicklungskonzept „Mittlere Havel“*** noch nicht vor. 2018?
NSG Bruchwald Rosdunk und Zingelheide
Der Schilfgürtel von Holunder und Krautschichten okkupiert
Der Bruchwald Rosdunk ist von einem einzigen Weg durchzogen, von außen nicht begehbar. Ringsum ein Graben, das Überqueren wäre nordwestlich möglich: die Grundwasserabsenkung ist extrem durch das trockene Jahr und die nun neu, tief und breit ausgehobenen Gräben. Der Schilfgürtel gestört, in den Erlenbestand wuchert eine Krautschicht. Die Auseinandersetzungen zwischen Naturschutzbehörden und tradierter Landwirtschaft kann man sich unschwer vorstellen…
Die Grenze zum Bruchwald Rosdunk einseitig, aber tief ausgehobenSchwarzbrauner torfiger Boden am Erlen-Bruchwald RosdunkPappelbruch. Der Baum, hier mittig zwischen den beiden Naturschutzgebieten, gehört nicht in diese WaldgesellschaftGeschälte Kiefern inmitten gelungener Aufforstung, s.u. Waldumbau oder bereits Ersatzpflanzung?und ein Brunftplatz – unglaublich was in der Nähe unserer Wohnplätze zu finden ist!Vom Wald in die Wiesen wechselt in der Dämmerung das Wild
Ab und zu werfe ich auch hier einen Blick in den Schlammaushub der umlaufenden, geräumten Gräben. Zwischen 2010 und 2012 wurden am Rand der Schmerzker Heide (Zingelheide) Rastplätze der Havelländischen Kultur erforscht. Nicht seit jeher war nämlich die Talsandebene von gestautem Grundwasser vermoort. Aber in dem schwarzen Flüssigbrei ist mit den Augen niemals etwas zu entdecken.
Die Bauern und das liebe Vieh
Wer bist du?
Nein, ich gebe keine Daten zum Standort dieser handzahmen Tiere, die allesamt zutraulich mich Menschen beehren. Die Schafe und Ziegen werden von den Gänsen bewacht, das Truthahnpaar ist auch nicht von schlechten Eltern. Autos und Fahrräder, offene Türen mit zumindest schwerhörigen Bewohnern – wenn überhaupt. Ich fühle mich aus der Zeit gefallen – hinter dem Bruch also ist noch manches möglich.
Handzahm und aufgewecktes Geflügel, ich selbst bin ohne Futter eine Enttäuschungund eine etwas träge-tumb wirkende Rinderherde
Über den Neujahrsgraben hinweg liegt geradeaus der Bahnhof Brandenburg, die Straße Richtung Schmerzke und eine weitere Rinderherde. Geradeaus wäre die optimale Möglichkeit, die ich auf dem Hinweg nicht gefunden habe.
Maschinenmelioration im Hintergrund; die Gänse am Himmel sind wild
Es geht optimal, allerdings durch Elektrozäune und den Privatbauernhof mit Rinderstall. Ein Boxer – Bulldogge? – springt mir entgegen, um mich Wild(erin) zu packen. Wahrscheinlich ist der Hund artgerecht fürs Treiben des Viehs abgerichtet. Ich werde zum Herrchen geleitet: eine alteingesessene Bauernfamilie, wenngleich ein sonnengegerbt über Achtzigjähriger gerade als einziger mit einem Gleichgesinnten ackert. Ja – alles um die Wirtschaft drum herum nur noch im Bereich des eigenen Zaunes denkend…
Ich kann das nur bestätigen, hab es während meiner Wanderung gesehen. Was ich von Beruf gewesen bin – ach so… aber ab und zu pflanze ich Bäume – wenigstens…
Herbstfeuer – Kartoffelfeuer war einmal, aktuell ist es der nicht endende, übliche Abfall unserer hochgelobten Zivilisation
Jetzt darf ich mich neben dem sich flussbreit schlängelnden Jakobsgraben ebenfalls in die Siedlung schlängeln. Noch vor dem Bau der Eisenbahn dürfte das ein Nebenarm der Havel gewesen sein. Ich denke die historische Zeit in dieser Osthavelniederung: eine sich ständig verändernde, märkische Heimat.
Umsonst?
***demnächst vielleicht ein Link: die Dokumente sind informativ – geradezu spannend, aber im Bereich mittlere Havelniederung finde ich nicht diese zu Potsdam-Mittelmark gehörenden Flächen. Für geschickter gegoogelte oder spezifische Hinweise bin ich dankbar.
10.11.2018, meinerseits kein Bedarf mehr nach Information, ich hab’s:
Ausbau der B102 zwischen Schmerzke und der Autobahn 2
zitiert nach MOZ.de, 26.01.2017“Die gute Nachricht zuerst! Die Ortsumfahrung des Brandenburger Ortsteils Schmerzke wird gebaut… Verkehrsaufkommen von 23600 Fahrzeugen am Tag, darunter 2600 LKW… Das Vorhaben verursacht anlagebedingt Waldrodungen auf einer Fläche von 16.540 m² mit einem Anteil von 3.900 m² Wald mit Schutzfunktion. Die Fällung von 132 Bäumen soll durch 346 Neupflanzungen kompensiert werden. Weiterhin werden hochwertige und sehr hochwertige Grünlandbiotope beansprucht. Etwa 4.455 m² artenreiche Frischwiesen und 2.080 m² Seggenrieder fallen den Baumaßnahmen zum Opfer. Insgesamt werden durch das Vorhaben 53.400 m² von Böden allgemeiner Bedeutung neu versiegelt. Die Vorbereitungen und umfangreichen Rodungen haben schon begonnen.”
