Von Goslar nach Ilsenburg

Pfingsten 2019, “Wandern im Harz”. Zu zweit von Goslar nach Ilsenburg – dank Harz-Berlin-Express (mit einigen Abstrichen fast wie vor dem 9.12.2018). Geplant: Klippenweg und Ilsetal, alles andere jenseits der harzbekannten Forstwege.

Aller Anfang ist schwer

Goslar, kurz nach 10h ein schnuckeliges Harzstädtchen, nach 10:30h Touristengewimmel. Wir fliehen am Abzuchtkanal und der alten Stadtmauer entlang (der jüdische Friedhof ist nicht nur in den neuen Ländern, sondern auch hier geschlossen), landen auf dem Segelfluggelände Bollrich.

Auf der Suche nach dem Klippenweg. Copyright K.G.Brandler
Das Vorhaben, jenseits der Pfingstochsentouren naturbelassene Wege zu finden, geht höchst langsam bzw. zu schnell in Erfüllung.

Hinter dem Absetzbecken
Der Weg zwischen den Absetzbecken verflüchtigt sich in unendlichen Dornröschenhecken und die Natur steckt voller Rätsel.

Antonia-Bank

Kein Wunder: Orientierung verloren. Gelmketal und Ammental daher vor und zurück.

Wandern im Harz, Sackgasse
Endlich: die Brücke am Waldhaus über die Oker, dann die Alte Harzstraße als Genusswandern.

Wandern im Harz

Wandern im Harz

Blick ins Okertal
Wandern im Harz

Autos und Motorräder sind trotz der Talstraße nicht zu hören: lauter braust der Wind oberhalb des Okertales in den Ohren.

Romkehaller Wasserfall
Schnellstens raus aus dem Bereich des windverwehten Wassers vom Romkerhallerfall! Viel kann nicht unten ankommen. Besichtigung sparen wir aus.

am Romkehaller Wasserfall
Der Tag neigt sich bereits dem Ende zu. Steil hoch geht es auf dem Klippenpfad. Das wegen Renovierung geschlossene Kästehaus muss nicht mehr sein. Wir umkreisen etliche Brocken (nicht den Brocken) und die Feigenbaumklippe.

Unterschlupf. Copyright K.G.Brandler
Besseres lässt sich niemals finden. Ein langer Sonnenuntergang und „Gute Nacht.“ Irgendwann ein Blick in den dunklen Himmel. Haarscharf an der Kante des Überhanges: drei Sterne des Großen Wagens. Wer weiß – unsere Vorfahren haben sicher mehr aus der Konstellation gelesen.

Klippenweg und quer durch

Feigenbaumklippe am Morgen. Copyright K.G.Brandler

Rosarot, breit strahlend der Sonnenaufgang gegen 4 Uhr.

Pfingsten 2019, Harz

In der zweiten Reihe schläft es sich immer noch gut.

Feigenbaumklippe

Ziellos gezielt genießen wir höchst ausgeruht jede Klippe. Dank an den → Ideengeber.

Wandern im Harz

Mein babylonischer Sternen-Favorit: die Moosklippe, ohne Geländer. Oben steinerne Single-Kuhlen: perfektes Liegen im Felsennest mit ungeschütztem Blick in den weiten, weiten Himmel.

Kästeklippen, Alte vom Berge

Überhaupt: wer nicht diese Felsformationen genauer erforscht, weiß nicht, was eine Harzer Klippe bedeutet. Mausefalle – Hexenküche – Mönch und Nonne – Kästeklippen, wir enden bei der Alten vom Berge.

Wandern im Harz

Süd-xx-wärts quer gibt es wenig zu entscheiden. Aus dem Auto vom Forst wird freundlich gewinkt. Dass wir am Brockenblick als Backpacker nicht frisch aus dem Hotelbett gestiegen sind, ist klar. Kontrolliert wird das Harzgebiet offensichtlich an Feiertagen verstärkt.

Diabaswerk Huneberg

Gemeint sind andere als wir und anderes. Sogar das Diabaswerk am Huneberg liegt unbewacht: Absturz auf eigene Gefahr…

Obwohl frisch gewaschen: wir werden mit unseren offensichtlich anderen Ambitionen an der → Marienteichbaude freundlichst übersehen, um so freundlicher beim Nachfüllen aller Flaschen bedient. Hier tanzt ansonsten der Bär, auch wenn es nur Wildkatzen sind.

