Unterwegs in Berlin bis ich mich vom 7. – 13. Oktober imBERGWALDPROJEKTin Eibenstock / Erzgebirge körperlich und geistig von Abraum bis Berg mit Aufbäumen ABarbeiten werde
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Briefmarke, Ausgabetag 23.4.1969. Seit jeher: Wasser predigen und Wein trinken
Freiheit und Demokratie, die ich meine: Globalisiert denken anstelle Globalisierung. Aber (das berüchtigte ABER) niemand sollte glauben, dass Stromnetz- und Trassenausbau von N nach S in Kürze nicht ebenfalls ausschließlich gewinnbringend und wachstumsorientiert durchgepeitscht werden.
Anders denken? Im Martin Gropius-Bau Berlin wird in der Ausstellung “Bewegte Zeiten” bis 6. Januar 2019 gezeigt, was für Entdeckungen gemacht werden, bevor alles Land versiegelt wird für Straßen- und Wohnungsbau, Energiegewinnung und die unersättlichen Bedürfnisse einer wachsenden Welt-Bevölkerung. Hab sogar unter dem Titel Berggeschrey eine Haspel, eine Fahrt (Leiter), Pochsteine und Geleucht aus dem Erzgebirge entdeckt – nicht so spektakulär wie die Himmelsscheibe von Nebra – eins der wenigen Fundstücke nicht aus einer Siedlung, sondern direkt (leider illegal) und ohne Baumfällung aus dem Waldboden gewühlt.
Und noch eins: ohne vorherige ABholzung und Bergbau – von Archaeopteris und Archaeopteryx hätten wir keine Ahnung!
Das is doch ein – aeh – Aequivalent für Bäume?
Bewegte Zeiten – eine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin, bis 6. 1. 2019, erstmal Stillstand: der Zug fällt aus… also doch B-ewegung mit A?
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Von A nach B im unendlich Problematischen gelandet
Die nahe gelegene Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin zeigt ebenso passend zu meiner Fahrt ins Erzgebirge ein unterhaltsames “ABC des Reisens”. Das Ende der Kunst ist noch nicht gekommen, wird am Ende des Ausstellungssaales behauptet. Könnte sein: Berlin zwischen Kunstforum, Philharmonie und Staatsbibliothek präsentiert sich rechts und links und mittig christoverpackt und experimentell. Clean oder chaotisch, das ist die Frage nach unserer städtebaulichen Zukunft. Aktuell fliehe ich beides mit geklautem Ausstellungstitel für ein “ABC des Wanderns” (AB und WANDERN!).
Clean: Kulturforum Berlin 2018, mit Bildklick Blick ins lokale Chaos
A
wie Album. Aufstieg und Abstieg. AtomAusstieg fließt noch glatter von den Lippen. Ab Montag: Aufbäumen. Alternative gibt es nicht.
B
wie Bericht, bei mir als gespannter Bogen Richtung Bergwaldprojekt.
Weiter komme ich nicht. Meine ABC-Wandergedanken verheddern sich: Atomausstieg – ABraumhalde – ABdeckung. Ich bleibe mit Auto in diesem Erzgebirge stecken, denn: gegenwärtig herrscht dort wieder „Berggeschrey“ mit Bohrungen von internationalen Bergbauunternehmen. Lithium und Kobalt sind unverzichtbar geworden beim Bau von Batterien für E-Autos und plötzlich heiß begehrt.
Die späteren, synthetischen Farben haben nicht die dunkle Leuchtkraft wie hier das Porzellan oder das Glas
Kindheits-Erinnerung Blau: festlich gedeckte Tische, kobaltblauer Porzellanzauber, streng geometrisch geschliffenes Kristall, der schönste Römer glitzerte rubinrot, zwei in dunklem Blau. “Strahlendes” Annagrün war auch dabei. Kobalt wurde seit Mitte des 16. Jahrhunderts im Erzgebirge abgebaut. Wenn im Gestein das Silber weniger wurde, narrte dieses ähnlich aussehende „Silberräuber-Scheißerz“ – der „Kobolt“. Als entdeckt wurde, dass sich daraus Farbe gewinnen ließ, wurde der Abbau eine „Goldgrube“ für sächsisches Kobalt- und Blaufarbwesen.
Nach 1945 gab es im atomaren Wettlauf der Großmächte den Run auf Uran, die bis dahin weitgehend nutzlose „Pechblende“.
Als chemisches Element mit dem Namen Bismut ist es mit W geschrieben ein Albtraum geworden. Der gesundheitsschädliche Uranbergbau wurde im Herbst 1989 bei der “Wismut” eingestellt.
Noch immer sind diese Umweltzerstörungen nicht vollständig saniert, auch wenn nun seit langem renaturiert wurde. Reicht die Abdeckung von Abraum und Schlämmen gegen die Strahlung? Bäche und Flüsschen sind mit Arsen und Salz belastet.
Die seltenen Erden haben noch keinen so schlechten Ruf wie die Braunkohle. Wird das so bleiben?
Wird es wieder einen Boom geben in den erzgebirgischen Orten? Was wird aus dem Wald? Wieder eine Haldenlandschaft? Aufbäumen gegen die Montanindustrie und das E-Auto?
Bin gespannt.
Bis bald!
Psalm 96.12.:
Lasset rühmen alle Bäume im Walde
Demo gegen Insektensterben, Massentierhaltung, Umweltzerstörung…, Berlin, 20.1.2018
Nach erfolgreichem Bergwaldprojekt und einer spannenden Führung im Schaubergwerk von Johanngeorgenstadt: Kein Uran ohne Kobalt und kein Kobalt ohne Uran. So knallehart auf den Punkt gebracht, ist das sonst nirgends geschrieben.
Und die hier noch lebenden Nachfahren der Bergleute? Einmal Bergmann, immer Bergmann.
Ich kann den Kitzel nachfühlen. Erzgebirge, Mansfelder Land, Harz, Thüringen – nirgends ein Ort ohne Sagen aus dem Berg. Feengrotte, Baumannshöhle, Frau Venus, die Zwerge, die glitzernden Schätze, die blaue Blume und das heilige Licht in der Dunkelheit… Von der Geologie, der Formen- und Farbvielfalt des Gesteins und der Mineralien ganz zu schweigen.
Man bricht Stollen durch die Felsen, und alles, was kostbar ist, sieht das Auge. Man wehrt dem Tröpfeln des Wassers und bringt, was verborgen ist, ans Licht. Wo will man aber die Weisheit finden? Und wo ist die Stätte der Einsicht?
30. September 2018: ca. 12 km Solo geschlendert von Fangschleuse durchs Löcknitztal nach Klein-Wall und Mönchwinkel, von dort zwischen Straße und Spree ein Wildwegversuch nach Hangelsberg
Der Löcknitz-Urwald Höhe Fontane-KieferFischtreppe in der Löcknitz bei Klein-Wall
Durch das Naturschutzgebiet Löcknitztal führt einer der schönsten Wanderwege in Berlin-Nähe. An Wochenenden keinesfalls einsam, geht es Richtung Anglerparadies Klein-Wall – eine Forellenanlage mit Fischrestaurant. Die Masse der sich dort tummelnden Fischliebhaber reist aber doch lieber per Auto oder Fahrrad an.
In der Not frißt der Teufel Fliegen30.9.2018, zwischen Klein-Wall und Mönchwinkel: einige Pilze sind doch zu entdecken!
Pilzsuche in diesem Jahr ist keine Option. Aber siehe da: nach einem jungen Rotfussröhrling lässt sich ein echtes Rotkäppchen finden.
Später als Augenschmaus eine mir unbekannte Spezies, dem ungenießbaren, sparrigen Schüppling ähnlich. Nicht gesammelt, aber gegoogelt hab ich nun diese: Goldfell-Schüpplinge (Pholiota aurivella, syn. Ph. cerifera). Parasiten oder Saprobionten (von totem Material lebend) an lebenden und frisch gefällten Stämmen. Nicht sehr schmackhaft, aber als Mischpilze zu verwenden – das wär was gewesen…
Zwei echt große, sandbraune Röhrenpilze sind aber hinzu gekommen, für mich nicht genau bestimmbar. Leider nicht fotografiert, dafür sahen sie zu gewöhnlich aus. Google weiß es: der Parasitische Röhrling, eine seltene Pilzart, die ausschließlich an Kartoffelbovisten wächst und in manchen Gebieten in den Roten Listen gefährdeter Großpilze geführt wird. Genau! Den schon dunkel vergammelten, auch riesigen Kartoffelbovist hatte ich zuerst entdeckt.
Insgesamt: kein Wunder, wenn mein Abendessen nicht nach Pilz geschmeckt hat. Aber hinterher gab’s drei Tassen leckerste Birkenporling-“Fleischbrühe”!
Rastplatz Mönchwinkel mit Selbstbildnis in der SpreeDiverse Verkehrs-Möglichkeiten zwischen Hangelsberg und Erkner: 32 Euro auf dem Wasser.
Ab Klein-Wall Richtung Mönchwinkel und Hangelsberg wird es für mich eine Entdeckungstour. Zur Sprunggelenkschonung verdammt, verzichte ich sehr schnell auf die Gestrüppmöglichkeiten in Nähe der Löcknitz. Nun gibt es allerdings nichts anderes als den mit rotem Strich markierten Forstweg, zum Wandern eine Zumutung. Erst nach Überqueren der Bahnlinie und Straße wird es landschaftlich reizvoll mit Blick in eine längst trocken gelegte Schleife der Spree. Wegelose Möglichkeiten, das Tal jenseits der einzigen Straße und durch den Wald bis Hangelsberg zu durchqueren, gibt es. Ich ziehe zur Orientierung dies Mal nur kleine, straßennahe Bögen. In jedem Fall ist es gesünder, sich streckenweise durchzuschlagen als den Straßenrand dieser Landautobahn zu nutzen.
Nicht ganz einfach zu erreichen: die Spree aus der NäheVersteckte Zivilisationsreste – immer noch besser als weiße Taschentücher…
Vor Hangelsberg wechsle ich zur Spreeseite. Suchet, so werdet ihr finden. Die Wandersleut können sich anstelle auf einem Radweg wahrhaftig auf dem Berg entlang hangeln. Steil (für den echten Märker) fällt es hier zur Spree hin ab und zur Straße hin ebenfalls.
Dass die Eichhörnchen dieses Jahr verhungern, dürfte ein Gerücht seinSieh an: Hangelsberg hat wirklich einen Berg!
Auf diese Art und Wanderweise ist freilich kein im Voraus berechneter Zug zu erwischen. Mich entschädigt das Gefühl des Abenteuers. Ungesehen von der Straße aus geht es zum Schluss auf einer Art Trampelpfad sogar noch vom ersten Haus am Berg bis ans Ufer der Spree. → Unvollendete Privatisierung.
Es war einmal und soll wohl nicht mehr seinPrivate Ufer
Das Enteignete, das Verlassene, das Verfallene, das Gekaufte, das Gerettete, das Versperrte. Das Verfeinerte und das Gewöhnliche. Die Gleichgültiglkeit und die Achtsamkeit. Das Volkseigentum, das Privateigentum. Das Eigene und das Fremde. Die Gerechten und die Ungerechten oder umgekehrt. Die Nostalgie hat viele Facetten in sehr weitreichenden Dimensionen.
Hangelsberg in neuer SchönheitHangelsberg – es wird…
15.9.2018: rund 20 km mit den Cöpenicker Wanderfreunden und Hans-Jürgen Deutschland von Krzewina zum Kloster Marienthal, entlang der polnisch-deutschen Łužiska Nysa – der Oberlausitzer Neiße – bis Hirschfelde
Einmal um Krzewina nach Ostritz
Mit den Cöpenicker Wanderfreunden auf der polnischen Seite bei Krzewina
Die Bahnstrecke Cottbus – Zittau führt vom Bahnhof Krzewina Zgorzelecka bis Hirschfelde über polnisches Territorium. Die Neiße als Grenzfluss erzwingt seit der Westverschiebung Polens nach dem Zweiten Weltkrieg ein kurioses Miteinander.
Krzewina: ein Dörfchen mit einem typisch polnischen Lebensmitteladen (alles Notwendige vorhanden), einigen Oberlausitzer Umgebindehäusern, wenigen noch-Bauernhöfen – wie überall auf der Welt nicht von Reichtum gesegnet.
Auf dem Feldweg Richtung Neiße: die Hagebutten riesig, die Bäume knackevoll mit Birnen und überreifen Äpfeln jeglicher Sorte. Berlin ist zu weit, um Länder überspringend am Öko-Lifestyle der Großstadtmenschen zu partizipieren.
Das Traumhaus in KrzewinaKropka – “Punkt” für gute Ware für gutes Essen
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Zu kleine Rucksäcke für die ObstschwemmeSortenprüfung – sauer ist gut, nur nicht unterwegs
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Stehe still mein lieber Wandersmann…Spätsommer östlich der Neiße
Stehe still mein lieber Wandersmann,
Betracht, was ich für dich gethan;
Siehe an meinen blutgen Schweiß,
Alsdann verrichte deine Reis’,
Im Namen unseres Herrn.
Errichtet von Franz Eisler, Gutsbesitzer in Grunau, 1837
Ostritz, auch ein Traum(a)?Nichts ist mehr wie es war…
Ostritz – normaler Weise interesselos durchfahren – überrascht mit einem versammelten Häuflein Polizei. Ach ja, da war doch was bei den liebenswürdigen, gemütlichen Sachsen, die sich ihre Heimat nicht kaputt machen lassen wollen von Rechts. Unmissverständlich und riesig zum Empfang an die Hauswand gesprüht: “…Nationalisten ertränken”. Als Ortsfremde lese ich langsam und brauche einige Zeit vom einsamen, polnischen Feldweg auf deutsche Kleinstadtidylle umzuschalten. Für ein Foto zu spät.