Baubeginn 2020. Die Reaktion Schmerzker Bürger: “Na, dann haben wenigstens unsere Kinder was davon.”
Fragt sich nur was. Vom Sessel ins Auto. Lärmschutzwände am Haus – an die Landschaft angepasst. Lärm. Ich kenne den vom Wandern zwischen Bad Saarow und Rauen. Und nicht nur das.
Wollten wir nicht notwendig anders leben?
3.11.2018, durch das Vogelschutzgebiet Rhin-Havelluch 4 Stunden auf der ehemaligen Eisenbahnstrecke von Paulinenaue bis Neuruppin gerollert und 1/2 Stunde zum Bahnhof Rheinsberger Tor gelaufen.
Die Landschaft von Paulinenaue im Novembernebel
Der Zug 6:30 ab Berlin nach Wittenberge hält 7:08 in Paulinenaue – so gut wie mittendrin in den Feldern. Kranichzeit: Sonnenaufgang. Davon ist nichts zu bemerken. Es gibt keinen Himmel. Von Sonne nichts zu sehen, von Kranichen nichts zu hören. Bei so dichtem Nebel erwachen die Vögel sicher nicht pünktlich.
Erste weiße Lichtflecken im Nebelhimmel, ein Hauch von MorgenröteDa ist der erste, der einzige geordnete Kranichzug heut morgen: kurz nach 7, das ist also schon zu spät!
Falsch gedacht: ein einziger Kranichzug fliegt noch über meinen Kopf hinweg. Die ersten acht Kraniche perfekt, der übrige Schwanz muss wohl lernen… Sehr viel später höre ich die Massen schreien. Sie stehen längst auf den Feldern. Wie weit weg das sein könnte, kann ich nicht schätzen.
Schwanenpaar auf dem Graben bei PaulinenaueHimmel, Nebel, Wasser – grenzenlos
Es ist einsam. Ein Auto vom Leibniz-Institut kurvt zwischen Versuchsflächen – wozu? Sonderfutter für Kraniche? Die haben offensichtlich auf anderes Appetit. Erst vor Lobeofsund stehen sie beidseitig. Aber diese scheuen Vögel fliegen beim geringsten, fremden Geräusch auf. Tief vor den Bäumen sind sie einfach nicht auf’s Foto zu bannen. Lauern und neu beunruhigen möchte ich nicht. Dabei dauert es nicht lange, da kommen aus östlicher Richtung ungeordnete, wahrscheinlich auch aufgescheuchte Schwärme. Sie scheinen alle jedes lohnende Feld zu kennen.
Vom Himmel lassen sich ungeordnete Schwärme sinken, im Nebel verschwommen. Am Graben gespenstisch weiß der vertrocknete Holunder.Am Rhin verdichtet sich wieder das Weiß des Nebels in Richtung der verdeckten Sonne
Dumpfe Schüsse*** sind ständig und überall zu hören. Es nervt, auch wenn ich mich halbwegs sicher fühle direkt auf dem Damm. Wahrscheinlich gelten die Schüsse dem Rehwild, das mich wie angewurzelt beobachtet. Ein-, zweimal fliegen Gänse über mich hinweg.
Brücke über den Wustrauer Rhin im NebelEndlich: der Ruppiner See schimmert durch die Bäume, der Radweg zieht sich jedoch noch ewig hin
Kraniche also noch und nöcher gesehen und gehört. Nun muss ich eine Rückfahrgelegenheit finden. Richtung Nauen oder Friesack gibt es nur Straße oder Panzerplattenbeton und in Fehrbellin zum Wochenende keine Aussicht auf einen Bus. Zum Glück ahnungslos, was für eine öde Strecke mich erwartet, rollere ich durch bis Neuruppin. Der Belag ist besser als bisher. Zu sehen ist außer Autos so gut wie nichts. Schöner wäre ein Radweg Richtung Wustrau gewesen, den gibt es nicht. Die sogenannte “Stille Pauline” ist wohl den Eisenbahnfans gewidmet, diesbezüglich 2011 in umgekehrter Richtung → mit Bildern beschrieben. Bis auf die jetzt durchgehenden Ergänzungsstücke sieht es überall noch genau so aus.
Neuruppin – nicht wiederzuerkennen – ein verfrühter Weihnachtsmarkt, vielfältig einladend und anheimelndIm dunklen Spiegel; der Zug hat Verspätung. Trotzdem werde ich noch wunderbar viel machen können an diesem Tag.
***Am 3. November gedenken die Jäger ihres Schutzheiligen Sankt Hubertus. Der Überlieferung nach war Hubertus, Pfalzgraf von Burgund (655 – 727 n. Christus), ein zügelloser Jäger. Die Begegnung mit einem Hirsch, der ein leuchtendes Kreuz zwischen seinen Geweihstangen trug, bekehrte ihn zur Jagd als Dienst an der Natur. Diese „Achtung vor dem Geschöpf“ ging als Waidgerechtigkeit in die Verhaltensgrundsätze der Jägerschaft ein. Waidmanns Heil zum heutigen Tag!
Das war der letzte Winter mit dem HEX an die → Ilse und auf den → Brocken: an einem Tag!