Wandern im Harz, Überraschung

Wir verschwinden schnellstens, kreiseln auf wilden Waldwegen, geraten wieder auf Splitt, stolpern notgedrungen darauf abwärts auf dem trotzdem einsamen Luchsweg zum Radauwasserfall mit lauschigem Plätzchen für einen verdienten Kaffee.

Radauwasserfall
Richtung Molkenhaus ein steiniger Zickzackpfad aufwärts. Abwärts grölt uns das Ziel entgegen. Dabei hat das Haus (nicht die Wiese) geschlossen.

Luchsgehege
Also eingedenk der morgigen Zugbindung geradewegs auf Splitt zum verfetteten Luchs im Gehege und zur Rabenklippe.

Wandern im Harz

Granit, Wollsackverwitterung

Das große Suchen Richtung Eckertal – vergeblich. Eisentor, Verzehrvorschriften, Privatgärtchen versperren den eindeutig gezeichneten Weg. Doch, gerade durch die Gastwirtschaft wäre der Einstieg gewesen.

Rabenklippe

Der nun urige, feuchte und steile Pfad am Großen Stötterbach hätte langsames Gehen verdient. Der Eckertalweg schon wieder mit eckigem Ekelsplitt bis der Jungborn mit lieblicher Wiese fast wie zu Zeiten des einstigen Kurparks grüßt. Die Pflege des Areals wird inzwischen mit dem Vermieten von Schäferwagen finanziert. Recht so. Nur wir können nun nicht wie Kafka im → Kurluft-Häuschen träumen.


Mit grauen Wolken bricht eine Nacht an, die zumindest in meiner Erinnerung nicht dunkel wird.

Alles Ilse am Tag drei

Über den Besenbinderstieg nach Ilsenburg, dann entlang der Ilse-Kaskaden.

Feuersalamander an der Ilse. Copyright K.G.Brandler
Hexenverdächtig, aber naturgeschützt endlich einmal ein lebendiges Tierchen unter all den überfahrenen Leichen meiner sonstigen Fotos

Ilse

Die sommerliche Ilse lädt zum Planschen ein. Hier zur → Ilse im Winter.

Ilse

Doch ätzend splittsteinig wartet bereits die Strecke Richtung Plessenburg.

Plessenburg
Die Art unseres Gepäcks hat Seltenheitswert. Mehr als einen Tagesrucksack trägt niemand, die Radler wohl nur ein Geldsäckel.

Zwischen Plessenburg - Ilsenburg
Das Wetterglück ist uns hold: sogar kahle Hänge sind in der Sonne keine wirkliche Qual.

Ilsestein mit Kreuz. Copyright K.G.Brandler

Steil (es geht auch anders) zur Ilsesteinquelle und zur Felsenburg Ilsestein mit leckerstem Eis, für dessen Transport der Splitt wenigstens einen Sinn ergibt.


Das Kloster in Ilsenburg schon mit dem Gefühl „vorbei ist vorbei“ ohne mich. Noch 3 Stunden bis Buffalo…

Fazit “Wandern im Harz”

Das angepriesene „Wandern im Harz“ bedeutet eintönige, breite Nationalparkstraßen plus Splitt. Dank Borkenkäfer streckenweise fußfreundliche Nadelstreu. Etwas zynisch: gern mehr davon.

Die begehrte Harzer Wandernadel ist problemlos an günstig gelegenen Stempelstellen Nähe Parkplatz, Bushaltestelle und Restaurant zu ergattern.

Festes Quartier, fester Rundkurs, Tagestouren – dafür werben die Harzer Gastgeber. Das gelingt.

Doch nur wer mit leisem Schritt, leichtem Tritt und ganz heimlich auf einen unbezeichneten Waldweg ausweicht, genießt den Harz wie er in den Sagen- und Märchenbüchern steht. Viel, viel Zeit mitbringen! Im Harz sollte der Weg das Ziel sein.

Wandern im Harz

Die Räuber aus dem Eckernkrug im Schimmerwald

 

Für den dicken Mann???
Für den dicken Mann???