Nicht selten künden auf dem Weg nun die Wasserstandsanzeigen von 2010: Mittelmeer ist vorstellbar. Zwischen ertrinken und ertränken gibt es einen einzigen Buchstabenwechsel. Lechts und rinks sind schnell velwechsert. Über das kreisrunde Loch im Fensterglas am Markt mache ich mir nun doch Gedanken.
Aber: es gibt schnucklige Häuser in Ostritz.*
Von Ostritz zum Kloster St. Marienthal
Collage: Bildnis Bernhard von Clairveaux aus der Klosterkirche plus Bittschrift über dem Portal der ehemaligen Wagenremise
Das um 1230 gegründete Kloster St. Marienthal ist das älteste, ununterbrochen existierende Nonnenkloster des Zisterzienserordens in Deutschland. In der Niederung in unmittelbarer Nähe zur Neiße angelegt, wurden die Gebäude 1683 durch einen wütenden Brand niedergelegt, später von den Hussiten und 2010 vom Hochwasser zerstört. Inzwischen vollständig saniert, beeindruckt das Architekturensemble mit seinem schweren, böhmischen Barock.
Geliebt: Papst Johannes Paul II – Karol Józef WojtyłaKloster St. Marienthal hinter der Mauer
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Radwander-ParadiesStille, Andacht, Festlichkeiten
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Ohne Zweifel: der Sinn eines Klosters ist verinnerlichtDer Früchte tragende Weinberg Gottes…
Das Leben aber scheint für das Kloster auch ohne Flut und Eroberungen höchst virulent. Es gibt vieles zu kaufen. Man kann und darf vieles – vom Gast-Wohnen bis zum Schlemmen und natürlich heiraten. Es gibt ein Schau-Sägewerk, einen Garten der Bibelpflanzen, einen Wein-(Bibelpflanz-)Berg, einen Kalvarienberg und zu allem Führungen, Seminare, Workshops. Kloster St. Marienthal – Mitgliedsbetrieb beim ADFC und bei Oberlausitz per Bus. Auf facebook ist das Kloster auch. Nur die Pflaumen vor der Mauer fallen ungenutzt von den Bäumen.
Entlang der Łužiska Nysa – der Oberlausitzer Neiße
Das derzeit “zahme” Wildwasser der Neiße
Zu Fuß das Neißetal entlang bis Hirschfelde ist nach der Flut und Freigabe des neuen Radweges kein uneingeschränktes Vergnügen. Dass die Orte vor neuem Wasser geschützt sind durch Spundwände, ist in Zeiten des Klimawandels notwendig. Die durchgehende Versiegelung des Talweges aber hat nichts als den Kloster-Touri im Blick: Wachstum um jeden Preis – das wildromantische Tal von einst ist zur Parklandschaft mutiert. Der noch heimische Feuersalamander wird erFAHRungsgemäß bald den rasenden Radlern auf dem glatten Asphaltgeschlängel zum Opfer fallen.
Hinweistafel. Suchet so werdet ihr findenDie Entdeckung des Wunderbaren
Die betagten Ordensfrauen freilich werden unbeschwerlicher als über blank geschliffene Basaltsteine oder schlichte Waldwege den Felsen am Höllbach mit dem “verlassenen Kreuz” erreichen. 1774 errichtet, durfte dorthin mit 1870 verschärften Klausurregeln einige Zeit lang nicht gepilgert werden. Vor wenigen Jahren hat der Gekreuzigte den legendären Ort noch endgültiger “verlassen”: das blecherne Kleinod wurde ganz gottlos geklaut.
Das Neiße-Wehr am Kloster MarienthalRest der Neiße-Brücke vor Marienthal
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Gedenktafel für König und KaiserHeilquelle-Rastplatz am Neiße-Radweg
Nur wenige Flusswindungen hinter dem Höllenbach fließt ein Bächlein den meist steilen, durchgehend bewaldeten, westlichen Hang hinab – wahrscheinlich das Rinnbörnel – hier als „Heilquelle“ bezeichnet. Zusätzlich kleine “Bommeln” bergauf zu laufen, könnte zur lohnenden Entdeckertour werden – so wie die Gedenktafel “Zum Andenken an König Albert von Sachsen, Kaiser Friedrich III und Wilhelm I” eigentlich nur auffällige Markierung ist für das dahinter liegende Felsgebilde aus Rumburger Granit – eine geologische Besonderheit.
Kurz vor Rosenthal ein “Wolfsgraben”. Die neuen Wölfe haben sich glücklicher Weise und gottgefällig aus dem Klosterwald in die weitläufigeren Wälder der Niederlausitz verzogen.
Tunnel-Suchbild, geheimnisvoller Weg am östlichen UferKlosterwald: geschützter Hangwald
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Befestigungsmauer des östlichen Ufers, unterhalb ein blühendes KnöterichdickichtDurch den Staudenknöterich hindurch ist diese Brücke über die Neißeschleife kaum zu sehen
Anderes beunruhigt im Landschaftsschutzgebiet “Neißetal und Klosterwald”: auffällig überwuchern urwaldartige Bestände des Staudenknöterichs die Ufer der Neiße. Der über zwei Meter hohe Neophyt hat flächendeckend beidseitig, weit ins Wasser ragend alle einheimische Pflanzen verdrängt. Stellenweise sieht das östliche Ufer nicht mehr begehbar aus.
BahnbrückeAngst-Brücke
Schon die Zerstörung der einstigen Brücken Richtung Kloster hat der Durchgängigkeit ein Ende bereitet. Zwischen der Fußgängerbrücke am Bahnhof Ostritz und einer Brücke in Zittau gibt es wahrhaftig nur die Möglichkeit, die enge Schlucht der Neiße mit dem Zug zu queren. Wieder habe ich auf der Rückfahrt verpasst: queren wir eine oder zwei Brücken? Der Radweg schlängelt sich unter zweien entlang. Hilf, Maria hilf: von unten bestens sichtbar – wirkt zumindest eine der Brücken erschreckend verbogen und instabil.
Mir war das Überfahren mit dem Blick nach unten nie geheuer.
Wir opfern uns als VergleichsmaßstabDie Neiße verblockt
Zwei voll besetzte Schlauchboote juchzen heran. Ja, es kann von Hirschfelde nach Marienthal gepaddelt werden. Nach mehr als einer Stunde hängen die Boote – vom Zug aus zu beobachten – immer noch zwischen den Steinen der durchaus auch tückisch strömenden Neiße. Das sieht weniger lustig aus…
Oberlausitzer Umgebindehäuser und Industriekultur
Nie hätte ich gedacht, noch einmal einen Ort mit so vielen, aneinander gereihten, unverfälschten Umgebindehäusern zu entdecken. Die Traumhäuser meiner Kindheit! Lebensgefühl: Geborgenheit.
Wahrscheinlich liegt die Ästhetik dieser Häuser im Reiz des unterschiedlichen Naturmaterials und der nachvollziehbaren Funktionalität einer Kombination von Block-, Fachwerk- und Steinbau.
Rosenthal – palastartigGeheimnisvolle Industriebauten mit Patina
Ähnlich begeistert der erste, heute nur flüchtige Blick auf die Bauten des “Historischen Hirschfelder Industriepfades”.
Erstaunlicher Weise gibt es in diesen Grenzorten im Dreiländereck noch viel, viel zu entdecken, bevor die seltenen Überbleibsel hinter perfektionistischer Restaurierung und angepasst an unsere gehobenen Bedürfnisse verschwinden werden. Vielleicht gehen sie auch endgültig verloren, weil weder Landschaft noch Bauten tätig und langsam wachsend, wieder belebt werden können. Klaro – orientalisch und südländisch liebten es die Sachsen schon immer. Hier und heute wäre manches zu schaffen. Mit rasanter Globalisierung ist allerdings nichts zu haben außer teure Billigkeit mit Austauschbarkeit und Charakterlosigkeit aller Dinge.
Hirschfelde: Bahnhof in Sicht!Bienenweide oder die Geschichte vom verlorenen Glück
Sehnsüchtig und nostalgisch, voll mit unerwarteten Eindrücken: icke.
*→ Energie autark, ein anderer Blick auf Ostritz
Die Bilder sind mit Klick scharf zu vergrößern. Sehr Danke für zusätzliche “Menschenfotos”!
Vom Wald-Wandern war bisher nicht zu leben. Vom urbanen Wandern als Promenadologie immerhin freiberuflich mit Fotografie, Talkwalks und Büchern.
Aber JETZT
gibt es die “Kunst des Waldbadens” als Wissenschaft – vom Wald bis zum Fensterbrettbonsai inklusive mehr Holz im Alltag. Begründet als “Shinrin Yoku” von Dr. Quing Li, dem weltweit führenden Experten für Waldmedizin, Prof an der Nippon Medical School in Tokio, Vizepräsident und Generalsekretär der International Society of Natur and Forest Medicine, Präsident der Japanischen Gesellschaft für Waldmedizin und Mitglied im Leitungsgremium der Waldtherapie-Gesellschaft in Japan. Sein Buch boomt auf dem deutschen Hauptstadt-Kultur-Büchertisch in unzähligen Praxisbuch-Varianten, u.a. vom “ersten deutschen Shinrin-Yoku-Coach”.
Dr. med. Wald empfiehlt:
Entdecken Sie ihre Wurzeln!
Kultivieren Sie ihren Stamm!
Jegliche Heilung kommt aus dem Wald!
Auch die eines klammen Beutels – sofern der Boom voraus gesehen wurde. Von mir bekannten Menschen leider nicht. Aber vielleicht klappt es noch mit der Organisation eines Wildnis-Retreats als Ganzkörper-und Gehirn-Weichspülung.
Mit Meditationsübungen “kognitive Stille” – JAAAAA! Unbedingt!
Being-away → zur Waldbade-Teezeremonie – für Glück und Gesundheit vom 19.1.2017, Belziger Busch –
noch vor dem Japan-Waldbadeboom!
Jenseits vom Geschäftsmodell “Waldbaden” gibt es ohne Blabla KOSTENLOS Glückshormone und Stille im Wald.
Nachtrag 2019: Musik in Kirchen hat nun sogar das KLANGBADEN entdeckt.
WANDERT einfach, solange manche Natur noch ticketfrei ist. Badet, so lange der See nicht blaualgenblau nach Luft schnappt.
Und sagt dem exzessiven BILDSCHIRMBADEN ab.
7. September 2018, zwei Ziele, aber nur eins als Wanderung: die Krähenrummel mit oder ohne Wolf und weiter zur Lesung von Ingo Schulze in die Bibliothek vom Gasthof Moritz in Rädigke
Nebel und Stille im Addatal hinter Niemegk
Mit dem Bus von Bad Belzig bis Niemegk. Es unterhält sich nett mit dem Busfahrer, vor allem über Wölfe*. Pfefferspray soll schon vom Geruch her wirken, sogar wenn ich im ersten Schreck gegen mich selbst ziele.
Das Adda-Tal bei Niemegk liegt noch im Nebeldunst vom nächtlichen Regen. Zwischen den letzten Kleingärten springt wenige Meter neben mir ein wohlgenährtes Wild hoch, vielleicht sogar eine Hirschkuh – riesig und graufellig. Schlussfolgerung: nirgends Wölfe.
Versteckt fließt die Adda durch ihr Tal
Ich trau mich ins dichte Erlengebüsch vom Springebusch – Spring, der Name für Quelle. Aber der kurze, renaturierte Adda-Bach verbreitert sich noch vor der Waldgrenze zum sumpfigen Quellgebiet.
Meine Wanderung geht Richtung der relativ unbekannten Krähenrummel und Krähenborn (richtiger wahrscheinlich nur Kräh…), beide kenne ich noch nicht. Stopp. Meinen Abzweig ziert kein grüner Wegweiser, sondern ein gelbes, unmissverständliches Schild. Die Zeitungsmeldungen der letzten Tage tickern durch mein Gedächtnis: Lokales Potsdam-Mittelmark, 17.08.2018, Treuenbrietzen, 21 tote Rinder.
Wegscheide mit Warnschild
Auf der Suche nach einem spießspitzen, stabilen Knüppel: eine Hundespur, eine Dachs-, eine Iltisspur? Haha, ihr Daheimgebliebenen. Nein, diese Spur geht quer und gerade und nirgends sonst noch wie ein netter Haushund. Abstandshalter her. Ich rekapituliere meine wenigen, nicht ernsthaft betriebenen Tai Chi Unterrichtsstunden mit kurzer Stockwaffe. Langstock wäre wohl die bessere Option gewesen. Eventuell kann ich mit dem Rucksack auf der Stockspitze wedeln und mit Größe erschrecken. Weit weg werden die angeblich menschenscheuen Karnivoren nicht stecken nach diesen Waldbränden. Treuenbrietzen liegt nicht viel mehr als 10 km entfernt.
Knüppel aus dem Sack und Stockkampf üben. Hier liegt aus Richtung Adda deutlich eine feuchte Wolfspfote über der anderen.
Keinesfalls jetzt direkt zur Krähenrummel. Woher und wohin die Markierung Flämingwanderweg Nr.43 führt, ist nicht gesagt, aber ich weiß, lt. Karte haben Richtung Hohenwerbig wenigstens Wolf und ich viel freie Sicht.