Am 8.12.2018 fuhr nach 13 Jahren der letzte Berlin-Harz-Express HEX
“Ja, Sie haben Recht, der HBX wird nach dem Fahrplanwechsel nicht mehr als Angebot zur Verfügung stehen. Auch wir bedauern das sehr. “Schuld” hat wohl niemand – die Strecken werden jeweils ausgeschrieben, und das beste Angebot erhält den Zuschlag. Wir wünschen Ihnen alles Gute. Haben Sie eine schöne, entspannte und inspirierende Vorweihnachtszeit. Mit freundlichen Grüßen HarzElbeExpress”
info@hex-online.de vom 6.12.2018
Wer nicht weiß, was auf gut Deutsch “verarscht” bedeutet, der lasse sich von dieser Email inspirieren.
Gewöhnung an eislose Winter
Geht doch… sogar ohne jegliches Eis
Ab Deutschem Erdüberlastungstag nutzten wir im Jahr 2018 bereits seit 2. Mai rechnerisch und ökologisch gesehen Ressourcen der kommenden Generationen. Dann sparen wir doch wenigstens schnell noch am Weihnachtsvergnügen mit synthetischem Eis ohne Kühlung. Die Gewöhnung an eislose Winter sollte von Kindesbeinen an erfolgen!
Synthetisches Eis sind Kunststoffplatten (aus was?), die zur Weihnachts-“Eis”-Bahn zusammengefügt werden. Mit Klodeckel-Feeling!
DANKE an die Flieger- Kreuzfahrt- Autolobby, die Bodenversiegler und die überzahllosen Berliner Kauf-mich-Weihnachtsmärkte: wir sparen immer auf den richtigen Strecken!
November
23. November 2018, Black Friday. Wer fliegen kann, der fliege. Wer gehen kann, der gehe: weit, weit weg, denn nur selten und auch nur weit oben verhüllt der Nebel unsere Konsumgier. Prima, denn ohne Konsum ginge es unserer Wirtschaft etc. etc. nicht so gut wie jetzt – egal was kommt. Das wollen wir!
25.10.2018, mit Eckhard Knauer und dem Wandersportverein Rotation Berlin von Wüste Kunersdorf aus durch den Frankfurter Stadtwald, das Booßener Gehege: Erlebnisdichte auf 15 Kilometern.
Ausgangspunkt Wüste Kunersdorf
Tja, bei diesen speziellen Wanderungen von Eckhard Knauer bleibt erst einmal alles Geheimnis, abgesehen von Ziel und Zwischenzielen. Wie und wo die Wandersleut laufen: mal sehn, wo es geht.
Aus Richtung Frankfurt/Oder bis Wüste Kunersdorf liegt der bisher so noch nicht angesteuerte Ausgangspunkt ins “Booßener Gehege”. Rechts vom Bushalt der Linie 968 schon die Lebuser Berge. Die Oder auch längs in dieser Richtung. Dahinter gab es 1759 im “Siebenjährigen Krieg” die berühmte, verlorene Schlacht von Kunersdorf und das “Mirakel” des Hauses Brandenburg: die Habsburger ließen Berlin “links” liegen.
Mit dem Gelände hatte der olle Friedrich damals auch zu kämpfen. “Ungangbares Weideland” verzeichnet eine historische Karte. Das gibt es auch westlich, wo wir nun sehr geradewegs wandern und daher erst einmal nur für’s Auge unglaublich wild. Nach dem zweiten Kreuzen einer alten, preußischen Ostbahntrasse eine dammartige Straße Richtung Wulkow. Überraschend naß rechts und links nach diesem Sommer: der Mühlbach – vom fleißigen Meister Bocker als Domizil erkoren?
Nach alter Mühlenkultur sieht es nicht mehr aus. Die flächendeckenden, spitzen Stammreste, alle in der gleichen Höhe, können fast nicht anders als vom Biber genagt sein.
Wulkow auf dem Weg nach Booßen
Alzheimer setzt bei unserer Spezies insbesondere an den politischen und militärischen Meßtischen früh und unbemerkt ein: ein Soldatenfriedhof in Wulkow. Nicht von 1759. Dieser Friedhof von 1945 war aber sicher ebenso schnell belegt – die Marken (in Kriegen ist der Mensch nicht mehr wert als ein Hund, das vergessen die Begeisterten) waren damals wie neu. Die hier vor allem deutschen Namen entsprechend einfach zu ermitteln. Die Gedenktafeln ebenfalls fast neu: die vorherigen, kleinen, individuellen Täfelchen waren eines Tages verschwunden. Metall als Wertstoff – wird live berichtet; der Friedhof wird aktuell gepflegt.
Der unmittelbar anschließende Gutspark wegen mangelnder “Verkehrssicherheit” gesperrt. Selbst die Absperrungen präsentieren sich in diesem Zustand der eindringlichen Warnung. Hinter dem kleinen Guts-Kirchhof: oh Gott – wendet sich die Büste mit vergeblicher Flucht- oder Bittbewegung zwischen hohen Abfallbergen gen Himmel. Vielleicht hätte ich die nicht auf dem Foto ausblenden sollen. Aber die Verwahrlosung reicht auch so.
Das Grufthaus ist dagegen perfekt saniert – in zarten Pastelltönen. Da sind Gelder geflossen. Echt zarte Gefühle erstarren ohne solchen Strom offensichtlich schneller als Farbe hält. Das Schloss steht bereits im Zustand der unsanierbaren Immobilie, alles andere als romantisch.
Das Konzept der ökologischen Dorferneuerung mit einem gemeinnützigen Ökospeicher und viel Kultur wurde 1994 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Nur am trüben Herbsttag und dem geschlossenen Kulturspeicher kann es nicht liegen, dass Wulkow über 20 Jahre danach einen trostlosen Eindruck hinterlässt.