Einmal wurde ein altes Mütterchen im Schimmerwald zwischen Harzburg und Ilsenburg von der Nacht überrascht und suchte im Eckernkrug ein Obdach. In der Nacht aber kamen die dort hausenden Räuber und führten einen dicken Mann mit sich. Sie leuchteten über die Frau, kitzelten ihre Fußsohlen, allein sie tat als schliefe sie. Da schlachteten sie den Mann und machten Wurst davon. Ehe die Frau am Morgen fort ging, aß sie auch von der Wurstsuppe und ließ sich eine Wurst für ihre Kinder einpacken. Und als ihr unterwegs zwei Männer begegneten, die sie nach dem Eckernkrug fragten, lobte sie die mildtätigen Leute dort und zeigte die Wurst. Hätte sie anderes gesagt, so hätte sie sterben müssen, denn diese Männer waren Räuber, die sie auf die Probe stellten.
Erst in der nächsten Ortschaft erzählte die Frau der Obrigkeit alles. Die Räuber wurden gefasst und schäumten vor Wut, dass das Mütterchen sie überlistet hatte.

Harzer Grenzweg: Eckertal

14. April 2018
Bevor die Hexen in der Nacht zum 1. Mai durch die Wälder fliegen und dem dann welkenden Bärlauch die Kraft nehmen, schnell noch in den Schimmerwald von Stapelburg! Dort entdeckte ich nach meinem Bergwaldprojekt nicht nur den Bärlauch, sondern auch den “Jungborn”. Bepackt wie ein Harzer Kiepenweiblein war ich von Sankt Andreasberg hinunter gewandert zum Bahnhof Ilsenburg.
Hexerei und Heilsversprechen locken schon wieder in den Harzer HEX!

Stapelburg

Ruine Stapelburg
Ruine Stapelburg

Der Frühling platzt aus allen Knospen. Geradewegs vom Bahnhof Stapelburg geht es diesmal zur weithin sichtbaren Burgruine. Den kleinen Kegel weit umrundend, ist der reguläre Weg trotzdem schneller als gezerrt und gezogen von einigen Kilo Löss.
Auf der → Stapelburg sind die Vorbereitungen für die Saison der Ritter und Biertrinker im Gange. Ich schwöre: die Reise lohnt bereits!

14. April: Geburtstags-Veilchen
14. April: Veilchen zur Erinnerung
Guter Boden: Löß
Mehr Schluff als Lehm – also Löss
Löwenzahn
Saftiger Löwenzahn
Wilde Primel
Bergfrühling: Wilde Primel
Innerer Wall
Innerer Wall
Äußerer Wall
Äußerer Wall
Burghof
Burghof
Burgkeller
Viel versprechend: der Burgkeller in Arbeit
Gehöft in Stapelburg
Gehöft in Stapelburg
Blick in die Ferne mit blühenden Schlehen
Blick in die Ferne mit Schlehenbüschen

Alles Getränk verschmähend, wird mir jenseits der offiziellen Kellereröffnung → ritterlich ersatz- und ausnahmsweise eine historische (Vorsicht Waffengesetz!) Niederwildfalle vorgeführt. Der Begriff “Totschlagfalle” wird freundlichst vermieden. Vom unvorstellbaren Effekt am Beispiel eines Schaufelstiels bin ich höchst beeindruckt und → eingedenk anderer Fuchs-Tode (z.B. Betonrohrfalle? – die hatte ich ahnungslos ignoriert) nachträglich umfassend informiert. Die alten Geschichten von Wilderer- oder Förstertoden bekommen eine andere Dimension.

Die Kraft eines Stück Eisens...
Was ein Eisen bewirkt, war mir so nicht klar
Na ja, denkt der moderne Mensch erst einmal...
Na ja, denkt der moderne Mensch erst einmal…

Der Grenzweg bis Jungborn und der heilende Bärlauch

Flächendeckend Bärlauch
Flächendeckend Bärlauch

Ein großes, gelbes G
Hinter Stapelburg und Denkmal zur Maueröffnung liegt unmittelbar vor der Straßenbrücke der Zugang zum „Grünen Band“Grenzweg einst zwischen zwei deutschen Staaten, jetzt im Harz zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Als Pfad quert er an der Bahnbrücke über die Ecker die seit 1955 stillgelegte Strecke Bad Harzburg – Stapelburg – Ilsenburg – sogar noch mit Schienen, nach einer Info von W. Pagel, WSV Rotation Berlin mit Eisenschwellen – was es alles gab…!!!
Flächendeckend begleiten Bärlauch und Buschwindröschen.