Beruhigend schleicht hinter mir ein Auto des Forstes. Komm schon – warum hält der so lange mit eingestellten Scheinwerfern? Ah! Auch mir geht das Licht auf. Ich präsentiere mich beruhigend frontal, bekomme zwei Doku-Fotos auf mein Handy – das hier veröffentlichte der Situation angemessen. Der nette Forstmensch hat zusätzlich ein harmloses Lächeln eingespeist – mit Sicherheit gehört er nicht zu den Befürwortern „wolfsfreie Zone“.
Richtung Zeuden, schon jenseits der alten Poststraße
Ich werde mit Hinweis auf die alte Poststraße und „die tun ihnen nichts zum Freitag“ verlassen. Sieben Wölfe sollen es sein in dieser Gegend, nach anderen Berichten fünf oder vier. Egal, über den Wochentags-Satz denke ich noch heute nach. Abend sollte es jedenfalls nicht werden.
Mein Traumhaus, nicht ganz sicher gegen den sprunggewaltigen Wolf
Erst in Pflügkuff gibt es den eindeutigen Wegweiser: Krährummel mit Brunnen (Krähborn) 1,0 km, Treuenbrietzen Rathaus 12,4 km. Weit über die Grenze “Treuenbrietzen Rathaus 11 km” hinaus suche ich noch einmal um jede mit Laubbäumen bestandene Stelle in jede Richtung.
Fotofalle oder was? Im dahinter liegenden Laubwald muss der Krähborn liegen
Es rummelt heute nach dem Regen mit langsam versickernden Bächlein in krähtiefen Rinnen von allen Seiten. Nur vom Brunnen keine Spur. Nein danke, jetzt nicht zurück und quer durch die einzig noch verbliebene, total verbuschte Tiefe. In ein Gehölz mit einem vielleicht sogar von Feuer oder “Feuern” halb versengten, verendenden Wolf möchte ich – schon überall sonst zittrig durchgestiefelt – nicht geraten.
Ohne Krähenborn schlunze ich nach Hohenwerbig – hallo, da fährt der Forstmann gerade wieder von seinem Hof.
Vor Neuendorf nicht nur rassige Pferde, sondern auch eine ganze Bagage gezähmter Zuchtwölfe – Abkömmlinge von unserer ersten menschlichen Großtat.
Zum Anbeißen
Schon in frühgeschichtlichen Zeiten scheint der Wolf also sehr schnell nicht mehr soo menschenscheu gewesen zu sein wie behauptet. Freilich erinnern die in C-Dur kläffenden Tierchen außer mit ihrer instinktiven Bissigkeit in nichts an das Raubtier. Uns zum Trost wird die Bissigkeit als pur hündisches Verhalten beschrieben. „Haben Sie Angst vor Hunden?“ werde ich beim Ausweichen vor einem ähnlich aussehenden Nachfahren gefragt. Nicht direkt. Dass ich mit jedem Wolf mitfühle, der durch den Zaun hindurch so Abartiges verbeißen möchte, verschweige ich.
Zwar frage ich auch nach einem Fußweg über die Autobahn, aber die nördlich gelegene Wildbrücke wird mir erst im Gasthof Moritz genannt. Das wäre ideal gewesen.
Wo die Damhirsche lagern
Jetzt nur einige Umwege hinter der Autobahn und neben der pikobello geradlinigen Straße (deren Sanierung machte den Zeltplatz Rädigke eine Zeit lang unerträglich). Der Verlauf von Waldrändern ist immer ein spannendes Rätsel. Auch vor Rädigke lockt ein inselartiger, alter Baumbestand in der Feldflur: einstiges Wasserloch als wilde Müllkippe verfüllt und/oder – wahrscheinlich alles zusammen – vor- und frühgeschichtlicher Ort. Ich scheuche eine kleine Herde Damwild auf, fast weiß. Immerhin. Ansonsten heißt die fachmännische Auskunft zur diesjährigen Brunftzeit zumindest des Rotwildes: “Es hat sowieso sehr nachgelassen, warum auch immer.” Ich ahne: die Wölfe sind satt – von was auch immer. Und dort, wo die Bestände noch dicht sind, wolln die Jäger keine Fremden zur besten Jagdzeit.
“Näpfchenstein” am seitlichen Waldrand – Artefakt ja oder nein, ein frühgeschichtliches Spielebrett? Jedenfalls reizt es, beschwörend in die Löchlein zu murmeln**
Mein Wanderbedarf ist gedeckt. Im Gasthof Moritz bringt mich ein Kaffee zu neuem Leben, die Lesung von Ingo Schulze “Peter Holtz” zu neuen Lesersichten und: eigentlich wollt ich kein Fleisch, schon gar nicht von den göttinnengleich großäugigen und zutraulichen Rindern (mit Grimm vom Fuchs, nicht den Wölfen lernen: die Menschen sind falsch!). Dann greif ich nämlich doch – eingeladen vom Schriftsteller – nach einer Roulade made in Gasthof Moritz: zart, wie wolfsfrisch gerissen…
Rädigke: auch hier im Ort und am Rinderstall ein Versuch, noch vor der Einheitswippe von Berlin ein vier echte Mauerteile-Denkmal zu setzen?
* Natürlich gibt es viele nette Wolfsberichte. Ob es Jägerlatein ist, dass die Wölfe nach dem Schuß blitzschnell die schweißende Beute klauen? Meine eigenen Gedanken sind zwiespältig mit nicht zum Wolf passenden Wünschen, zumindest was die Anzahl der Rudel betrifft.
** Es gibt keine sichere Interpretation von Schalen- oder Näpfchensteinen. Die lineare Regelmäßigkeit der Löcher mit den linearen Kanten kann ich mir nur als Bearbeitung vorstellen: mühseliges Abspalten für eine gerade Oberfläche des Steines wie er für Megalithgräber verwendet wurde.
2. September 2018: die Mark Brandenburg und Kyritz-Ruppiner Heide ganz anders als gedacht und bekannt
2018: vertrocknete, braune Heide so weit das Auge reicht, hell das Silbergras und manchmal goldgelb durstender Kiefernnachwuchs
22 km mit dem Wandersportverein Rotation e.V. unter Leitung von Wolfgang Pagel von Fretzdorf aus durch das „Bombodrom“ Freie Kyritz-Ruppiner Heide. Auf den Sielmann-Hügel zum außergewöhnlichen Konzert mit dem außergewöhnlichen Landesjugend Jazz & Pop Chor YOUNG VOICES BRANDENBURG. Zurück über Pfalzheim, Temnitzquell, Rägelin nach Netzeband.
Fretzdorf KircheMoses als “Atlas” unter der qualitätvollen Barock-Kanzel in der Fretzdorfer Kirche – der Künstler dürfte bis Rom gekommen sein!
Fretzdorf punktet mit 5 Denkmalen – falls ich richtig gezählt habe: darunter ein Einheitsdenkmal und ein Freie-Heide-Engel zur Erinnerung an das Aus vom militärischen “Bombodrom” am 9. Juli 2009. Also längst haben sich die Akteure aller Befreiungsbewegungen ihre Denkmale gesetzt. Auch hier wartet wohl niemand auf eine Berliner Einheitswippe.
Die Dosse rechts (oben) und links (unten) von der Brücke am Wehr hinter Fretzdorf Richtung RossowAn der “Karibik”: unwegsam und trotzdem mit kenntnisreichen Führern ein NICHT lebensgefährlicher Pfad
Die Dosse wird derzeit im Zusammenhang mit der “Landesgartenschau 2019 Wittstock/Dosse” renaturiert. Altarme werden wieder angeschlossen. Interessant für unser kleines, am Kajaksport interessiertes Team: die touristische Nutzung wird diskutiert. Wie schön, wenn es ähnlich wie beim Rhin zwischen Rheinsberg und Zippelsförde für ein oder zwei Anbieter und Unterstützer genehmigt würde.
Mit Wasser ist die Gegend ansonsten nicht so gesegnet wie das östlichere Ruppin-Stechliner Land. Kein Wunder daher: leicht übertrieben werden die Sandhaufen zu „Bergen“ und ein Kies-See als „Karibik“ angepriesen.
Staunend steht das Publikum: Fat-Bikes zum Ausleihen für die Kyritz-Ruppiner HeideDer Tod des EichelhähersDas Besondere in der Kyritz-Ruppiner Heide ist gewöhnlich eher sehr, sehr klein
Zum Erlebnis und zur Geschichte der Kyritz-Ruppiner Heide können zahlreiche, informative Webseiten aufgerufen werden. Ergänzend hier: nein, das Bombodrom sollte keinesfalls todesmutig auf Abwege verführen – trotz seltener Pilze sogar in Trockenzeiten und trotz noch seltenerer Wolfsspuren. Es sind keine riesigen Detonationen zu erwarten, aber sehr viel gefährlicher mit großem, räumlichem Wirkungsradius: Streumunition, die eine langzeitige Bedrohung darstellt. Erst seit 2008 gibt es diesbezüglich eine völkerrechtliche Ächtung. Die Realität ist weit davon entfernt und hier lange noch von einer flächendeckenden, sicheren Beräumung.
Wenn die Heide sich verweigert: millimeterkleine, versteckte Farbtupfer der Scharlach-BecherflechtenDrei Profis für die Kyritz-Ruppiner Heide vor dem Konzert auf dem Sielmann-Hügel
Wenn es die knallig violettrosa blühende Besenheide Calluna in diesem trockenen Jahr 2018 auch nicht gibt, die Farbe ersetzt ein T-Shirt. Orange erinnert an den erst im Frühjahr wieder ab und zu sichtbaren Wiedehopf und der Himmel strahlt genau mit Beginn des Konzertes barock über dem Sielmann-Hügel in der Kyritz-Ruppiner Heide.
Der Jazz & Pop Chor Brandenburg YOUNG VOICES BRANDENBURG gibt ein außergewöhnliches open-air-Konzert. Was für hinreißende Solos, was für eine Intensität der Präsenz! Total aufgeladen mit Groove, bewegt jazzend, den Körper packend – es würde durchaus ohne Zuhörerbänke gehen! Als Chor sperrig dissonant wie diese Heide – nicht zu vergessen Nikolai Thärichen mit seiner Miniband. Das bleibt im Bauch und im Gedächtnis. Das ist Brandenburg von einer ungewöhnlichen Seite erlebt, die Einheimische und Kenner schätzen und lieben: höchst qualitätvoll, ein weltoffener Gegenentwurf zu so vielen anderen, alltäglichen Medienberichten.
Natur plus Musik sind nicht zu beschreiben.
Muss man erlebt haben!
Heimwärts vom KonzertLandschaft vor Rägelin
Trotz der weitgehend unbekannten Kleinode dieser Gegend derzeit leider nur empfehlenswert für erfahrene, hart gesottene Regionalreisende: Schienenersatzverkehr mit den üblichen Info-Hindernissen.
Aber, eine Empfehlung von dem unsere Wanderung inspirierenden Dr. Mario Schrumpf, Leiter des Naturparks Stechlin-Ruppiner Land: Netzebander Theatersommer 2019 in der Temnitzkirche vormerken, unbedingt eine Besichtigung der mittelalterlichen Fresken in der Rossower Kirche anmelden und dann auch die vielleicht blühende Kyritz-Ruppiner Heide sowie die Landesgartenschau 2019 Wittstock/Dosse genießen!
Wilhelmshorster Rund(wander)weg, lohnt nicht – aber: mit Abstechern vor allem Richtung Langerwisch landschaftlich nett.
Richtung Ravensberg müsste ich unbefugt die Bahntrasse überqueren – hab meinen feigen Tag
Solo
Erstbestes Ziel, denn am Alex fahren die Regios nicht.
Das Beste im Wald: so sah er aus → Personenschutzhund, an kurzer Leine. Ich darf in den Fang schauen: “Auch gegen Wölfe” – ohne Nachfrage meinerseits! Ich glaube es sofort.
ca. 12
…wer frisst die schönsten Schäfchen, die frisst das Urheberrecht… diesmal nicht der Wolf
Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland
21.9.2018 – 6.1.2019 Martin-Gropius-Bau Berlin
Sonderausstellung anlässlich des Europäischen Kulturerbejahres
Globalisierung und Netzwerke von der Steinzeit bis ins 20. Jahrhundert, u.a. das Thema Mobilität
Wolfs-Angstwanderung zur
Lesung Ingo Schulze im Gasthof Moritz
ca. 20
8.
Wendisch Rietz, Scharmützelsee – Gr. und Kl. Glubigsee – Westufer Springsee – Kleine Springquelle + Trockental – zum Bruchwald über Knüppeldamm zurück
zum Solo geschrumpft
Ununterbrochener Gesprächslärm ist moderne Folter.
Es gibt noch treffendere Sprüche und aktuell Waldbade-Bücher zum Thema.
ca. 12
Gedenkstein für die Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Erich und Charlotte Garske, hingerichtet 1943 in Berlin-Plötzensee
Der am Springsee bereits 1944 von Freunden des Ehepaars errichtete Gedenkstein erinnert auch an die mit der Arbeiterbewegung verbundenen Natursportarten Wandern, FKK und Kanusport. Überwuchert von Natur, eingesunken in der Feuchtigkeit der Kleinen Quelle mahnt der Stein heutzutage vielleicht auch, wie leicht eine sportliche “Disziplin” und erholsame Gefolgschaft jeglichen Widerspruchsgeist einschläfert und mit neuen Kräften ins Hamsterrad führt.