Die Lust ist mir vergangen, die angepriesenen Internetseite zu inspizieren: www.oekospeicher.de, www.lebendige-doerfer.de
Mit Romantik dienen der überwucherte Kräutergarten und der Weg durch den Gutspark, wohl auch vom geschützten Biber unter Wasser gesetzt. Dann das Niedrigenergiehaus als Ferienhaus zwischen meterhohem Gras – an dieses Ufo wird sich jeder Besucher erinnern, auch nach noch so langer Zeit. Nur merken sollte man sich: Wulkow bei Lebus. Es gibt in Brandenburg viele Wulkows…
Mit Klick ins Bild kann das Ufo-Haus in neuem Fenster aus gepflegter Nähe gesehen werden.
Steine im Booßener Gehege
Ja, es ist Herbst. Ein feuchter, griesegrauer Oktobertag. Wind, dunkle Wolken: Richtung Booßen feinster, aber dichter Regen. Endlich einmal “Wetter” nach Monaten bewegungsloser Hitze.
Im Wald gibt es Schutz, an den Rändern stäubt die Nässe in grauen Schwaden aus allen Richtungen.
Die blaue Tüte im Regenwind – ich hab nur meinen kleinen Rucksack, aber noch einen Ersatzrucksack für Pilze (danke, danke für alle verzichtenden Spender) und ein Vogelnest. Vielleicht kann ich diese Umweltverschmutzung doch beseitigen, obwohl blöd: durch den ganzen, riesigen Wald ist das noch zu tragen. Ich greife zu. Meine Hand ist augenblicklich übersät mit Miniflocken blauer Plasteteilchen, die an mir wie magnetisch und giftig kleben. Nein – unter diesen Umständen will ich die Welt jetzt nicht retten. Ich wedle, wische, schmiere im nassen Gras ab, bin entsetzt. Diesen Zustand der Auflösung hatte ich bisher noch nie zu spüren bekommen.
Die Gruppe ist dem Blick schon entschwunden.
Die Hügellandschaft erinnert mich an die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung dieser Gegend. Hier auf einem Feld fand ich schon einmal unzählige Feuersteinknollen und Abschläge. Jetzt fallen Riesensteine ins Auge – keine Lesesteine. Zerstörte Gräberfelder? Oder wurde gezielt nach Stein als Baumaterial gegraben?
Ja, diese sind eindeutig bergbaumäßig aus der Erde geholt: links noch mit deutlich sichtbaren Spuren der spaltenden Bearbeitung, rechts davon – ich kann es kaum glauben: der Zwilling meiner gerade erst → erzgebirgischen Entdeckung: rosa Feldspat, Quarz, Glimmer und schwarzer Turmalin. Hier aber mit Sicherheit einst vom Eis aus Skandinavien hergeschoben.
Dann direkt im Booßener Gehege einem der schönsten, von Berlin aus schnell erreichbaren Waldgebiete: eine äußerst vielfältige Gesellschaft von Bäumen – einheimische Baumarten durchmischt mit fremdartigem Gehölz, das seinen Platz wie natürlich gewachsen einnimmt. Davon erzähle ich diesmal nicht. Eine andere Besonderheit: einige einzeln stehende, riesige Findlinge – alle nicht leicht zu finden. Vergeblich war während einer der letzten Begehungen die Suche nach dem “Näpfchenstein”. Den haben wir dies Mal bewundern können. Wild durch den Wald heißt nie nicht völlig irrend ;))
Infotafel: Grauroter mittel- grobkörniger Migmatit (Gneisgranit). Komponenten: Quarz, Plagioklas, Orthoklas, Biotit, flaserig = Korngefüge gelängt, eingeregelt = parallel. Heimat: Skandinavien. 2.80 x 2.00 x 1.45 Meter. Gewicht ca. 11 Tonnen
Dieser Näppchenstein ist zu akkurat technisch bearbeitet, um auch nur einen Hauch von Opferstein auszustrahlen. Es handelt sich um ausgearbeitete Vertiefungen zum Zerlegen des Steines mit Hilfe von Holzkeilen. In die riesigen Vertiefungen getriebene Hartholzkeile wurden mit Wasser getränkt und sprengten aufgequollen den Stein. Auf diese Art und Weise wurde Baumaterial gewonnen, Steinblöcke, wie sie an den alten Dorfkirchen der Umgebung zu sehen sind.
Direkt dran vorbei – am Pilzstein: dunkelrotgrauer, mittel- bis grobkörniger Granit aus den Komponenten Quarz, Plagioklas, Orthoklas – ein Feldspat, Biotit = Glimmer und Hornblende. Heimat: Skandinavien. 2.10 x 1.80 x 1.80 Meter, Gewicht ca. 9 Tonnen. Der geologische Begriff “Wollsackverwitterung” dürfte auch passen.
Die Katzen von Wupis Tränke
Wupis Tränke – seit Jahrzehnten beliebtes Ausflugsziel im Frankfurter Stadtwald, beliebter Imbiss, beliebter Spielplatz, heute sogar mit Kindergeburtstag. Ausreichend Platz findet sich immer irgendwie zwischen etwas Chaos.