Wehr im Eckertal bei Stapelburg
Wehr bei Stapelburg
Denkmal - demokratisch klein gedacht
Kleine Figürchen – das nenne ich weise…
Schimmerwald mit Grenzstein von 1848
Grenzstein von 1848
Grenzpfahl
Grenzpfahl
Das Ende
Schienenende aus Richtung Bad Harzburg
Brücke ohne Bahn über die Ecker
Bahnbrücke über die Ecker

Taufrischer → Bärlauch jetzt zwischen meinem Knäcke: die Gifte strömen aus dem Leib; mir wachsen Bärenkräfte. Gestärkt lasse ich den verrufenen “Schimmerwald” mit seinen Menschenfresser-Räubern* und der später noch schlimmeren Luftmunitionsanstalt aus. Der Weg biegt auch gleich zum “Jungborn”, dem heiteren Areal der berühmten, einstigen Kur-und Heilanstalt des → Adolf Just. Nicht den obigen Link zum “Bärlauch” vergessen – es gibt in einem früheren Beitrag Weiterführendes!

Licht-Luft-Lehm-Wasser
Licht-Luft-Lehm-Wasser
Keller vom ehemaligen Eckerkrug
Keller vom ehemaligen Eckerkrug
Jungborn Damenpark
Jungborn Damenpark
Paula und Undine
Kur-Lufthäuschen “Paula und Undine”

Beidseitig das Eckertal und vergeblich ins Große Zwießeltal

Die Ecker
Die Ecker

Bis wohin darf ich mich von der knappen Zeit zwischen den beiden einzigen Zügen des HEX treiben lassen?
Fluss aufwärts und linksseitig schreckt der geradlinige Posten- und jetzt Radweg.
Richtung Bad Harzburg: dieser Weg zur Rabenklippe zweigt zu weit entfernt in den Bergen ab.
Aber es ist Wochenende. Nichts fährt im Eckertal zur Papierfabrik, sogar der Planwagen vom “Waldcafé Eckernkrug” biegt ab. Irgendein alter Wanderweg muss sich doch an der Westseite der Ecker finden lassen! Muss nicht. Steinschlagwarnung und steiler Hang mit bindfadendünnen Quellbächlein rechtsseitig. Linksseitig das tiefe Tal der Ecker bis zum Tor der Papierfabrik. Schluss und aus. Es bleibt nur eine steinige, abschüssige Kletterpartie längs, dann in einem trockenen Bett steil hinauf zum still gelegten Wehr im künstlichen Lauf vom Stöttertalbach. Auch der liegt – zurückumgebaut – hier trocken. Das Brauchwasser wird weniger auffällig abgezapft und der Dammweg ist vergessen. Irgendwann wird der wilde Abgang hinunter zur Ecker geradezu erholsam. Das hat Zeit gekostet. Rabenklippe und Luchsgehege dürften bereits überlaufen und überradrennt sein.

Kaum zu beschädigen
Kaum zu beschädigen
Raser auf versiegelten Wegen
Tod auf versiegelten Wegen
Berghang am Grenzweg Eckertal
Berghang am Grenzweg Eckertal
Wehr für das einstige Brauchwasser
Für das einstige Brauchwasser der Papierfabrik

Ich entscheide für den im Vorfeld auf der Karte ausgespähten Wanderweg durchs Große Zwießeltal. Läppische 6 km bis Ilsenburg. Der Wegweiser ist zwar tütenverschnürt, doch solche Forst-Vorsichtsmaßnahmen sind üblich. Es ist windstill und sonnig, anfangs etwas “grenzwertig”. Romantisch schlängelt der Weg am Bächlein – allerdings aufwärts.
Plötzlich auch baumauf. Endlos. End-end-endlos dicht an dicht die Stämme bis zum Taleinschnitt zwischen den Bergen am Horizont…