Deutscher Bundestag, Anfrage im August des Hitzejahres 2018, Fraktion DIE LINKE
ACHTUNG! Privatisierung ostdeutscher Seen
Die Antwort vom 27.9.2018, Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/4592 ist → HIER! Gewässerrandstreifen sind Gemeingut! Nicht einmal das ist offensichtlich gesetzlich geregelt. Nach meiner Lesart: Praktiken nach Belieben. War da nicht mal große Aufregung am Griebnitzsee? Selbst wenn der Gewässerrandstreifen begehbar ist: jeder private Anlieger weiß das Wasser bestens zu schützen mit wehrhaftem Steg zum Wasser.
27. August 2018 von Angermünde über Augustenfelde, Herzsprung, Bölkendorf, Parstein, Pehlitz, Rundblick vom Drumlin Kleiner Rummelsberg, nach Brodowin und Chorin.
Ohne Abwege 8 Stunden unterwegs abzüglich kurzes Schwimmen im Parsteiner See, Falläpfel sammeln und eine ¾ Stunde am Bahnhof Chorin auf den Zug warten. Bin zu langsam mit einem seit Tagen schmerzenden Knöchel jetzt trotz oder wegen vorwiegend Asphalt, von der Belastung Mönchspflaster zwischen Brodowin und Chorin ganz zu schweigen.
Drumlins bei Brodowin, rechts der 81 Meter hohe Kleine Rummelsberg, siehe auch → Wikipedia
Von Angermünde nach Herzsprung
Angermünde am Oberwall: eine Erinnerung an die Vor- und Frühgeschichte
Nee, nicht erst Futter kaufen, es wird Äpfel und Pflaumen geben. In Angermünde knurrt doch der Magen. Also ein Stadtgang mit Bockwurst. Ich flaniere richtungsfühlend am Markt vorbei – Bäcker wäre die bessere Wahl gewesen. Die Richtung ist auch falsch: Stolpe. Kehrtwende bei den stelzenden Steinkunstwerken zwischen Ober- und Unterwall. Durch die Kleingärten wird es verzwickt. Zurück und mit den Autos raus. Links biegt der Bärbel-Wachholz-Weg aus dem Nichts ins Nichts. Google maps kennt den Weg nicht. Aber ich war schon einmal hier, erinnere mich neu an mein erstes „Open-Air-Konzert“ Ende der 50er Jahre. Schlager live! – in Thüringen. Ansonsten sind wir mit dem Ohr ins „Radio Luxemburg“ gekrochen.
Bärbel-Wachholz-Weg Angermünde: Erinnerung an die lt. wikipedia beliebteste Schlagersängerin der DDR
Der Weg nach Herzsprung wird zum perfekten Flachland-Fahrradweg. Sumpfig ist das Land zwischen Bahndamm und Straße, mit nur einer Möglichkeit in westlicher Richtung zu queren. Äpfel purzeln vom Wind geschüttelt von den Bäumen – auch in meinen Rucksack. Die Schlepperei hätte ich mir sparen können, die Straßenränder geizen nirgends mit Äpfeln oder Pflaumen.
Richtig: ein Großsteingrab auf der Kuppe, fraglicher Erhaltungszustand, aber prächtiger Blick Richtung Mudrowsee
Je näher ich Herzsprung komme, desto mehr häufen sich am Straßenrand die Steine zerstörter Großsteingräber. Alles Herz hinterlässt Sprünge. Die Reste der Reste der Großsteingräber sind auf dem Anger noch einmal zwar nicht behauen, aber ameisenfleißig verarbeitet. Einen Nachfahren Ehm Welks “M. Grambauer” hat es nach Herzsprung verschlagen. Und jetzt schon sprengt und später springt die Fontäne…
Da zerspringt das Herz und der Rasenmäherroboter hüpft
Zum → FKK-Baden in Herzsprung geht es über einen Betonplattenweg made in GDR. Das Wasser des Parsteiner Sees ist eine Wohltat, bei stürmischem Wind ein Highlight meiner Wanderung.
Zeitlich wird es knapp. Die Hälfte der geplanten Zeit für 30 km insgesamt ist bereits rum. An die 20 km sind es noch.
FKK-Badestelle Herzsprung – Parsteiner See mit Wellen wie an der Ostsee. Dazu siehe auch → Zeltplatztest
Vom Parsteiner See geradewegs nach Bölkendorf, Parstein und Pehlitz
Ein kurzer Blick in die Senken am Paddenpfuhl – weder Padden (niederdeutsch: Kröten, Frösche) noch Wasser sind zu entdecken. Hier soll eine eisenzeitliche Siedlung gelegen haben. Jetzt gibt es eine Kleingartenanlage – nix mit Permakultur oder Unkraut.
Auch das gehörte sicher einst zum Paddenpfuhl bei Herzsprung, ganz ohne Mücken, wahrscheinlich auch ohne Padden
Geradewegs bedeutet Straße nutzen. Die abgeernteten Felder sind schwierig zu betreten: die Schuhe versinken in staubigem Lehm. Es gibt immer nur ein einziges Feld in alle Richtungen bis zum Horizont, dazwischen gestreut kleine Sölle – Restlöcher der Eiszeit. Zwar begegnen mir auf der Straße kaum Autos, aber irgendein Pfad an dem freilich höchst unregelmäßig verlaufenden Ufer des Parsteiner Sees wäre spannender.
Straßenrand Richtung Bölkendorf, wieder die Reste eines Großsteingrabes
Am Krummen See vor Bölkendorf bestätigt ein Einheimischer: es gibt eine Möglichkeit jenseits der Straße. Auch ab Bölkendorf geht es mit der Radmarkierung nach Parstein durch Feld und Wald. Ich entscheide mich noch einmal für 3 km Straße.
Angelgewässer Krummer See bei Bölkendorf
DAS sollte niemand machen. Es würde sogar lohnen, Parstein ganz zu umgehen. Schwere Laster brettern durch den Ort Richtung Oderberg. Zwei Kinder stehen am Straßenrand vor einem halbtot zuckenden Kätzchen. Ich will nicht nachdenken: Hätte ihnen selbst oder mir passieren können.
Auch am Parsteiner See zwischen Krötenzaun und Straße gequetscht zu gehen, kann man sich sparen. Der See ist wegen des Parsteiner Campings nicht zu sehen. Umwege durch den Wald lohnen bis man auf Höhe von Pehlitz Werder auf einen perfekten Fahrradweg stößt.
Kleiner Rummelsberg rundum
Drumlin – die steile Seite gegen die einstige Gletscherzunge gilt Geologen als zu abgeschliffen, aber was für eine ästhetische Form!
Am Waldrand Höhe Pehlitz Werder sind bereits die Drumlins der Weichseleiszeit zu sehen – bei dem trüben Wetter mit grauen Schleiern. Der Weg führt ganz nahe vorbei und ich werde ab heute im Streit immer der Drumlin-Fraktion folgen: diese kleinen Moränenbuckel entsprechen äußerlich ganz der → Definition. Die Drumlins und der Rundumblick vom Kleinen Rummelsberg sind der zweite Höhepunkt meiner Wanderung.
Parsteiner See vom Kleinen Rummelsberg aus gesehen
Jetzt so schnell es mein schmerzender Knöchel erlaubt zum Bahnhof Chorin. Geradeaus, geradeaus… Amtssee rechts herum. Doch, ich hätte es geschafft, noch einmal zu schwimmen. Ich hetze umsonst. Aber dieses Minuten-Risiko gibt es immer Richtung Chorin historischer Bahnhof.
Diese Wanderung gehört als eine Art Fortsetzung zu Bericht und Wanderung → Wege in die Nacht.
18.08.2018. Solo auf der Suche nach den Quellen von Polsbach und Klein Briesener Bach: ca. 12 km in 4 Stunden im Fläming zwischen Ragösen und Klein Briesen
18.8.2018 Jahrhundertsommer und Klimawandel: Klein Briesener Bach mit letztem Wasser bevor der Polsbach wieder füllt
Zum Ausschlafen: 10h mit dem Zug nach Bad Belzig, sofortiger Anschluss mit Plus-Bus Richtung Brandenburg bis Ambulatorium Ragösen. Achtung, Ragösen ist ein Straßendorf: jetzt nur nicht die ätzende Briesener, sondern vorwärts, gleich links zum Waldrand, am Ende abbiegen auf den Burgenwanderweg zum Bullenberger Mühlenteich. Kein Mühlrad klappert, aber die Mühle selbst ist noch eine imposante, gepflegte Zäsur zwischen Wohnplatz und Natur.
Sitzt der Angler am Teich, ist Baden unerwünscht. Was für ein Glück: auf meinem Rückweg kommt die herzliche Einladung einer Radlerin – ja, es geht ohne alles! Ein wunderbarer Abschluss plus einige Falläpfel am Wege. Die taffe, coole Busfahrerin vom Morgen (wer würde das dieser blutjungen Type im „richtigen“ Leben zutrauen???) braust um die Kurve, hält für mich zwei Sec länger – rennen, springen, fahren – ein perfekter Tag, jetzt im Einzelnen:
Quellkessel Polsbach
Auf dem Hang entlang, linksseitig vom Fließ, geht es am schnellsten vorwärts. Auf den ersten Blick eintönig, aber den Waldumbau sehe ich nach meinen Bergwaldprojekten inzwischen mit Interesse.
Forstmeister sein und wissen, was bleibt…Auch Holz ist für einen tierischen Schreck gutQuellkessel zwischen den HügelnAbwärts zu den QuelltöpfenFeuermann tanzt durch die Wälder…Verschüttet
Nach Queren des Polsbaches der Abzweig zum Biotop Quellkessel. Ein Blick über das Feld Richtung der eigentlichen, wasserreichen Quelle, dann zurück und die Jagdschneise abwärts – vorsichtig, aber laut genug, um das Wild nicht zu verschrecken. Die große Stille. Herzklopfen kostenlos. Tritt der Jäger erbost hinter einem Baum hervor oder der verzauberte Prinz? Es ist ernüchternd. Nicht einmal ein Vogel warnt. Die Hänge hinunter fließt nichts, vielleicht sickern einige Tröpfchen unsichtbar unter Wurzeln hervor in die letzten Lachen. Rückwärts blickend erschreckt die Monokultur. Mit Sicherheit saugen die Kiefern zu viel des kostbaren Wassers aus dem Berg.
Zwischen Buckau und Rottstock liegt der produktivste Quelltopf nicht nur des Flämings, sondern im ganzen Land Brandenburg. Eine Forellenfischerei lebt davon. Nein danke. Ich warte mal den Frühling ab.
Die Kursächsische Grenze
Weiter zum Quellgebiet Klein Briesener Bach. Klein Briesen wird im Jahr 1375 erstmals im Landbuch Karls IV. erwähnt. Bis 1815 gehörte es zur Mark Brandenburg, das benachbarte Groß Briesen zum Herzogtum Sachsen mit Burg und Amt Belzig. Die kursächsische Grenze ist eine der ältesten gekennzeichneten Trennlinien in Mitteleuropa, damals Heiliges Römisches Reich. Die Grenzsteine zwischen Erzbistum Magdeburg, Brandenburg und dem Herzogtum Wittenberg (Kursachsen) um den besonders umstrittenen Bereich Brück – Ragösen – Großbriesen wurden bereits 1580 gesetzt. Erst auf dem Wiener Kongress 1815 kam das Territorium zum Königreich Preußen.
Die aus sächsischem Sandstein gefertigten Blöcke sind teilweise erhalten. Sie tragen auf sächsischer Seite das Wappen der Wettiner und die Aufschrift „Sachsen“, auf ihrer anderen Seite das Brandenburger Wappen bezeichnet mit „Brandenburg“.
Grenzstein Nähe Eisenhammer, s.u.Zwischen Sachsen und Brandenburg
Direkt am Klein Briesener Bach steht neben einer Info-Tafel ein Stein, schon schwer beschädigt. Den besser erhaltenen finde ich beim Umkreisen der für mich so furchterregenden Betonruinen*.
Das Rittergut derer von Thümen
Klein Briesen besitzt in den meisten Zeiten nur wenige Hofstellen. 1582 verkauft Kurfürst August von Sachsen eine Mahlmühle zusammen mit der Schäferei „Forwergk am Bolenberg“ an das märkische Adelsgeschlecht derer von Thümen. Die damals angeblich am Zusammenfluss von Klein Briesener Bach und Polzbach gelegene Mühle ist heute ein Rastplatz mitten im Wald. 1608 entsteht ein Rittersitz derer von Thümen in Klein Briesen.
Vom Jenseits zum DiesseitsDas Gutshaus Thümen, erbaut 1780
Das Geschlecht derer von Thümen erscheint erstmals 1281 urkundlich in einem Tauschbrief des Herzogs von Sachsen und Burggrafen von Magdeburg. Blankensee, Gut Caputh mit Schloss, die Güter Neu-Langerwisch und Stücken gehörten ebenfalls der Familie. Theodor Fontane erwähnt in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg den bedeutenden Grabstein in Blankensee.
Bevor Klein Briesen erreicht wird, führt der Weg vorbei an einem sehr einfachen Wandgrab derer von Thümen vom Ende des 19. Jahrhunderts: ein dreiseitiges, rechteckiges Klinkermauerwerk, mittig drei Segmente. Alle Inschriftentafeln fehlen, alles am Boden unter dichtem Bewuchs, umgestürzte Bäume – ungeklärte, späte Geschichte, die in der Folge von Hauptmann und Batallionsführer Joachim Richard Franz von Thümen, gefallen im 1. Weltkrieg, als Ritter dargestellt auf dem Gedenk-Epitaph an der Gutskirche, in ihrer Zwiespältigkeit nur zu ahnen ist: Ordensritter + preußische Tradition…
Erbbegräbnis derer von Thümen, Klein BriesenIn Liebe: das Gedächtnis der BäumeSüdportal, von Thümen Gedenk-EpitaphKirche des Rittergutes derer von Thümen
Die Gutskirche im Ort ist eine der kleinsten Brandenburgs, ein Fachwerkständerbau aus Eichenholz mit backsteinernen, später verputzten Gefachen. Das Baujahr 1692 findet sich auf dem Sandsteinrelief mit dem Wappen derer von Thümen. Die Kirche kann laut Infotafel besichtigt werden – wahrscheinlich lohnend: einiges Inventar ist erhalten geblieben.