Wupis Tränke – von der Bauaufsicht zur Zeit eingeschränkt, aber nach wie vor mit provisorischem Charme
Und hier hab ich sie endlich: die Nachfahren der Falbkatzen (Felis silvestris lybica), die sowohl aus dem alten Ägypten als auch aus dem Gebiet der heutigen Türkei stammen und sich seit der römischen Kaiserzeit auch in unserem Gebiet verbreiteten. Anhand von DNA-Proben analysierten Forscher die Überreste von Katzen aus steinzeitlichen Fundstätten, Mumien aus dem alten Ägypten und Überreste aus Wikingergräbern.***
Der Fund einer rechten Katzen-Beckenhälfte in einer germanischen Siedlung bei Wüste Kunersdorf (1968) hat bewiesen: die Hauskatze wurde auch bereits um 300 u. Z. ziemlich genau hier gehalten. Sie wurde in dem altslawischen Burgwall bei Fichtenberg, Kreis Liebenwerda (8. bis 9. Jh.), nachgewiesen, ebenso in Berlin-Köpenick und Tornow, Kreis Calau.
Die stolzen Minitiger von Wupis Tränke scheinen von ihrer Abstammung zu wissen. Hund wird ignoriert und reagiert seinerseits allerhöchst irritiert. In jeder Beziehung chancenlos gegen das Dreiergespann.
Ein gepolsterter Stuhl ist nur mit roher Gewalt frei zu machen. Katze ist beleidigt und lässt ihre Kräfte eingedenk der erst einmal schwächeren Position demonstrativ am Baumstamm aus. Als Wärmekissen von oben her kann solcher faux pas der Gäste zum gegenseitigen Nutzen allerdings gut gemacht werden.
*** der ursprüngliche Link http://public.bibliothek.uni-halle.de/index.php/hercynia/article/viewFile/1222/1297 funktioniert leider nicht mehr (Nov. 2019).
Vielleicht klappt es auf längere Dauer mit → Zur Geschichte der Wild- und Hauskatzen, ansonsten bitte zu “Katze in der frühen Neuzeit” googeln.
Ein sehr, sehr großes Dankeschön an den wagemutigen und immer waage-ausgeglichenen Eckard Knauer zum 26.10.2018
6.10.2019 Kristall-Abenteuer. Das magische Leuchten.Kristalliner Gips. 6 x 3 x 5 cm. Tongrube (Süd), Bad FreienwaldeKristalliner Gips, Tannenbäume (H 4 cm) und Aggregat. Tongrube (Süd), Bad FreienwaldeSchwalbenschwanz. 7 x 5 x 2 cm. Tongrube (Süd), Bad FreienwaldeGipsrose. 5 x 5 x 5 cm. Tongrube (Süd), Bad FreienwaldeKristalliner Gips-Splitter. 4 x 2 cm. Tongrube (Süd), Bad Freienwalde
14.10.2018, mit Eckhard Knauer und dem Wandersportverein Rotation Berlin in die Niederlausitz: eine ca. 25 Kilometer lange Wanderung zwischen Gahrower Buchheide und Weißacker Moor.
14.10.2018, das Weißacker-Moor in der Niederlausitz: ausgetrocknet und extrem verockert (mit Schatten-Selfie)
Zum NSG Gahrower Buchheide
5 Uhr: Weckerklingeln für den RE5 ab 7:12 Hauptbahnhof Berlin. 10 Wandersleute reisen in Walddrehna an. Mit und ohne Fahrkarten. Wir schaffen das!
Walddrehna westlich vom “Lausitzer Grenzwall”, mittig Niederlausitzer Landrücken: Ausgangspunkt zu den Naturschutzgebieten Gahroer Buchheide und Bergen-Weißacker Moor.
Im Wald lebt man länger…Zugverkehr Walddrehna – der Körper ist noch warm
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Der erste Waldbach zeigt an: die Niederlausitz ist nicht die öde Streusandbüchse der Braunkohletagebaugegenden. Die alten Wenden liebten es feucht.
Erst etwas höher auf den “Bergen” stehen sie: Kiefern, Kiefern, Kiefern. Forstfahrzeugrinnen als gerade gezogene Dreckswege. Wegelos quer ginge es zumindest staubfrei über staubtrocken knackendes Gehölz. Noch hat der Wanderleiter demokratische Anwandlungen: die Mehrheit möchte nicht den allerersten „Berg“ von ca. 50 Metern erklimmen.
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Blauer Sommerhimmel im OktoberRichtung Moor, Berg und Bergbau: der Bach massiv verockert
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Staubtrocken im KiefernwaldTotholz mit 6 mm ovalen Ausfluglöchern des Scheibenbocks
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Das Wetter ist herrlich, die Aussichten lieblich. Nun aber endlich hinein in die kleine Wildnis von Feld- und Zaunrändern, von Wald- und Weiderändern…
Elf Kilometer bis die Buchheide erreicht ist.
Wegelos und sogar trockenen FußesNiederlausitzer Endmoränenlandschaft
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Sumpfwald neben den meliorierten ViehweidenDer Mais abgeerntet
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Nach der Eiszeit abgelagertes toniges Material bildet den Boden für das natürliche Vorkommen von Rotbuchen. In Wechselwirkung folglich mit dem kühl-feuchten Lokalklima am Nordhang des Niederlausitzer Landrückens ist der hier im Gebiet sonst seltene Bestand gewachsen. Wege sind vom dichten Laubfall bereits unkenntlich.
Nach etlichen Parasol von den Wiesen fasse ich im angestammten Lebensraum einen prächtigen Steinpilz. Lag es an den aufgesammelten, auch im Beutel liegenden Äpfeln oder der Wärme des Tages: zum ersten Mal in meinem Pilzleben traue ich zu Haus dem Zustand meines weiß-grünlich schimmernden Fundes nicht mehr.