Der Wegweiser ohne das Große Zwießeltal
Der Wegweiser ohne das Große Zwießeltal
Brücke zum Zwießeltal
Brücke zum Zwießeltal
Beton im Zwießeltalbach
Beton im Zwießeltalbach
Elektrik zur einstigen Grenze
Elektrik zur einstigen Grenze
Zwießeltalweg April 2018
Zwießeltalweg April 2018
Zwieseltalhang
Zwießeltalhang ohne Ende
Das war wohl der Borkenkäfer
Hier war es wohl der Borkenkäfer
Mitgerissen
von allen Seiten mitgerissen

Auf dem Besenbinderstieg nach Ilsenburg

Gescheiterter Versuch, mit wenigstens 3km/h weiter zu kommen. Hier wird es auf Jahre hinaus keinen Weg mehr geben. Also doch den Postenweg zurück Richtung Jungborn, vorbei am Rest einer mittelalterlichen Erzschlackenhalde. Ihrer Giftigkeit sind nur schwermetalltolerante Krustenflechten, Strauchflechten und Moose gewachsen. Früher auf natürlichen Erzlagerstätten, muss jetzt der geschützte Haldenbereich frei gehalten werden für diese Seltenheiten.

Scharlach-Becherflechte
Scharlach-Becherflechte
Becherflechten
Becherflechten zwischen grauen Strauchflechten
Buchenwurzeln am Waldümpel
Buchenwurzeln am Waldtümpel
Gesunde Buchen und zerstörte Kiefern
Gesunde Buchen und zerstörte Kiefern

Kurz dahinter zweigt der Besenbinderstieg Richtung Ilsenburg ab – unbedingt dem breiten, langweiligen Ilsenburger Stieg vorzuziehen!
Durch den frühlingshaften Buchenwald plätschern die Bächlein derzeit gern auch im Weg. Kaum zu glauben, wenn von einer sommerlichen Hitze 1845 erzählt wird als alle Quellen versiegten und Tiere und Menschen verschmachteten.
Nach 2,5 Kilometern liegt Ilsenburg zwischen saftigen Weiden im Tal.

Ilsenburg im Tal
Ilsenburg im Tal

Es war ein wunderbarer Frühlingstag. Aber das Wandern blieb mir beim Aufstehen eigentlich im Hals stecken. Nachts um 3 wurde Damaskus völkerrechtswidrig bombardiert. Gibt es keine Frühlingsblumen, keine Baumblüten in den Regierungsgärten dieser Welt?

*Leider ist → diese gruslige, aber glaubhafte Sage (als wahrscheinlich neues Fenster – popup funzt nicht!) in voller Länge nur gedruckt zu finden.

Die Bilder sind mit Klick zu vergößern.

Der Brocken im Winter

17. Februar 2018 im Eilschritt durch Ilsenburg, schlitternd durch das Ilsetal, auf vereistem Pfad abenteuerlich hoch zur Hermannsklippe, jappsend auf dem Hirtenstieg zum Kleinen und Großen Brocken

Steinmassen und Menschenmassen im Frühjahr, Sommer und Herbst. Im Winter sind die Menschen auf Schusters Rappen selten. Man sieht sich und erkennt sich auf dem Rückweg oder der Rückfahrt im HEX wieder.

Steinbrocken, bedeckt mit eisigen Pilzhüten
Steinbrocken, bedeckt mit eisigen Pilzhüten

Die Wetterstation grüßt in voller Pracht vom Brocken.
Die Ilse plätschert neben mir mit weit weniger Wasser als vor zwei Wochen. Anstelle der hängenden Eiszapfen sitzen auf den Steinen nur noch breite Eiskappen. Manche Steine tragen ganz und gar schon eine frühlingshafte, kreisrunde Tonsur für ihren Sonnengott.
Hals- und Beinbruchgefahr allerdings beidseitig im Ilsetal: Stöcke haben keine rettende Funktion. Die Schuhe rutschen rückwärts und auf dem Rückweg ständig erschreckend vorwärts.
Auf schmalem Pfad gen Brocken erweist sich am sichersten das Steinbett eines flachen Bächleins oder der Tiefschnee, von dem man selten ahnt, wie tief er ist.