Ein artesischer Brunnen
Gelbrotes, eisenhaltiges Wasser tritt aufgrund des Eigendruckes an die Oberfläche der einstigen Viehtränke. Die hydrologische Besonderheit reicht hier allerdings nur für einen Mini-Sprudel aus dem schützenden Findlingshaufen und fließt als Bächlein ins Gebüsch. In diesem trockenen Jahr ist im Umkreis alles versickert. Überhaupt der kleine Umkreis – die Vergangenheit lässt grüßen mit Beton.
Artesischer Brunnen, Klein Briesen, 18.8.2018Verlust und Wasser (oben drauf und unten)
Da schweigt der Molch
Der Bach geht meinen Augen in Klein Briesen verloren. Am ehemaligen Stallgebäude des Gutshauses (luxuriös zum Wohnen umgebaut) vorbei, verzweigt der Weg hinter einer Grundstücksruine. „Da geht es nicht weiter“ erhalte ich Auskunft aus einem Auto von dort, wo es nicht weitergeht. Nach links künden auf dem breiten Forstweg vertrocknete Tannenreiser an verfallenen Holz-Unterständen von großen Jagden. Mittig geht es zum Juliushof – Waldkammergut, einstiges Vitalhotel, EU gefördert in Zusammenhang mit dem Europäischen Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft. Das verkündet ein Billboard, verhängt von Blattwerk.
Waren Sie kürzlich Gast?Hokuspokus JuliushofIn memoriam IIn memoriam…
Google meldet viel „Seite nicht gefunden”. Bilder gibt es ohne copyright-Hinweise und „Star World Hotels“ / „Holidaycheck“ mit dem Text: „Die Bewertungen sind älter als 2 Jahre oder das Hotel hat sich grundlegend verändert. Waren Sie kürzlich dort Gast?“ Nee, aber gesehen habe ich diesen „Geheimtipp, das absolute Romantikhotel für Mädels-Wellnessurlaub” oder “slowakische Woche in Brandenburg” und “…verwöhnen Sie sich mit einer Kosmetikbehandlung, Ayurveda- Behandlung, Entgiftungskur, Massage, Sauna, Solarium, Whirlpool … 510 ha Waldgebiet, Wandern, Radfahren, Sonnenbaden, Picknicken… Die ehemalige Jagdhütte bietet außerdem auf dem Privatgelände Möglichkeiten zur Jagd.“
Aha.
WellnessromantikFeuchter UrwaldStachelmassage kostenlosMissglückt? Geglückt? Fragen der EU-BürgerWasserkurInstallation
Aktuell scheint das Gelände eingekreist von versumpftem Wald. Ich krieche durch den Naturheil-Pfad „Juliushof“, der das Naturheilverfahren nach Kneipp und chinesische Fuß-Reflexzonen-Massage einst verbunden und das Wasser des Klein Briesener Baches sicher ausgiebig abgezapft hat. War mit dem 2003 ausgewiesenen NSG Bullenberger Bach/Klein Briesener Bach das Ende des Vitalhotels beschieden? Oder war die EU einfach nur ausreichend geschröpft worden?
In den Amtsblättern Bad Belzig google ich lieber nicht mit meinen ostdeutschen Vorurteilen. Sicher war alles gut gemeint und ist nun dauerhaft ein privater Rückzugsort. Ohne Weg und Steg entdecke ich eine kleine Steinpyramide, gewidmet MCMXCIV zu einem 60. Geburtstag und 2008 ergänzt: In MEMORIAM … In Nativitate Beatae Mariae Virginis.
In das Feuchtgebiet dringe ich nicht weiter vor. Quellen in Brandenburg sind in der Regel flächenhafte Grundwasseraustritte. In diesem moorigen, eiszeitlichen Tal entspringt nicht nur der Klein Briesener, sondern auch der Briesener Bach. Der ist begradigt und entwässert in anderer Richtung!!! nach Verlorenwasser bei Wollin.
Der Weg am Klein Briesener Bach
Versinkend die BankÜber einem Seitenfließ der umgestürzte BaumNatur vs. MeliorationVersinkend das NSG
Auf dem Rückweg folge ich brav dem Oberlauf Klein Briesener Bach auf Burgenwanderweg und E 11 durch das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet und NSG Bullenberger Bach/Klein Briesener Bach.
Mit dem Namen des Baches ist es schwierig: erst einmal verschwindet das naturbelassene Flämingfließ dem Blick als Klein Briesener Bach in sumpfigen Wiesen. Im Frühsommer war der Wiesen-Waldpfad nicht zu erkennen unter den gestürzten Bäumen. Heute ist freigeschnitten bis auf einen Riesen, der auch gleich das Gewässersystem durcheinander gebracht hat.
Kein Tröpfchen mehr, nicht im engsten MäanderWo der Klein Briesener Bach noch fließtVergeblich aufgekratztSchlängelweg im trockenen BachbettEingedämmt Richtung Mühlteich – fast schon Bullenberger BachQuicklebendiger Zufluss Polsbach
Zwischen Klein Briesen und Bullenberg nimmt der Klein Briesener Bach den Polsbach auf (nach alten Karten: Polzbach). „Die stark mäandrierenden, sommerkühlen, naturnahen Bäche besitzen eine hohe Wasserqualität.” ist zu lesen. Nun, das war vor dem Klimawandel. Vier Kilometer östlich Klein Briesens erreicht der Bach (zur Zeit eigentlich nur das Wasser Polsbach) den Mühlteich am Bullenberg und wird im unteren Verlauf zum Bullenberger Bach, der begradigt in die Temnitz mündet.
6. bis 7. August 2018, ein Abend, eine Nacht und ein Morgen
Ein intensives, erlebnisreiches Solo auf der Suche nach Hünengräbern im Rückland des Endmoränenbogens Chorin, ca. 20 km. Die kleinen Bilder sind mit Klick zu vergößern
Sieht aus wie eine intakte Steinsetzung, eher aber heimatkundlich “nachgearbeitet”
Glückliche Hügel wo der Himmel die Erde küsst*
Die alten Waldstraßen sind gleichmäßig gepflastert mit Feldsteinen. Oder doch oft keine Feldsteine und pur Findlingsstücke, sondern Ergebnis mühevoller Steinschlägerarbeit an Steinen von Gräbern, die eine jahrhundertelange, dichte Besiedlung anzeig(t)en? Eigenartig kleine, dicht von Efeu überwucherte Hügel gibt es gleich bergauf von Liepe aus. Von denen, die ich im Ort treffe, hat noch nie jemand von hiesigen Hügelgräbern gehört. Ich bin hoffnungsvoll. Und siehe da, den Pfingstberg brauche ich gar nicht.
Ein Tal der vor- und frühgeschichtlichen FundeDie Arbeit der einstigen SteinschlägerBeraubt: der WächterAhnungslos privat vor der Geschichte
Da liegt eine erste Steinsetzstelle erst kürzlich herausgewühlt aus der Bergkuppe für einen Miniteich, der in dieser Sommerhitze längst stinkende Pflanzen ausgebrütet hat. Die unmittelbare Grube für eine Bestattung dürfte sich immer leicht ausheben lassen – vielleicht nur nicht tief genug, um zu erschrecken, wo man in seinem Feriendomizil sonnenbadet. Unterhalb am Hang ein riesiger Wächterstein, als bloßer Findling aufgerichtet unter weißen Maulbeerbäumen. Seine Ausrichtung West – Ost dürfte noch stimmen. Auch hier restliche Steine für einen längst versickerten und überwucherten künstlichen Tümpel genutzt.
Der ScherbenDer Scherben und MergelsplitterKreide, Feuerstein und Platte mit EinschlussDer Glücksstein als Kreisel
Mein Blick ist nun geschärft für die Besonderheiten dieser Landschaft und wird mehrfach traurig belohnt: ahnungslose, achtlose Zerstörungen von Steinsetzungen seit Jahrhunderten. Nur kurz vor Brodowin sieht es einmal aus wie versuchte Raubgrabung. Ich bücke mich nach winzigen grauen Scherbensplittern. Ein größerer, dickwandiger Scherben mit deutlicher Gefäßwandung und einem kleinen Buckel – Rest einer Musterung. Schwarzgraue, geglättete Oberfläche. Handgemacht, die Innenwandung ist unregelmäßig, grob, rauwandig, kalkhaltig – völlig undenkbar für einen anderen Gebrauch als eine Urne für den Leichenbrand. Direkt daneben ein Glückssteinchen. Es werden alle abwinken: kein Artefakt. Wenn keine kultische Grabbeigabe so doch ein kreiselndes Zaubersteinchen für mich von den Geistern…
Freigelegt, zerstörtSteinpackung…da steht ein LindenbaumGedenkstein
Noch ist es zu früh, um hier ein Nachtlager zu wählen. In Brodowin lasse ich einen letzten Tropfen Kefir ayurwedamäßig wirkungsvoll mit Wasser auffüllen, bringe die Verdauung mit halbreifen Pflaumen auf Trab und gerate auf meiner Spurensuche auf unverhoffte Verbindungen von Vergangenheit und Gegenwart: ein Stein am Wegesrand – dem Schriftsteller Reimar Gilsenbach 1926 – 2001 von seinen Brodowiner Freunden gewidmet. Das passt – eine Erinnerung auch an Lyalya Kuznetsova und die Rom, das wandernde Volk.
Ich bin weder im Totalreservat Plagefenn noch im NSG und doch / gerade daher in einer Bilderbuchlandschaft. Ach je, Bilder- und Kinderbuch: “Wie die Vögel das Zicklein retteten” von Sergej Michalkow – sehe die Wölfe blutrünstig bereits über die Oder schwimmen… Noch stolzieren allerdings an die 20 Störche nahrungssuchend auf dem Feuchtgrünland hinter einer Mähmaschine. Etwas zu früh der Schnitt für die Futterqualität, aber der Klimawandel erfordert auch hier flexibel zu entscheiden. Woher ich das weiß? Vom Spitzen-Landwirt aus Brodowin. Wenn ich geahnt hätte, wer da auf seinem Rundgang mit einer Praktikantin nun zufällig auch mich so kenntnisreich und unterhaltsam zu informieren weiß… Aber mein Interesse an Brodowin war bisher höchst gebremst von den Preisen der biologisch-dynamisch erzeugten Ökodorfprodukte.
Sicher keine LesesteineAlte Meliorationsmanie oder Sanierung?Total ökologischGegen die Mittagshitze dicht gedrängt, Schwänze wedeln
Jetzt erfahre ich vom überraschenden Aufblühen eines Sommer-Adonisröschens nach dem Mähen (also nicht das, zu dem im Frühjahr an die Oder gepilgert wird), einiges über die geologischen Strukturen vor meinen Augen, über die veränderte Landschaft nach der intensiven und großflächligen DDR-Landwirtschaft. Erstaunlich: der so natürlich wirkende Verbund kleiner Biotope durch Hecken und Gehölze ist nachträgliche Pflanzung. Die Kleinteiligkeit der Landschaft war längst zerstört. Vergessen zu fragen hab ich, wohin die Gülle der vielen Rinder fließt, wenn nicht auf die Felder.
Hügel, die etwas anderes als Landschaft sindWirklich “Drumlins” hinter Hecken, Gehölzen, Offenland?Wenn die Welt schon dunkel ist: der Brodowinsee leuchtetSchattenwächter
Die gestörte Achse
Die Kuppe auf der Leitlinie des Wildgänsezuges
Schon nach 20 Uhr bin ich gänzlich allein auf dieser höchsten Erhebung mit Blick Richtung Brodowinsee, weit und breit vollkommene Stille, höchstens ein Kranichruf. Schade, genau auf diese kahle (fast Berg-)Kuppe wurden 2000 und 2004 zwei Bäume gepflanzt. Freilich, es ist kein ausgewiesenes Naturschutzgebiet. Die Landschaft darf verwandelt werden im Sinn und nach dem Vorstellungsvermögen von uns Kulturmenschen. Deren Nacht ist nur noch denkbar für Disco, den abendlichen Naturfilm und den ungestörten Schlaf hinter zugezogenen Fenstern (ohne Hundegebell wie mir später am Bahnhof erzählt wird), ab und zu ein Lagerfeuer der Jugend. Mit dem kleinen Gartenblick wird also die Natur für das zivilisierte Humankapital und mit den Biedermeiervorstellungen à la Ludwig Richter domestiziert: verbaut ist genau die Lichtschneise von Sonnenaufgang nach Sonnenuntergang, die unsere längst vergessenen Vorfahren als heilig empfunden haben dürften. Und der Magerrasen beginnt zu leiden.
Sonnenuntergang – eine schmale, langgestreckte geographisch-topographische Ausformung der ErdoberflächeSonnenaufgang – die Linie ist unterbrochen von den gepflanzten Bäumen, aber zur Zeit noch mit etwas verschobenen Standpunkten sichtbar
Bis auf die frei gelegten Kuppen der gegenüber liegenden Hügelhöcker (die Bezeichnung als Drumlins ist umstritten) bin ich nicht gekommen. Auch da bin ich sicher – sie korrespondieren ursprünglich alle nicht nur im geologischen Aufbau und mit den Besonderheiten ihres kontinentalen Trockenrasens miteinander, sondern ebenfalls mit den kosmologischen und astronomischen und von daher mit der ganz anderen sozialen Funktion, die diese Hügel einst für vor allem frühe slawische Siedler gehabt haben werden.