Buchheide historischSchön oder essbar, selten beides
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Und wo ist der Weg?Buchheide aktuell Okt. 2018
Das Weißacker Moor
Am westlichen Rand des Moores entlang: Kiefern und Moorbirken, ein typischer Moorwald. Der Boden nährstoffarm und sauer. Trocken nicht nur von der gespeicherten Sonnenenergie, der entwickelten Hitze. In diesem Jahr gab es seit April bis heute in ganz Brandenburg so gut wie keinen Niederschlag. Morgens keinen Tau, keine Verdunstung, keine Luftfeuchtigkeit. Mit der Jahres-Niederschlagsmenge in L pro m2 liegt Brandenburg statistisch ohnehin vor Sachsen-Anhalt an vorletzter Stelle in Deutschland.
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Im Baum-Jungwuchs Unmengen FliegenpilzeGras-Horste, dazwischen einst Wasser
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MoorbirkenVertrocknetes Schilf und schon verkrautet
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Nein, nicht immer versinkt der Mensch, nicht überall strecken gruselige Moorleichen ihre verdorrten Finger aus dem Grund. Aber wenigstens kleinflächige Wasserstellen müssten zu finden sein. Fehlanzeige. Ein früher genutztes, kleines Torfloch sieht verlandet aus. Das Schilf steht steif vertrocknet.
Im gesamten Uferbereich kein Morast, keine Torfmoose. Tröstlich schreien Kraniche in der Ferne. Es muss Wasser geben. Die Entwässerungsgräben aus Zeiten der Torfstiche wurden verschlossen. Wasser wurde zur Durchströmung, Wiedervernässung und Renaturierung aus dem Tagebau von Osten her zugeleitet. Das dort Wasser abziehende Grubenloch wurde verfüllt.
Unsere Pause ist zu kurz, um doch noch in der Folge kleiner Geländesenken ein “Moorauge” zu finden.
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Ausgefälltes Eisen – der Boden war einmal feuchtTypischer Moorwald: Birke und Kiefer
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Kein Grashalm, keine Flechte, kein MoosHarter Eisenockerschlamm, nichts Pflanzliches
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Goldgelb sticht eine großflächige Senke ins Auge. Sonnengefärbte Torfmoose? Der Untergrund aus der Nähe und bis in die Mitte: eine unergründliche Schicht purer, fest getrockneter Eisenockerschlamm. Nicht eine einzige Trittspur ist geblieben.
Wie sich das Weißacker Moor insgesamt entwickelt, weiß niemand. Eine Lösung für die durch den Braunkohletagebau überall verursachten massiven Verockerungen bis in die Spree hinein, ist nicht in Sicht.
Ausführliche Infos zu den zahlreichen Brandenburger Mooren sind → hier nachzulesen.
Im Gewirr der Namen zum Waldhaus an der Papiermühle
Zurück in die Niederung mit Wiesen und Weiden. Alte Eichen säumen alleenartige Wege. Ein Findling mit unleserlicher Inschrift. Die Computervergrößerung macht es möglich: …v. Stephen, 1896. Für Heinrich von Stephan, den Begründer des Weltpostvereins und des Deutschen Postmuseums in Berlin, den Initiator des deutschen Telefonnetzes, war es also nicht. Leute, Leute: denkt an die Nachfahren. Spät, aber sie werden irgendwann neugierig! Infos gibt es ebenfalls nicht am Trassenbau zwischen Weißack und Weißacker Pechhüttenweg.
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HerbstTeiche in der Niederung: abgefischt und abgelassen
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Überhaupt die unentbehrlichen Infos! In unterschiedlicher Schreibweise gab es vier Dörfer mit gleich lautendem Namen in der Niederlausitz. Ein Wei… oder Wei… ist abgebaggert. Die Lausitzer Buchweizenplinsen sind eine Spezialität von Weissag im Lukaitztal, wo auch noch der Buchweizen kleinflächig angebaut und gemahlen wird und ein schwarzdunkler Buchweizenhonig produziert wird. Weißack mit seinem Hochmoor liegt dagegen nordwestlich von Crinitz und wartet mit urigem Waldhaus und Pension auf. Muss man wissen, wenn man die regionalen Buchweizenplinsen essen oder die alte Mühle vorgeführt bekommen möchte. Wir möchten diesmal nicht. Einige erkennen trotzdem mit freudigem Grinsen das Waldhaus mit dem fehlenden Plinsenangebot. Ja, da warn wir schon einmal und in Weissag mussten die Wirtsleute ihre Plinsen allein essen.
Herbst im WaldhausTrassenbau: woher, wohin?
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ZurückSchussgerade aus der Nähe
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Richtung Walddrehna steht der Wald wieder auf Sand, Sand, Sand. Die Hügel sind als oberste Stufe des Waldes mit ausschließlich Kiefern bewachsen, die Ansitze gezielt in die Senken mit ihrem krautigen Grün gerichtet. Ab und zu eine blaue Info-Tafel: “Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete. Vorhaben zur Vorbeugung von Waldschäden gem. EU-MLUL-Forst Richtlinie vom 14.10.2015” – wir haben einen Jahrestag erwischt.
Den “Mosesberg” von geschätzten 60 Meter Höhe möchte niemand mehr erklimmen.
Vor Walddrehna noch einmal über die Wiesen und über schlammtrockene Gräben in der ehemals vernässten Niederung.