Drei und eine halbe Stunde haben die lt. google maps angezeigten rund 13 Kilometer ab Ilsenburg Bahnhof zum Bergscheitel gekostet. Nur zwei Stunden dagegen abwärts bis zum Ortseingang – das dürften bis zur Stempelbuche 6 km/h gewesen sein. Die Straße nach Ilsenburg aber wurde wieder zum Seiltanz.

Hermannsklippe
Hermannsklippe
Blick vom Hirtensteig
Blick vom Hirtensteig

Ab Hirtenstieg läuft es sich flott auf getretenen Spuren – falls die Kondition trainiert ist und falls man auf Fahrrad oder Langläufer verzichtet hat…
Der Panzer-Betonplattenweg ist unter Schnee begraben, weitgehend auch die Granitbrocken des “Blocksberges”. Die Notdurft zu verrichten erweist sich als schwierig, nahe am Weg sind die Bäume rar. Ich rutsche ab und mache ein Sitzbad – eine interessante, gar nicht betrübliche Erfahrung mit nacktem Hintern bei wahrscheinlich keinem einzigen Minusgrad.

...mit kleinen Bröckchen
Der Kleine Brocken mit kleinen Bröckchen
Hinter mir die Brockenbahn
Spielzeugland

Schneebehangner Scheitel,
Den mit Geisterreihen
Kränzten ahnende Völker.

Johann Wolfgang Goethe, aus “Harzreise im Winter”.(1749 – 1832), G.Poetische Werke (Berliner Ausgabe), Band 1. Berlin und Weimar 1972

Der Brocken in erreichbarer Nähe!
Der Brocken in erreichbarer Nähe, ab und zu in Wolken verschwindend!
Windgebeugt am Brocken
Windgebeugte Geister

Der Gipfel zeigt sich harmlos. Fast windstill wirkt es. Die Handschuhe lohnt es nicht hervorzukramen. Um den Berg wechselt neblig dichte Atmosphäre unmerklich mit offenen, weiten Wolkenlöchern. Die Sicht ist unspektakulär gut bis zur Eckerntalsperre mit einer wahrscheinlich dünnen Eisschicht. Ringsum dunkle Wälder.
Es war wohl das letzte, weiße Winterwochenende im Harz.
Die Sehnsucht nach dem wieder ausgefallenen Winterzelten, nach Schlittschuhlaufen auf einem See oder der Spree mischt sich mit der Melancholie des Abschieds.

Brockenstation I
Brockenstation
Brockenstation II
oder Mondlandung? Na gut: Kennt man alles und fotografiert jeder…

Lob des Winters

Verzeiht, ihr warmen Frühlingstage,
Ihr seid zwar schön, doch nicht vor mich.
Der Sommer macht mir heiße Plage,
Die Herbstluft ist veränderlich;
Drum stimmt die Liebe mit mir ein:
Der Winter soll mein Frühling sein.

Der Winter bleibt der Kern vom Jahre,
Im Winter bin ich munter dran,
Der Winter ist ein Bild der Bahre
Und lehrt mich leben, weil ich kann;
Ihr Spötter redet mir nicht ein;
Der Winter soll mein Frühling sein.

Johann Christian Günther, 1695 – 1723, Gesammelte Gedichte. München, Wien 1981

 

Der Brocken im Winter
oder der Tag als der Hex über den Brocken fuhr

Anruf-Konversation im Zug:
“Wo warst du?”
“Auf dem Brocken.”
“Was hast du dort gemacht?”
“Nichts.”
Reaktion der mithörenden Wanderer: “Gute Frage!”
Der HEX – wenigstens er an diesem Abend von den Geistern geritten – möchte in diesem Moment zu einem berichtenswerten Event beitragen. Er hebt sich mit Donnergetöse kurz hoch aus den Gleisen, kippt leicht samt allen lose und locker liegenden Dingen, wirft die Schlummernden aus dem Schlaf. Die Schreckensnachricht verbreitet sich: keine Verletzten, keine Felsbrocken auf den Gleisen, aber der Brocken eines wilden Schweines wurde platt gemacht. Nothalt und Inspektion des Zuges in Brandenburg. Schnell entschlossene Anwohner können ihre Fahrzeit mit Sprung verkürzen – hatten die das Schwein bestellt??? Ansonsten kleben wohl nur einige blutige Borsten am Zuglack.