Die Nacht nicht nur der Sterne
Letzter Schimmer des Tages, heller und heller werden die Sterne – auf meinen Fotos nicht zu sehen
Eingeschlossen bin ich auf der Hügelkuppe von einem hellen, grauen Ring über dem Horizont. Lichtverschmutzung oder an diesem Tag, zu dieser Jahreszeit, eine nicht voll dunkel werdende Nacht? Nordost begrenzt der rot blinkende Mauerzaun der Windräder die Unendlichkeit wie ein billiges Spielkasino. Das ist gleich hinter dem Parsteinersee, diesseitig schützt das Biosphärenreservat.
Stoßweise kommt der kalte Wind als bewege nicht ein Schmetterlingsflügel das Universum, sondern das jeweilige Flugzeug am Himmel über mir. Die Flugzeuge sind in der absoluten Stille der Nacht zu hören, obwohl die meisten nur Pünktchen sind wie kleinste Sterne.
Über Eberswalde quält sich ein Hubschrauber langsam vorwärts: auch nur ein kleines rotes Lichtlein, trotzdem: battabatttabata. Kürzlich gab es auf wetter.de eine Grafik von der dauernden Dichte der Flugzeuge über der Erde. Immerhin, ich sehe noch die Sterne.
Mittig über mir teilt die Milchstraße wie ein erzgebirgischer Schwibbogen den Himmel in zwei Hälften. Im Laufe der Nacht löst sie sich auf in stumpfgraue, kosmische Nebelhaufen.
Ab und zu schlummere ich ein wie eine Maus unter einer behütenden, dunklen Käseglocke. Der Meteoritenschauer der Perseiden bleibt aus: selten zwischen einer ganz seltenen Sternschnuppe ein ganz seltener, leuchtend heller Meteorit. Zum Wünschen zu wenig und zu plötzlich. Vielleicht gut so. Ich erinnere mich an den 13. August 1961 an der Ostsee: sie fielen massenhaft, schreckerfüllt: Mauerbau…
So war es ungefähr: Großer Wagen, Kassiopeia und Mond hab ich erkannt :)) Richtung NO wurde die Sicht diffus
Als irgendwann nach Mitternacht tief über dem Horizont wie doppelt aufgeklappt und rotglühend eine Scheibe am Himmel erscheint, schreien die Kraniche auf. Sonnenaufgang? Nee, ein roter Mond – irgendwie gefährlich. Ich denke sofort an Klimawandel und die angekündigten 40°. Was macht die Sonne da gerade mit dem silbernen Mond?
Das Chaos am Nachthimmel kann ich nicht ordnen. Neben dem Baum rechts steht die ganze Nacht ziemlich bewegungslos der Große Wagen – klar, letztlich fehlen ihm die Räder an den Achsen. Den Arabern soll das Sternbild einen Sarg bedeutet haben, dem die Trauernden voraus gingen. Höchst einleuchtend und passend zu meinen Gedanken in dieser Landschaft der zahllosen Steinmale und Urnenfunde.
Der MorgenDas Leuchten der Felder
Das wilde Denken
Die Morgendämmerung färbt den Himmel wie der frühe Abend noch einmal zu einem Aquarell von unzähligen und unvergleichlich zarten Pastelltönen. Schon von weitem kündigt sich mit Geschrei ein Schwarm Graugänse an, erst nur Punkte in der Schneise des südwestlichen Waldes. Meine nicht mehr gänzlich kahle Hügelkuppel scheint auf ihrer regionalen Leitlinie zu liegen. geradewegs Richtung Sonnenaufgang. Als ich abends als Störpotential stand, drehten die scheuen Gänse sofort ab. Jetzt fliegt schon wieder ein zweiter Zug nicht viel mehr als einen Meter über mich hinweg. Das Sausen der Schwingen ist zu hören. Mythologische Wesen auf unsichtbaren Linien und auf der Reise zwischen Diesseits und Jenseits?
Logik und naturwissenschaftliches Wissen schalten sich zumindest bei mir aus – den Göttern sei Dank. Emotionen, für deren Entstehen nicht nur die Chemie noch unzureichende Erklärungen hat, sind stärker. Wo Empathie weit gefächert ist, kann es nicht schwierig sein, sich in einen Tierkörper hinein zu spüren – jenseits von esoterischen Kaspereien.
Wie oft nur unklar sind in meinem Gedächtnis aus dem Archäologischen Landesmuseum Brandenburg kleine Gänse aus Ton gespeichert, als Grabbeigaben und wohl auch als Pfeifen – mit Vorsicht interpretiert als Kinderspielzeuge. Mir fallen das Märchen von der goldenen Gans und Nils Holgersson ein: das Gefühl, das durch den ganzen Körper zieht – fort, fort von hier – mit den Wildgänsen in eine bessere Welt – kosmische Vorstellungen und irgendwann religiös-schamanistische, nichts personifiziert. Bei den Ukrainern erhielt sich die mythische Vorstellung von einem glückseligen Lande, in das die Vögel im Herbst fliegen und in dem die Toten wohnen (zitiert nach dem Ethnologen S.A. Tokarew, Die Religion in der Geschichte der Völker. Dietz Vlg. Berlin 1968, S. 260). Dem ägyptischen → Gott Amun werden zwei Tiere zugeordnet: der Widder und die Gans. Vermutlich zeigt die Gans ihn in seiner Funktion als Urgott.
Die glücksbringenden Störche – Götterboten bei den Germanen – müssen schon länger munter sein. Kräftesparend tief und unhörbar sind sie weit unter der Hügelkuppe heran geglitten und grasen bereits wieder die frisch gemähten Wiesen ab.
Rotwild am Morgen: Fehlanzeige, obwohl der Wind vom Wald her weht. Nur der Fuchs schnürt seitlich vorbei, mich witternd und ohne Beute gen Wald. Aber dort muss er ziemlich frisch eine Hohltaube (keine Berliner Flugratte) abgeschleppt haben. Oder hatte ein Raubvogel zugeschlagen? Die Federn habe ich nicht untersucht.
…versteckt hinter dem GrünlandDer Rosinseeund zurück durch das Rosinfenn, eins der geschützten WaldmooreIch geh dann mal schwimmen
Zu Haus google ich nach dem Wildgansschrei, einem Gänsepfeifchen, einem archäologischen oder auch einem zur Jagd. Es wird mir ein geschmettertes Soldatenlied angeboten, enstanden 1917 an der Westfront, gesungen von einer Wehrmachtsformation 1936, eine andere Version von Heino – der schafft das allein. Kein Wunder, wenn es den Deutschen zwar nie die Sprache, aber doch seit fast 80 Jahren (also wohl auf ewig) das Singen verschlagen hat.
Nee, dazu kein Link. Aber etwas anderes gefunden, → Wer hören kann, der höre HIER!
*leicht abgewandeltes, geflügeltes Wort der Rom
Mein Rückweg verläuft ähnlich wie → HIER.
19. – 28.Juli 2018
Erfahrungsbericht einer Wanderreise zu Wasser und zu Land
mit dem Wandersportverein Rotation Berlin e.V., Leitung Eckhard Knauer
Von Berlin nach Borsk/Polen
Szczecin: das Gepäck von 12 Personen
Anreise mit Regionalzügen über Szczecin (Umsteigebahnhof), Piła, Chojnice (Umsteigebahnhof) nach Czersk. Graue Wolken, leichter Regen nach langer Hitzeperiode. Wälder, Wälder, Wälder. Von den wenigen, kleinen Stationen scheinen die meisten auf diversen Sandwegen ins Nirwana zu führen.
Bahnhof Pila, mehrgleisig – Unterbrechung im Rhythmus lange vergessener Töne: ta-tam-ta ta-tàm-tata. Schneller: ta-bomm tata ta-bomm tata rumm.
Bevor wir unsere vorjährig befahrene Brda (Brahe) überqueren, erschreckt die Wirkung eines Tornados. 2017 im Juli/August fegten schwere Unwetter über die Wojewodschaft Großpolen: weite Flächen Wald vernichtet. Sichtlich knickte nur die Kiefern-Monokultur wie Streichhölzer weg. Ab und zu reckt ein gezauster Laubbaum warnend seine gebrochenen Äste in den Himmel: wir brauchen in Zeiten des Klimawandels anderen Wald!
Folgen eines Tornados 2017, aber ohnehin gibt es jetzt vor allem unendliche FelderAllerbeste Erinnerung: die Brda – leider nur vom Zug aus gesehen
Von Czersk nach Borsk mit den Autos vom Kajakverleih aus Swornegacie – der bewährte vom vergangenen Jahr, nicht ortskundig – dafür gibt es zu zahlreich die Kajakangebote an diesen Flüssen und Seen. Wir landen im Wüsten. Das nervige Zeitproblem hat der Kajakverleih. Wir haben einen relaxten Wanderführer mit Garmin: da ist er, ein kleiner, umzäunter Campingplatz von bewährt polnischer Qualität mit Ausblick auf Reitbahn und Pferde.
Unsere Flotte wird abgeworfen: 2 Einerkajaks und 5 Zweierkajaks.
Die Wda (Schwarzwasser) hat das sogenannte kaschubische große Wasser (zuletzt den See Wdzydze) durchflossen. Vor uns liegen bis Tleń ca. 111 Kilometer. Die genaue Kilometerzahl wird sich nach fahrtechnischen Eigenheiten geringfügig unterscheiden: ob die Mäander des Flusses voll ausgefahren oder quer geschnitten werden etc. Der Oberlauf der Wda wäre spannend, aber ist wohl wegen der Schwierigkeit prinzipiell den Einerkajaks vorbehalten.
Am Campingplatz Borsk rauscht das Wasser der Wda etwas zu gleichmäßig abgehackt durch die Mini-Schleuse, um in ruhigen Schlaf zu wiegen.
Fr. 20.07. Gelandet am Jezioro Wieckie
Der Anfang in Borsk / Wda, Einsetzen der Boote
Nach einigen Mäandern gabelt die Wda zur Wässerung von angelegten Wiesen in einen Kanal. Rechts über ein Wehr fließt sie als schmaler, malerischer Altarm. Die kleine Bucht gibt gute Möglichkeiten nach dem Umtragen einzusetzen. Der Schwall vom Wehr und die angesagten Stromschnellen tragen leicht über gar nicht sichtbare Steine.
Der Fluss mäandert durch Wiesenlandschaft und zieht auch nicht paddelnde Boote mit sich.
…ganz egal wie…
Eine niedrige Brücke – es geht sogar quer hindurch. Aber etwas stimmt nicht. Lächerliche 10 Kilometer bis Miedźno, dahinter auf der rechten Fluss-Seite das archäologische Reservat Kamienne Kręgi, ein Kultort mit mehreren Steinkreisen und Hügelgräbern: größtes Gelände seiner Art in Polen und zweitgrößtes in Europa. Unmerklich sind wir vorbei geschippert. Der flotte Fluss und die versteckten Landeplätze verlangen Äugen und anders als vorgezeichnet ein flexibles Reagieren. Wir landen ohne Anstrengung im Dorf Wojtal Richtung Odry.
Was nun? Übererfüllter Plan. Folgsames Volk.
Irgendeine Bar frißt Zeit. Am Mühlenwehr muss über die Straße umgetragen werden. Die Wda wird durch kaum sichtbare Zuflüsse breiter und tiefer. Tapfer wird gepaddelt. Zum Jezioro Wieckie zweigt ein kurzer Arm der Wda ab – nicht ganz durchgehend, aber das weiß man erst später. Ein lauschiges Plätzchen, Steg, Wasser, Toilette und Tisch gibt es mit polnischer Großzügigkeit gratis. Ich ernte Richtung See Augustäpfel und Maulbeeren. Der Tag hat noch immer ausreichend Stunden, um auch die waldige Seite des Sees zu besichtigen, den Einheimischen die mäßige Qualität ihrer Badestelle nicht zu neiden und einen Strauch Himbeeren leer zu futtern.
Himbeerrot und viele richtige Himbeeren am Jezioro Wieckie
Ich liege am schwarzen Fluss mit Blick in den Sternenhimmel – sicher beides einst Grenze zwischen der profanen und der sakralen Welt. Was treibt uns nur weiter mit so wenig demokratischen Absprachen: die Angst vorm Verhungern, Verdursten, vor zu viel Zufällen einer organisierten Wanderfahrt? Dreimal kräht zwar kein Hahn, aber dreimal gäbe es eine Chance, die kurze Route zu der Megalithanlage zu finden.
Morgens ein Ausnahme-Geburtstagsständchen, dann das übliche Procedere: Kaffee, Müsli, packen, verstauen, Boote einsetzen: ab.
Passend zum Schwarzwasser kleine Assecoires…
Die Sonne brennt und blendet. Direkt auf dem Wasser ist es gerade noch erträglich. Hopps, da sind wir schon in Czarna Woda am Rande der Tucheler Heide. Es waren ja nun noch weniger als die geplanten 12 km bis Wypożyczalnia Kajaków i Pole „Pod Świerkami“. Gepflegt, mit Kurortbeleuchtung am Brückenbogen über dem Teich. Die Frösche zahlreich, aber stumm.