7. – 13. Oktober 2018 ein→ BERGWALDPROJEKTim Forstbezirk Eibenstock, Staatsbetrieb Sachsenforst
Einzelschutz für die Weißtanne
Ankunft in Johanngeorgenstadt: feuchter Nebel. Ein letztes Mal am frühen Morgen, danach Sonne, Sonne und klarer Sternenhimmel
Auf der Suche nach dem dunklen Smaragd
Meine Bahn schlängelt an der Zwickauer Mulde entlang, durch das Tal des Schwarzwassers nach Johanngeorgenstadt. Ab Aue nur noch Wald, Wald – zumeist tiefgrüner Fichtenwald. In Zeiten des Klimawandels drängt der Waldumbau. Für Pflanzungen in die Fichtenreinbestände ist in diesem Jahr der Boden zu trocken. Das Bergwaldprojekt wird eingesetzt zum Einzelschutz junger Weißtannen. Deren Knospen sind lecker für das Wild: der Trieb weich wie Butter im Vergleich zu den kratzigen jungen Fichten.
Mehrfach über den BachArbeit am Hang
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Die schönste MittagswieseMit Puscheln sicher
Alles Biologische und Forstwirtschaftliche ist im Internet nachzulesen oder mit einer Waldführung zu erfahren. Während der Arbeit kommt es eher darauf an, die oft Minipflänzchen und versteckten Bäumchen unter Farn, zwischen Brombeeren und Fichten, in tiefen Löchern und jenseits gerader Reihen zu finden. Und es ist allerhand anderes dabei zu entdecken von Orchideen bis zu Steinen.
Goldsucher oder was?Feldspat,Quarz, Glimmer mit schwarzem Turmalin
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“Waldkoralle”Minifichten und Flechten am Stein
Unbewusst oder gezielt gehen nach Farbe. Keine andere Pflanze hat dieses glänzende, leicht blau wirkende, dunkle Grün: Malachit und Smaragd, grünes Gold. Dieser Farbklecks ist inmitten der tausenderlei Grün- und Erdfarben zu entdecken, ehe dann zur Sicherheit die flache Nadel untersucht werden kann. Der Farbton sagt das meiste aus. Ganz selten drehe ich einmal ein Zweiglein junge Fichte (oder Douglasie?) durch die Finger. Das Licht hat mich dann einen kurzen Moment zum Narren gehalten: Licht, das den Wald und seine Farben ständig verändert oder blendet oder alles zum Lodern bringt.
Die Computeraugen erholen sich.
Futter oder hier gerade nicht? Wie denkt das Wild?Flachwurzler Fichte: ohne H2O, wenig Halt, kaum Humusbildung,
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Wie das Rotwild dem Nutzwald schadetParadebeispiel Ökosystem: Bodendüngung + Nahrung für Nager
Wieviele Kilometer wir gelaufen und geklettert sind, weiß ich nicht. Manchmal eine Herausforderung – sonst wäre es kein Bergwaldprojekt. Manchmal ist das Wild zuvor gekommen. Irgendeine Knospe eines solchen Bäumchens wird es trotzdem schaffen – hoffen wir.
Störend für das übersättigte Auge finde ich seit jeher den eigenartigen Schmuck von jungen Bäumchen im Wald. Aus meinem Gedächtnis hab ich mehr zu bieten als aus meinem Fotofundus:
1. Pink, Neongrün, Zinnober, BASF-Blau oder Weiß aus der Spraydose oder mit Pinsel aufgetragen
2. Plasteklammern ebenfalls in diesen Farben
3. Die sogenannte Drahthose – ab und zu liegt solches Drahtnetz am Wegesrand.
Plasteklemme orange, Tschechien Februar 2018Plasteklemme blau, Tschechien Februar 2018
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Gepinselt? Februar 2018Gesprüht? Februar 2018
4. Zart aquagrün schimmernde Plasterohre (Fachbegriff Terminaltriebschutzmanschetten?) bilden ganze Wäldchen und umhüllen junge Laubbäume. Irgendwann splittert die harte Plastik und verteilt sich in Stücken am Boden. Angeblich verrottet das Zeug. Das war wohl eine Behauptung vor dem Entsetzen über Mikroplastik in der Umwelt.
Manschetten, Erzgebirge Februar 2018Die Öko-Spender (hier im Fläming)
5. Die Variante Schafwolle – verwendet vom Bergwaldprojekt – wird als zu dezent leicht übersehen. Da hat halt ein Tier ein Stück Fell im Nadelwald verloren – manchmal schwarz, manchmal weiß. Manchmal rötlich. Färbt die stark fettende Wolle, dann kann auf Blut oder Kacke getippt werden. Auch Hanffaser soll funktionieren, obwohl sie nicht zusätzlich mit Geruch abschreckt. In jedem Fall ökologisch und der Natur gemäß.
Doch die Terminaltriebknospe, die nach oben das gerade Wachstum des Baumes ermöglicht, braucht nur ein Jahr, bis im Frühjahr ein neuer Trieb mit Knospe manchmal viele Zentimeter hoch schießt. Keine Schutzmaßnahme wächst mit. Das Wild beißt wieder zu.
Die Gier nach SchafArbeitsanleitung
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Weiße PuschelSchwarze Puschel
Jahr für Jahr müsste der Einzelschutz erneuert oder höher versetzt werden, um die Wirtschaftlichkeit des Waldumbaus zu garantieren. Ein Forstwirt wird dafür aus Kostengründen ungern in den Wald beordert. Auch fühlt sich das starke männliche Wesen in der Regel unterfordert, gelangweilt, beschämt.