→ Die Ilse im Schnee – meine Wanderung am 4.2. durch das Ilsetal

Die Ilse im Schnee

Sonntag, 4. Februar 2018

Die Morgensonne vom Hex aus gesehen
Die Morgensonne vom HEX aus gesehen

Ein Tag, der glücklich macht: raus aus der Berliner Tristesse und mit dem HEX günstig hin und zurück in den HARZ. Freudig erwartungsvoll und entspannte Stimmung, eine andere Gemeinsamkeit als mit der DB. Der Zug proppenvoll mit Skiern, Schlitten, Hunden. Alle kleinen Menschen verschlafen den Sonnenaufgang und abends wieder den Sonnenuntergang. Aber die Zeit dazwischen!!!…

Ein Jahr früher mit einer zielsicheren Brocken-Gruppe in Hast die Ilse entlang – ohne zu fotografieren. Das möchte ich nachholen. Gelungen ist es nicht, diesen kurzen, aber vielleicht schönsten Harzer Wanderweg festzuhalten. Die Ilse rauscht, tost, plätschert zuallererst in und für die Ohren und entwindet sich weniger als zarte Prinzessin, denn als ein listiger Kobold in Sonnengefunkel oder tiefem Dunkel.

Strömend
Strömend
Kreisend
Kreisend
Frischer Quarzitabbruch am Ufer
Blutig-frischer Quarzitabbruch (granatführend) am Ufer
Kaskaden am Oberlauf
Kaskaden am Oberlauf
Chaotisch
Chaotisch
Wild
Wild
Zwischen den Steinen
und zwischen Steinen
Spurlos
Zwischen Buchen

Wie muss sich diese Ilse anhören zur Zeit der „Wilden Jagd“, mit Blitz, Donner und Orkan über Wald und Wasser hinweg, wenn ringsum die Bäume wie Streichhölzer knicken?
Ilse gurgelt unter den Stämmen und die deutsche Sprache bringt mich zum Grübeln.
Am Anfang ist „die“ Quelle, dann wird es „der Bach“. „Das“ Bächlein besitzt dazu eine gewisse Logik, bald aber ist der Bach zwar „der“ Fluss, statistisch jedoch eindeutig eher eine „sie“ als ein „er“.
Auch den zart besaiteten (glaubt man seinen Gedichten) Heine* hat DIE leise plätschernde Ilse verlockt, zur „Blümchenzeit“ allerdings und mit Flausen in seinem jungen Kopf. Der schmale Pfad entlang der Ilse heißt heute touristisch lockend „Heinrich-Heine-Weg“.

Seitlich vom Felsen ein Zufluss
Seitlich vom Felsen ein Zufluss
Überlebenskampf gegen Stein und Wasser
Überlebenskampf gegen Stein und Wasser
Versteckt
Versteckt
Unter den Stämmen
Unter den Stämmen
Nicht für jeden machbar
Dazwischen drüber – keine andere Möglichkeit!
Baumstamm an Baumstamm
Baumstamm an Baumstamm
Der Weg, gangbar
Trotz Baum gangbar, sogar trocken…
Die Ilse im Wald
Die Ilse im Wald

Die Ilse zur jetzigen, frühen Jahreszeit gleicht eher einer Loreley als einer süßen Gefährtin. Auf fast neun Kilometern stellt sich Prinzessin oder auch Wasserfee Ilse als das Gegenteil dar von dem, was kleine Mädchen in perlenbestickten Spitzenkleidchen erträumen. Wenn die Sonne mit ihrem weißen oder goldenen Licht das Wasser schmückt, mag eine Erinnerung daran aufblitzen. Aber die Ge-fähr-tin birgt deutlich eher Gefahr. Ilse gleitet nirgends seidenweich über das Gestein, manchmal entzieht sie sich leicht kräuselnd. Dann aber schlägt ihr Wasser schroff gegen die Steine, jagt und sprudelt hier hinab und da prallt es gegen das Ufer, zerstäubt in Tröpfchen langsam zu Eiszapfen, wenn nicht wieder das Wasser von und mit allem fortreißt. Der Fluss wühlt und schäumt mit Getöse in seinem (oder ihrem?) Bett wie der erymanthische Eber, den erst Herkules besiegen konnte.
Heine wurde wohl eher becirct von einer täuschenden Ilsebilse…