Auch nachts kein Quak: wer ständig Camping hat, möchte wohl mal Ruhe…
Entlang einer öden Straße schleppen wir uns in Mittagshitze zum Einkauf und dem feierlichen Anlass entsprechend zur Einkehr. Wer keine Scheu vor Landstraßenmotorkrach hat, findet → hier ein reiches Angebot leckerer, polnischer Speisen, sogar Kwas, ein ostslawisches Getränk, das durch Gärung aus Brot hergestellt wird. Nicht zu vergessen: reizende, junge Bedienung.
Den Stadtrundgang haben wir mit dem Blick auf den modernen Kirchenbau und das geschlossene Minimuseum „Die Natur der Tucheler Heide“ im Vorbeigehen absolviert. Irgendwo liegen die Moore hinter diesem Örtchen Schwarzwasser (Czarna Woda), die dem Fluss angeblich seine dunkle Farbe geben. Dort möchte wirklich niemand mehr hin. Und der Grund der Wda leuchtet trotzallem immer wieder gelb-rot und hell.
Der Mond – doch und doch nicht über der Tucheler Heide…
Aber ab morgen bitte wieder etwas Power!
So. 22.07. Stille und Weite oder Sonntagslangeweile
Von Czarna Woda nach Czarne sind 16 km zu paddeln. Einst (?) eine sumpfige, unzugängliche und wirtschaftlich unattraktive Gegend. Kein Wunder: von Złe Mięso (Schlechtes Fleisch) erzählt man sich, wie Vorbeikommende abgefangen und zu Wurst verarbeitet wurden. Mit → ein paar schwarzen Erinnerungen kratze ich gegen das Gefühl einer Sonntagskaffee-kuchen- oder auch -computerlähmung an (auch wenn real nichts davon zumindest in meinem Gepäck ist).
Auf der Wda so vor sich hintreiben…, copyright M. Kanitz
Die Wda ist breit geworden, die Strömung langsam. Trotzdem – oder gerade deshalb – schaffe ich es hier oder an anderer Pillepallestelle, meine selbst gebastelte Kufiya in ein Geäst zu hängen und in die genau dort einmal wirklich kohlschwarze Wda zu versenken. Schade.
Die Alternative wäre ein davon geschwommenes Paddel gewesen…
Jetzt ist die Alternative ein Schal.
Manchmal liegen am Ufer Steinbrocken als gehörten sie einst zu den uralten Hügelgräbern
Dann am Forstamt Czubek eine weitläufige, wunderschön gelegene Camping- und Ferienanlage mit FKK Angebot – in der Nähe allerdings wohl nicht, immerhin eine Seltenheit in Polen. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum kleinen Wiesenplatz Czarne mit Imbissbude, völlig ausreichend, um glücklich zu sein.
Auffällig: Campingbetrieb ist hier an der Wda überall hervorgegangen aus einstigen Forsthäusern, vielleicht wird er auch nebenher betrieben.
Wohlfühl-Zeltplatz Pole Namiotowe Czarne – alles in guter Qualität und mit persönlicher Atmosphäre vorhandenIm Hintergrund: sandig-sonnig geht es zum Gogolinek
Ich habe Ermüdungserscheinungen, fühle mich nicht ausgelastet, trotzdem zu lustlos, um in der Hitze durch Feld und trockenen Kiefernwald zu wandern. Und wirklich entpuppt sich der Jezioro Gogolinek nach zwei Kilometern als ein pisswarmer Minisee – wenigstens einmal schwimmen, halb bekleidet unter Beobachtung von Ferienhaus-Urlaubern.
Übrigens: wenn wir gegen Mittag irgendwo anlanden, paddeln Polen bis zum Entfachen des Lagerfeuers immer noch einmal los. Natürlich: wir sind nicht als Romantiker für Abendstimmungen an die Wda gefahren, sondern als Sportler. Als was bitte?
Mo. 23.07. Lubichowo und motorisierte Gastlichkeit
Von Czarne aus paddeln wir ermüdend langsam …Młynsk – Mały Bukowiec – Osowo Leśne… nix davon wirklich auszumachen – ereignislose Landschaft. Bis ein Baum quer liegt. Nicht verzeichnet als Gefahrenstelle. Sieht moorig matschig aus, einfach nur blöd. Dem Himmel sei Dank: Ich suche erst einmal mein Smartphone für ein Foto, verpasse das entsetzte Einsinken bis über die Knie. DAS möchte niemand allein erleben. Wir legen das Schilf flach, um überhaupt Stand zu bekommen.
Dafür rutschen jetzt die Boote mit Sack und Pack wie Butter.
Moorige Wda, im Wasser selbst sieht es sandig aus…Rutschbahn
Sind wir nun zwar geistig munter aber körperlich schlapp geworden? Linksseitig vor einer Straßenbrücke kraucht jedenfalls niemand die Treppe zu einem Denkmal hoch. Für Gedenksteine jenseits der Megalithkulturen gibt es in der Bory Tucholskie so gut wie nur zwei Anlässe: Kriegsereignisse 1944 oder den paddelnden Karol Wojtyła. Richtig: Papst Johannes Paul II; später noch einmal auf dem Zeltplatz – unleserlich, aber zumindest auf dem letzten Schliff des Steines zu ermitteln.
Die Denkmale für den hochverehrten Karol Wojtila
Nach 17 km: Młynki. Neben dem Forsthaus (natürlich wieder!) der Campingplatz. Sehr angenehm, mit Pferden, aber ohne Verpflegung. Zum Einkaufen führt Asphalt geradlinig nach Lubichowo. Meine ersten Erwerbungen abgesehen von Eis: Buttermilch, Räucherkäse, Brot.
Liebstes Essen. Gleich noch einmal morgen in Wda gekauft – der Käse erinnert an die Oscypki der GoralenWege jenseits der Asphaltstraße von Lubichowo
Wann, wie, wo weiter? Es ist zu sehen: der Jezioro Lubichowskie wäre zu umrunden, zumindest ohne Weg. Fam. Pagels Garmin sagt nein. Technik nerv, nerv. Zum Baden reicht mir die Wasserqualität nicht, sowieso gibt es nur im Ort eine Textilbadestelle. Sinnlos warten – rund ist rund und der Tag lang. Der stille, schattige Uferweg endet im offenen, privaten Garten. Besser noch einmal fragen. In der Poliklinik werden alle verfügbaren Menschen von der Pförtnerin bis zu den Patienten und letztendlich vielleicht eine Ärztin mobilisiert. Aha, letztere gehört in besagtes Privathaus und weiß: nur noch die Kurve bis Stacja Lubichowo, ein verfallenes Backstein-Bahnhofsgebäude. An den Schienen entlang, nach rechts einen schmalen Pfad am Ufer durch die Wiesen: stimmt, ist leider erst zu Haus mit → Google-Luftbild genau zu erkennen!
Angenehm: Zeltplatz J. Adrych, Mlynki 3
Am Abzweig geht es allerdings auch weiter außen herum oder noch schneller quer durch den Wald, gänzlich ohne die ätzende Asphaltstraße. Risikoreiches Geschlängel, Sumpf?
Ein letztes Haus im Feld, eine junge Frau mit Kindern im Auto – wir diskutieren ausgiebig die Wegemöglichkeiten in Sandmalerei. Mitbewohner werden zu Rate gezogen – in jeglicher Sprache: “völlig unmöglich!”
Ich vertraue mich dem Auto an – die Kinder im Auto erdulden es. Erst als wir unsere auf der Straße marschierende Gruppe erreichen, werde ich entlassen. Dziękuję bardzo, dziękuję bardzo!
Nachträglich sehe ich: um das Haus führt wirklich nur ein Rundweg. Aber: es wäre keine 4 km problemlos auf Wald- oder Wiesenweg gegangen! Ach, es ist wie in Deutschland: von 10 Menschen kennt höchstens einer die Wege ohne Auto. Und 4 oder gar 6 km bewältigen? Unvorstellbar!
Di. 24.07. Bory Tucholskie mit Badesee
Planmäßig werden die 13 km von Młynki nach Wdecki Młyn absolviert.
Die Wda deutlich als Flachlandfluss, begleitet von Kiefernwald
Zwischenstopp im Dörfchen Wda mit Storchennest und bestausgestattetem “Sklep”. Es müsste keine Panik aufkommen bis ganz zum Ende unserer Fahrt. Dann wieder der Fluss in nun schon bekannter Qualität bis er sich vor einer Staumauer mit Wehr weitet: heftig von einem Schwan verteidigt zum Schutz seiner Familie. Abgesehen von seinen Angriffen ist es am rechten Ufer relativ einfach umzutragen.
Ach, wie ich den einsamen Faltbootfahrer beneide, mit dem ich jetzt noch einmal sein Boot einsetze…
Wdecki Młyn hinter der Staumauer
Wieder ein großer Campingplatz beim Forsthaus (!), etwas weiter vom Ufer und dort wohl auch die Infrastruktur. Direkt am Platz ein Wasserhahn an einem Haus; → die Toilette erstreckt sich mit weißen Papierfetzen weit über die Wiesen :((
Links im Bild schimmert die Verbindung von Kochanka zu Wda durch die Büsche
Die Besichtigung eines Gutsparkes entfällt wegen Privatbesitz ohne Bedauern.
Der See Kochanka lockt. Suchend nach einer Badestelle am Steilufer geht nach rechts ein Pfad bis der See über einen Verbindungsgraben in die Wda fließt. Schluss und aus – schnell wenigstens ein Vitaminschub Preiselbeeren… Unsere halbierte Gruppe versucht es noch einmal nach links. Siehe da: wir sind wieder 12 und am Ende alle wunderbar in wunderbarem Wasser geschwommen.
Die Nachmittagshitzebratwurst
Nachmittags (nachmittags!!!) gibt es diesmal Wurst und Kartoffeln vom Feuer.
Die Schwalben fliegen am Sommerhimmel bis spät in den Abend.
Mi. 25.07. Krzywe Kolo – Krummer Kreis oder die Schleife der Wda
Nebel liegt über Wdecki Młyn. Zeit auf das Wasser zu kommen. Aber das dauert.
Nebel über der Wda
Zurawki mit steilem Ufer ist dann bald erreicht. Schon wieder auspacken, Gepäck und Boote hoch wuchten? Der Kräfteverschleiß ist doppelt und dreifach größer als beim Paddeln. Die Einsicht ist allgemein. Nächster Versuch: Luby.
Ab Zurawki wird die Strecke als urwaldmäßig beschrieben. Nur etliche Hähne krähn dagegen an. In den sumpfigen Uferzonen lauern die Bremsen. Ich hetze polnischen Zweierkajaks nach. Das Klotzen durch die Landschaft hat den Vorteil, diesem Viehzeug zu entgehen. Die polnische Gruppe will weder nach Luby, noch nach Błędno, sondern bis Tleń – sie wissen was sie tun…
Ich warte in Luby an einem verkrauteten, ewig nicht mehr benutzten Steg mit Bänkchen, daneben ein Haus auf dem Hang: pikobello neu – da gibt man freilich der Natur lieber als den durchziehenden Kajakmeuten Raum. Der Wink ist ohne Zaunpfahl zu verstehen: wir fahren durch bis zur Donnerstags-Etappe Błędno, ca. 25 km (also geht doch…!!!)
Luby – dieses Mal nicht ich schief, sondern Häuschen und Hang!
Ab Luby beginnt das NSG Reservat Krzywe Kolo (Krummer Kreis) mit endlosen, engen Mäandern in alle Richtungen, steilen Hängen, ab und zu ins Wasser gerutschten Bäumen bis ein tiefes, bewaldetes Tal das Reservat einkreist. Aber das ist vom Wasser aus nicht wirklich genau auszumachen.
Später vom Krzywe Koło aus zu sehen: die engste Stelle zwischen den Mäandern der Wda
Błędno nach der Straßenbrücke rechts zwischen den Bäumen des Waldes hat Tische mit Bänken, wenig weiter einen Zeltplatz. Beide Orte ohne Wasser (das gibt es netter Weise beim Forsthaus) und ohne Häuschen (manche Veranstalter statten ihre Gruppe mit mobilen “Tös” aus – Regel ist das zu offensichtlich nicht).
Wenigstens bleibt es einsam und ist so versteckt, dass wir FKK in der Wda schwimmen.
Der große Trip: 100 Meilen durch die Wüste nach einem Schluck Wasser…
Ich bin unruhig, male mir eine verkürzte Reise mit Regio aus – Sch… auf den ICC… (und wirklich hätte ich die Zeit in meiner Wohnung dringend gebraucht; träumen wir vor oder zurück? Die Hochhauskatastrophen künden sich mit Albtraum an.)
Do. 26.07. Zwangspause am Tor zum Paradies
Das Tor zum Paradies
Ein per pedes-Wandertag zum „Krummen Kreis“ (Krzywe Koło), einen der schönsten Teile der Tucheler Heide. Früher soll dieser Ort schlicht als Paradies/Paradyż bezeichnet worden sein. Eine Runde mit Weitblicken über die Wda, zurück über die Brücke von Błędno, durch trockenen Kiefernwald bis Suchobrzeźnica – natürlich auf der Suche nach Einkehr. Die Hungrigen „ergattern“ (etymologisch: sich etwas Seltenes oder knapp Gewordenes verschaffen) in dem winzigen Dorf 10 Eier von glücklichen Hühnern.
Partisanendenkmal
An der Schule eine Gedenktafel für den 1944 ermordeten Dorfschullehrer Józef Schmulta. An der Straße bei Błędno ein schlichtes Denkmal an eine gewonnene Schlacht polnischer und sowjetischer Partisanen gegen die Übermacht deutscher Soldaten (27.10.1944). Die nahen Verwandten von denen, die hier wohnen, haben es erlebt und später erzählt – wieder und immer wieder.