Bei Widerspruch verweise ich auf die Arbeit der Gartenämter. Frauen rechen. Männer pusten mit viel Benzin und Kraft die Blätter samt den letzten Insekten der Welt mit Freuden und stolz geschwellter Brust ins Nirwana. Da ist man wer.
Vergleichbar schließe ich: zumindest der Verbiss-Schutz aus der Sprühdose garantiert ein höheres Maß an abgeführtem Testosteron als ein Schafwollpuschel.
Oder jagen. Aber das ist ein anderes → Thema. Arbeiten wir für natürliche Waldverjüngung, die eines Tages massenhaft und ohne Ende produzieren wird!
Ausflüge ins Hochmoor “Kleiner Kranichsee” und auf den Auersberg
Zwei After-Work-Ausflüge: Das Hochmoor „Kleiner Kranichsee“ gilt als eines der am besten erhaltenen Moore in Sachsen. Der Moorkiefernwald bereits von erheblicher Höhe, dicht und ohne Birken. Die nassen, aus vorwiegend Niederschlägen gespeisten Flächen kleinteilig überschaubar – ein sehr nordisches Märchenbild, dessen feuchtes Dickicht Mumins und Trolle im Dämmerlicht durchstreifen. Bei uns ist es noch sonnig.
“Gefressen” vom HochmoorMärchenhafter Kleiner Kranichsee
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Die Beeren des Moores: schwarzblau und rotWollgras – fast mit Einzelschutz zu verwechseln
Den 1019 m hohen Auersberg mit Aussichtsturm und Radarstation erreichen wir ebenfalls mit kurzem Abzweig. Den Asphalt hinauf, bis zum Horizont wie mit dem Lineal gezogen. Oben also vor allem Autos, denn so möchte niemand laufen, auch nicht für die schönste Aussicht. Die ist es nicht. Angepriesen wird der Kammweg Erzgebirge – Vogtland. Ich entscheide mich für Heimfahrt ohne Wandern. Erzgebirge bedeutet wohl doch eher Weihnachten und Schnee.
Blick vom AuersbergAuerhuhn längst tot, Radarstation dreht
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Faszination Bergwerk. Im “Glöckl” Johanngeorgenstadt
Eine Führung durch das → Schaubergwerk möchte ich sehr, sehr empfehlen – genehmigt ab 5 Jahren. Auch für Menschen, die schon viele Bergwerke kennen: die “Wismut” ist besonders.
“Einfahren” in die Grube geht auch laufendModerne Hunte
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ErzkisteKumpel
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Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt.
Und er hat sein helles Licht bei der Nacht
schon angezündt, schon angezündt.
Für alle, die für alte Männer, die Bergbautradition und das Erzgebirge keine Sympathie empfinden können: wenigstens für den musikalischen Spaß hier eine → Version mit Angelika Niescier, Saxophon (gibt’s auch militärisch 🙁 oder mit dem → Kumpelverein Aue und → FC Schalke 04).
Bergleute waren die ersten, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts zu gemeinnützigen und auf gegenseitige Unterstützung orientierte Bruderschaften unter dem Namen Knappschaft zusammenschlossen – historisch bedeutsam und seither mit der Muttermilch aufgesogen. Da musiziert man auch gern z’samm.
Alter SchachtNach der Versuchsbohrung Zitterhändchen?
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Maschinenraum, heute MettensaalHeilige Barbara, Schutzpatronin der Bergleute
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Wer jemals als Kind vor einem sich mechanisch bewegenden, vielstöckigen Miniaturbergwerk gestanden hat, in dem die Hunte rollen und kleine Bergmänner hämmern, wird sein Leben lang immer wieder einfahren wollen – wenigstens ein bisschen. In diesem Bergwaldprojekt habe ich sehr gespürt, wie eine Landschaft, ihre Tradition prägen – das Zentrum Freiberg, Sachsen, der Harz, das Mansfelder Land, Thüringen: fließende Übergänge seit Jahrhunderten.
s’ is Feieromd
Die Abendmahlzeit. Drei Gänge Überraschung: in jedem Fall vegetarisch, auf Wunsch vegan in extra Töpfchen.
(…nee, nich Vesper, das is in Mittel-Ost-Deutschland der Gang zum kirchlichen Abendmahl mit einem einzigen Schluck Wein…)
Zum Feieromd Spiele, das funzt schon seit der römischen Kaiserzeit. Nix gewinnen außer Lachen. Und kuscheln – manche immer, manche manchmal.
Haselmausersatz´s is Feieromd. Danke für den Tipp: gehört bereits mir!
*** Problematische “Volkskunst”: manches verboten in der DDR, wieder problematisch wie der Text der deutschen Nationalhymne von A.H.H. von Fallersleben – der historische Kontext kann nicht mitgesungen werden. Kommentare sind für entsprechendes Liedgut im Internet deaktiviert. Lieber auch nicht wissen, was da zu lesen war… → Sachsen 1933- 1945: der historische Reiseführer. Ch.Links Verlag, Berlin, siehe auch Heimatwerk Sachsen, Wikipedia.
Medial aufbereitet (immer etwas zu gefühlig gesäuselt) trifft nicht jedermanns Geschmack, → hier ein Erzgebirgsüberblick. Das, was das Erzgebirge heute ausmacht, wird angesprochen; mit kurzem Filmausschnitt “Sonnensucher”.
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