Worüber ich aktuell nicht nachdenken wollte, aber von aktiven Idioten gezwungen werde, das stand in meinem Blog einen Monat lang auf der ersten Seite:
1. über atomare Aufrüstung
2. über Sepulkralkultur und Totenkult im Kulturvergleich
Wenigstens kann ich meine Stimme erheben: gegen Bebauung von nicht mehr von Normalos bezahlbaren und daher! nicht mehr ausgelasteten Friedhöfen mit Sozialwohnungen (für Flüchtlinge – so konkret Pfarrer J. Quandt, Heilig-Kreuz-Kirche Berlin Kreuzberg in einem inforadio-Interview→ dazu die evangelischen Worthülsen).
Ach, lasse ich doch → andere für mich sprechen und andeuten, was spätere Mieter denken könnten in berechtigter Verachtung nicht nur der einzelnen Gutmenschen, sondern unserer gesamten Kultur einschließlich alles Denkmalgefasels.
Passt in den Zusammenhang: in Brandenburg wurde (nicht nur) der Bad Freienwalder jüdische Friedhof erst nach 1945 abgeräumt und eingeebnet. War wohl normal für die pragmatischen Preußen protestantischen Glaubens…***
Und heute, März 2019? Gibt es diese Zusammenhänge? Gibt es sie nicht?
Ich tue mich schwer zu berichten. Ich war wandern und will nicht warten bis offiziell bereinigt wird – wider das Vergessen.
Friedhöfe in Oderberg, Schwedt und Angermünde
Es sind jüdische Friedhöfe. Die dauerhafte Totenruhe gilt im Judentum als verbindlich. Der Stein bleibt bestehen. Die Gräber werden von Efeu und Gras überwachsen.
In Oderberg ist das Geschehen der jüngsten Schändung präsent. Mir wird bedeutet, dass es nicht im Interesse der Oderberger liegt, öffentlich zu verbreiten, wo sich der Friedhof befindet. Ich habe ihn gesucht und eher zufällig gefunden. Auf Fragen im Ort bekam ich mehrfach erstaunte Reaktion: ein jüdischer Friedhof? Nie gehört.
Ebenso zufällig fand ich auf der Suche nach einem Ziel für eine kurze Wanderung einen Zusammenhang der Friedhöfe Oderberg, Angermünde und Schwedt.
Die Toten der jüdischen Gemeinde Angermünde wurden einst auf den jüdischen Friedhöfen in Schwedt und in Oderberg beigesetzt.
Hier drei weitere Fotos vom gepflegten, jüdischen Friedhof in Schwedt:
→ Mauer mit wahrscheinlich einstigem Taharahaus → Schwedter Friedhof I → Schwedter Friedhof II
1709 war es wegen einer ausgebrochenen Pest in Angermünde nicht möglich, Tote dorthin zu bringen. Die jüdische Gemeinde legte einen eigenen Friedhof in Angermünde an. 1835 wurde der Friedhof auf dem kleinen Berg erweitert und war bis in die NS-Zeit belegt.
Nach dem Novemberpogrom 1938 beschlagnahmte die Stadt das Friedhofsgelände und verkaufte es 1942 an die Eigentümer der davor liegenden Häuser.
Namenlose Eigentümer? Namenlose Mieter?
Ein Teil der Grabsteine wurden an einen (welchen?) Steinmetzmeister verkauft. Sie wurden verwendet als Parkbänke, zur Anlage einer Treppe und zur Befestigung der Adlerquelle am Wolletzsee. 1974 wurden von einem Anlieger drei LKW-Hänger mit noch auf dem Gelände gestapelten Grabsteinen zur Sondermülldeponie nach Schwedt gefahren – wird (von welchem Anlieger?) berichtet.
Es sind nur einige Grabsteinbruchstücke erhalten; der Friedhof ist zu einer Gartenanlage geworden. Die 1914 erbaute Friedhofshalle wird als Garage zweckentfremdet.
So ein Bericht im Internet → Stand: 02. Februar 2018.
Angermünde, Jüdischer Friedhof. Stand: 4. März 2019
Am Ende des Durchganges Angermünde, Puschkinstraße 3-4: die kleine Friedhofshalle ist restauriert, unmittelbar rechts daneben eine Gedenktafel der Stadt Angermünde.
Denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
2 Korinther 5:7, Lutherbibel
Übrigens liegt mitten auf der Wiese kein schlafender, sondern ein toter Fuchs.
Aber die Menschen, ach die Menschen: sehen wir doch mit den Augen von Ehm Welk die Angermünder Uckermärker – liebevolle, kleine “Ketzer”.
Und eine Stadtarchivarin, die sich um Stolpersteine für die Familien Gerson und Freundlich bemüht hat, etc. etc.
Man kann doch wirklich nicht überall und ständig hinschauen.
Das Land Brandenburg ist zum Wiederaufbau und zum Erhalt jüdischen Erbes und jüdischen Gemeindelebens durch einen deutschen → Staatsvertrag von 1989 verpflichtet.
Nachzulesen sind dazu Auseinandersetzungen aus Sicht der → Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde Brandenburg. Ja, wäre alles einfach…
2009 nimmt der Landesverband der Jüdischen Gemeinden Land Brandenburg zur → Erfüllung des Staatsvertrages Stellung:
“Wir verspüren im Konzept weniger von der Verinnerlichung der Geschichte des Landes durch deren Menschen.”
…”Geschichte des Landes” und “Verinnerlichung”…
Auch auf Berliner Friedhöfen wurden in den vergangenen Jahren wiederholt Grabmäler zerstört und geschändet, jenseits von städtischen Ehrengräbern abgeräumt sowieso – unabhängig von der Konfession. Passt die “normale” Entweihung, Vernichtung, Zerstörung in den Zusammenhang Antisemitismus? Aus meiner Sicht: ja – im Sinne der Verinnerlichung der Geschichte unseres Landes, einer Geschichte unseres sogenannten Abendlandes und einer Weltgeschichte und einer zukünftigen Geschichte und Geschichtsschreibung durch uns Menschen.
** Ich suche nach Namen. Erst im → Bundesarchiv finde ich Namen von ermordeten Angermünder Juden. Und die jüdischen Menschen aus noch früheren Jahren? Wenn nicht auf dem Friedhof, dann unter den Söhnen und Töchtern von Angermünde bei Wikipedia: doch wo bin ich hier am 5.3.2019 hingeraten? … namentlich ein Vizeadmiral im Zweiten Weltkrieg; ein Politiker NSDAP; ein SS-Führer.
→ zurück zu meiner Angermünder Wanderung, 04.03.2019
→ ergänzend der allgemeine und der jüdische Friedhof in Kremmen Orion