Ein Haus und ein fremdes Foto. Es war nicht hier, aber ich erinnere mich. Ich erinnere mich an den Schmerz.
Ich – Jahrgang 1944 – habe Schwierigkeit, die Geschichte einfach nur als historisches Geschehen zu denken, einfach nur Eier hier von einem Hof zu kaufen. Aber: es gibt keinen vernünftigen Grund, es nicht zu tun.
Im Wald vor Suchobrzeznica
13 heiße km sollen wir insgesamt gelaufen sein. Ich gehe allein am späten Nachmittag noch einmal in das Reservat: Mir fährt der Schreck durch die Glieder: als wäre ich Teile des Weges noch nie gegangen. So ist das allein. Handy hab ich nicht mit. Immer wieder wird ja die Wda zu sehen sein. Die Steinpilze stehen noch naturgeschützt und der Tschaga ist als Heilpilz längst auch hier in Vergessenheit geraten. Vier Kilometer etwa zusätzlich und von der Temperatur her angenehm.
Im NSG Krummer Kreis
Zweimal schwimmen wir noch mit dem Strom von einem Biwakplatz zum andern – die letzte Etappe steht bevor.
Fr. 27.07. Tleń – das Ende vom “faulen” Fluss und faulen Tagen
Die Wda Richtung Tleń
Der „faule“ Fluss rappelt sich noch einmal auf zu schneller Strömung. Noch einmal schlängelt die Wda durch abwechslungsreichen Wald. Noch einmal diese Erinnerung an den Krieg, wo mächtige Brückenpfeiler von seiner schrecklichen Sinnlosigkeit künden. Irgendwo dahinter wohl nie mehr aufzufindende Gräber und irgendwo soll eine große Eiche im Wasser liegen, die eventuell umtragen werden muss.
Zerstörte Brücke mit den Spuren der Einschüsse
Ich nehme keine echten Hindernisse wahr. Dann bildet die Wda einige große Inseln. Verfolgt von einer fütterungsverwöhnten Entenschar gondelt das Boot in eine immer breiter werdende, lang gestreckte Bucht. Kräftig zu paddeln wage ich nicht – zu flach, zu verkrautet. Wildnis ist hier nicht mehr. Die Dächer von Tleń grüßen.
Wda: manchmal letzte kleine Hindernis-Umfahrungen
Ich liege wartend. Über dem schwarzen, schwappenden Wasser schwirren völlig synchron zwei Blauflügel-Prachtlibellen. Als elegante Schleifchen tanzen sie ihr Pas de deux – im spiegelnden Wasser ein vollkommener Vierertakt. Eine dritte stürzt kamikazeartig mitten hindurch – ebenso schnell erfolglos abdrehend. So tief blau gefärbt sind die Weibchen nicht. Kampflustige Männchen? Die Schlagfrequenz gibt einem Foto keine Chance.
In der Bucht vor Tleń/Polen
Die Zeit verfliegt. Der Kajaktrupp schleicht heran und schwärmt von Fisch und Eis. Abhol- und Ausstiegsmöglichkeiten gibt es drei, nirgends ideal: der Schlamm in der Bucht wirkt leblos schwarz… Am Ufer ein sympathisches, bekanntes Gesicht vom Bootsverleih: zack, die Boote aus dem Wasser, auf den Hänger und weg ist der Mann – bis zum nächsten Jahr?
Große Einkehr oder kleines Eis. Tleń ist Urlaubszentrum und belebt beliebter Ferienort mit bester Versorgung und einem luxuriösen Campingplatz. Ein Regenbogen, ein kurzer Schauer – am Amazonas kann es nicht schwüler sein. Die Feuerwehr rast über die Brücke. Eigenartig: in Griechenland und Schweden brennen die Wälder – in Polen grillt Abend für Abend die Nation an Lagerfeuern.
Farbe und Fluss: fluoreszierendes Feen-Gras in der Wda
Ich denke an die Wda zurück, ihre grellgrünen, unterseeischen Wiesen, die Röhrichtgürtel und Kräuterteppiche und wie das satte Grün sich in immer dunkleren Tönen verliert, je weiter die Bäume auf den Hängen zum Himmel wachsen.
Dennoch sind mir auf dieser Reise das wichtigste die wenigen Menschen mit denen ich Kontakt hatte: Vater und Söhnchen, die eine erste Kajakreise zusammen unternehmen, die lustigen Freischneider, mit denen ich mich paddeltechnisch „unterhalte“, die vielen hilfsbereiten Menschen in Lubichowo, sogar jede Begegnung in den kleinen Skleps=Läden – spürbare Herzlichkeit in diesem unendlich weiten Land.
Sa. 28.07. Bydgoszcz – an diesem Tag mental und körperlich ausgelastet!
Abschied von Tleń, morgens kurz nach 4 h
Bydgoszcz besticht mit restauriertem und ästhetisch überzeugendem, hochmodernem städtebaulichem Ensemble. Nur unsere Besichtigung gerät ab Busbahnhof trotz nahtloser Anschlüsse und frühzeitiger Ankunft zum Hindurch-Rasen schon wieder Richtung leiblicher Notdürfte.
Zu guter Letzt, aller historischen Erkenntnis und antiautoritären Behauptungen zum Trotz jagt ein folgsames Volk hinter dem Führer über die vierspurige Most Uniwersytecki. Wie man‘s braucht. Wie es den Herren in der Dreigroschenoper entgegen geschleudert wird, reagiere ich: “Erst … und dann die Moral”.
Danke für alle Hinweise der hilfsbereiten Polen (der Name Bydgoszcz soll von „bicie gości” oder „bycie gościem“ =‚Gast sein‘ kommen – nomen est omen). Die Busse dürfen auf dieser Strecke kostenfrei benutzt werden, weil es keinen Geh- oder Radweg gibt. In allen Ecken nach der Gruppe am Busbahnhof suchend, bin ich hoffnungslos zu spät und mit 10 Zloty und 30 Euro nicht zahlungskräftig.
Hingesunken im Zug.
Ja, vielleicht haben wir gemeinsame Vorfahren in den Steinkreisen von Odry liegen und die guten Geister schweben nun über mir und dem Grzegorz, der mich quer durch die Stadt zum Bydgoszcz Główna fährt – vielleicht sogar die Zugabfahrtszeiten gen Berlin ahnend (ich weiß nichts und hab alles verpackt). Auf der Rolltreppe gleitet mir unsere Dorit entgegen – ich kann es kaum glauben.
Nein, nicht 5 vor 12, sondern “nach” – der Zug hat Verspätung oder irgend so etwas.
Wróciłem!
1000 dziękuję za jazdę na stację Bydgoszczy
Adios Polen! Der Sommer geht bereits seinem Ende zu – das war Tleń am späten Morgen.
Gemäßigtes Paddeln, selbst Untätigkeit bringen auf der Wda schnell vorwärts. Achtsamkeit ist dennoch gefordert: die Situationen wechseln. Es kann wegen der Strömung ein Wagnis werden, Boot, Paddel und sich selbst ans Ufer oder auf eine Sandbank zu retten. Unmittelbar gefährlich wird die Strömung für die massiv im Wasser liegenden Boote nicht. Die offiziell genannten Gefahrenstellen sind zumindest bei gutem Wasserstand übertrieben beschrieben.
Nach dem Versinken nur mit Hilfe wieder standfest
Problematisch sind erst kürzlich von Unwettern gestürzte oder altersschwach gefallene Bäume. Wo Kraut und Schilf über unergründlichem Schlamm flattern wird Aussteigen zum Risiko, haltlos zu versinken. Regelmäßig wird die Wda allerdings freigeschnitten: zur rechten Zeit am rechten Ort – eine nette Begegnung!
Die Freischneider auf der Wda mit der Motorsäge – Schwerstarbeit, dieses Ding im Wasser stehend über dem Kopf zu halten!
Wasserqualität
Die extrem saubere Qualität des Wassers nimmt ab mit jeder Siedlung. Das ist zu riechen, wobei der Fluss immer wieder selbsttätig versucht, sich zu erholen. Das „Schwarzwasser“ ist stellenweise eben nicht pur „wässriges“ Moor. Deutlich verschlechtert sich die Wasserqualität bei Czarna Woda – das Boot gleitet unter verrottenden Industrierohren hindurch, linksseitig ragt hinter einem Holzschnitzelberg eine Fabrik in den Himmel.
Immerhin: Abfall im Wasser selbst ist trotz Tourismus nicht zu entdecken. Die Forste im Bereich der Biwakplätze haben diesbezüglich große Probleme. Allein gelassen mit ihren Nordürften reichen dort weder Phantasie noch Wissen der meisten Wasserwanderer für eine naturverträgliche Entsorgung.
Glückliches Weidevieh schadet wohl kaum dem Wasser – doch die Umwelt?
Erlebnisqualität
Der vielfach verwendete Begriff „Urwald“ dürfte sich auf die breiten Sumpfwiesen an den flachen Ufern beziehen. Meist säumen Erlen das Ufer bis dahinter der Hang mit hoch aufragenden Kiefern und Wacholder bewachsen ist. Meine Lust durch diese sommertrockene Heide zu wandern tendiert gen Null. Wertvolle Flora (Sonnentau, Knabenkraut, Türkenbund, Akelei etc.) ist natürlich weder vom Boot noch vom Land aus zu entdecken. Die Ufer allerdings geizen nicht mit Wasserminze und Wasserkresse – schmackhafte Bereicherung für einfaches Campingessen, sofern man die angepriesene Naturnähe auskostet und auf ständiges Einkehren verzichtet.
Minze, Kresse, Schilf und Schierling: der Urwald
Die Fauna beschränkt sich sichtlich auf klein, hörbar auf groß Geflügeltes und merklich auf Bremsen in Nähe von Weiden und Ortschaften. Dem Biber macht man wohl hier schnell den Garaus – jedenfalls kennen wir das in Brandenburg naturbelassen anders.
Einheimisch und professionell für die mitleidslosen Fischverschlinger
Die Landschaftsbilder wiederholen sich. Weniger als 20 km pro Tag langweilen unendlich. Anglermentalität ist gefordert. Die Zeit ist kaum mit anderem als Einkauf und Essen auszufüllen. Wer möchte das? Die Abende am Lagerfeuer (sofern man polnisch/slawisch, nicht allzu deutsch nützlichkeitsdenkend verwurzelt ist und egal wie groß die Brandgefahr in Deutschland eingeschätzt würde) bringen das romantische Gefühl „Zurück zur Natur“.
Ideale Badestelle in Błędno, immer auch mit kleinen Fischlein in der Sonne
Stellenweise ist in der Wda zu baden (das jedoch unbedingt verschämt bekleidet). Angeleint und unter Aufsicht müssen Kinder in jedem Fall sein. Die Strömung reißt auch Erwachsene mit sich und Ausstiege fehlen dann.
Wo die Romantik gelehrt wird (vgl. Blog-Kategorie Filme auf DVD: Wes Anderson, Moonrise kingdom)
Fünf Tage im Kajak für den Abschnitt Borsk – Tleń, dann sollte es eine wundervolle Naturerfahrung werden!
Dieses Mal viel zu viele 10 Tage für etwas über 100 km Fluss ohne See, aber unschlagbar und mit Dankbarkeit für rund 150 Euro mit allem Drumunddran. Funktioniert aber nur, weil die Organisation vom Wandersportverein und ausgefuchstem Wanderleiter mit nicht mehr als einer Mini-Aufwandsentschädigung abgegolten wird.
Sonntag, 15.07.2018 bei herrlichstem, verträglichem Sommerwetter: 21 km, vier Seen und ausgedehntes Schwimmen in dreien. Ein vielseitiges und total erholsames Wandererlebnis mit Eckhard Knauer und dem WanderSPORTverein Rotation Berlin von Gransee an der Stadtmauer entlang (eine seltene Route) direkt ins Grüne hinein, zum Großen (Bade-) und zum Kleinen Dölchsee, auf dem Uferpfad vom Huwenowsee zur zweiten Badestelle, am Verbindungsfließ zum kühlenden Abschlussbad im Wutzsee und nach Lindow mit Klosterkirche und Eis, Eis, Eis…
Gransee, PulverturmBlick aus Richtung Kriegerdenkmal Gransee (1901) zum Geronsee – der natürlich nicht gezählte See in weiter FerneBadestelle Großer Dölchsee (See 1)Mit den unscharfen Augen einer weit im See geretteten Hummel – zur richtigen Zeit war ich am rechten Ort: sie labt sich schon wiederBlick zum Kleinen Dölchsee (See 2)Schmetterlingsglück unterwegsIst es nun Wanderweg oder nicht? Wer wohl kann bei so viel Unbestimmtheit nur die Herrin des herrschaftlichen Domizils sein???Nee, das Schloss zeig ich nicht, nur den See (See 3) – man darf sogar drumrumDann frönen wir auch hier ostdeutschen Leidenschaften. In der Hoffnung, dass die einschlägigen Gäste des Hauses in ihrer weißen Tüllgarderobe à la englischer Landhaus- oder Rennbahnstil weiterhin langsam laufen… sie könnten es als Laster werten…Der Wutzsee (See 4) animiert als letzte Badestelle bisher ZögerlicheZum Schluss für alle, die sich auf meinen Seiten mit zu viel Nur-Landschaft langweilen: endlich mal Mensch aus der Nähe…
Mehr ist zu diesem Tag nicht zu sagen (auch wenn zu manchen Orten einiges bemerkenswert Historisches gesagt wurde):
Glücksgefühl und sommerliches Wohlbefinden!
Sommermärchen Lindow : Frankreich
Mit sehr herzlichem Dank an die mit meinem Handy Dokumentierenden!