Vielfacher Scheideweg, hier zum Brocken
Vielfacher Scheideweg, hier zum Brocken

Bis zu den oberen Ilsefällen und der Bremer Hütte reicht mir. Weg und Anstieg zum Brocken sind mühselig. Also noch einmal die Ilse abwärts, diesmal bis zum Ortsausgang bei den ehemaligen Hüttenwerken, wo Wanderer selten hinfinden.
Vorher lohnt das Abbiegen auf die Berge über Ilsenburg und zu dem über 1.000 Jahre alten Kloster hoch über dem Tal des Flüsschens. Das Kloster befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Jagdpfalz Elysynaburg, vermutlich von König Heinrich I.** gegründet. Elysium als sofortige Assoziation, die Insel der Seligen, vom Okeanos oder eben der Ilse und den vom Brocken her ziehenden Nebeln umflossen… Als an dieser Stelle das Benediktinerkloster*** entstehen sollte, wurde die Burg auf den Ilsenstein verlegt.

Blick Richtung Brocken
Blick Richtung Brocken

Seit 2000 werden die Klostergebäude saniert. Die Architektur ist sehenswert, aber weder ad hoc noch mit dem überreichten, dilettantischen Wegezettel zu erschließen. Im Dormitorium ein informativer Raum zur Reform der Wernigeröder Forsten**** und das Modell der Straße der Romanik, beides würde lohnend mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Die Klosterkirche als letzte Station des Rundganges trotz baulicher Veränderungen in ihrer strengen, großartigen Einfachheit ein in vieler Hinsicht bedeutendes Erlebnis .

Klosterkirche Ilsenburg mit barocker Altarwand und Kanzel, 1706
Klosterkirche Ilsenburg mit barocker Altarwand und Kanzel, 1706

Über der Apsis eine Ende 16. Jh. datierte barock bemalte Holztonne – wie der bewegte Himmel über dem Harz, darunter eine geschnitzte Altarwand von bedeutender Qualität und Pracht und ohne Fassung, Kanzel und Taufengel dagegen farbig. Teile des Estrichs sind mit Ritzzeichnungen erhalten: lebensgroß wirkend ein Hirsch mit anspringendem Hund.

Fußboden der Klosterkirche Ilsenburg, Ritzzeichnung
Jagdszene auf dem Fußboden der Klosterkirche Ilsenburg, Ritzzeichnung

Inzwischen glüht der Himmel goldfarben über den Bergen von Ilsenburg und spiegelt sich in allen Pfützen und Gewässern. Ein letzter Blick auf die Ilse von der Stahlwerkbrücke hinter dem Bahnhof. Die Brücke wurde um 1905 zusammen mit dem Siemens-Martin-Stahlwerk gebaut, das wurde bereits 1911 wegen Unrentabilität wieder stillgelegt.

Die Abendsonne an der Stahlwerkbrücke
Die Abendsonne an der Stahlwerkbrücke. Nicht nachträglich eingefärbt!!!

*Heinrich Heine, Harzreise, 1824,

**Heinrich I. (der Vogler) war Herzog von Sachsen und von 919 bis 936 König des Ostfrankenreiches.
Geboren: 876 n. Chr., Memleben
Gestorben: 936 n. Chr., Memleben; bestattet: Stift Quedlinburg
Memleben ist MIR wichtig: die Pfalz wurde regelmäßig während der Pfingstwanderfahrten auf der Unstrut besichtigt.

***Kloster Ilsenburg

**** um 1765 in Ilsenburg Gründung der ersten deutschen Forstlehranstalt als Meisterschule
durch Hans Dietrich von Zanthier

Die Ilse hat mich genarrt, ich finde in den Bildern nur Stückwerk,
der Fluss wirkt zerbrochen/gebrochen wie das Holz, aber sie war doch ständig ganz lebendig neben mir!?